Job:Karrieretipps im Praxistest: E-Mail-Postfach aufräumen

Job: Lesen, löschen, filtern: Gerade beim Thema E-Mail gehen Theorie und Praxis weit auseinander.

Lesen, löschen, filtern: Gerade beim Thema E-Mail gehen Theorie und Praxis weit auseinander.

(Foto: Illustration Jessy Asmus/SZ.de)

6443 ungelesene Nachrichten: Unsere Autorin kämpft gegen die E-Mail-Flut. Ein Ratschlag erweist sich als nützlich - und überfordert nicht die eigene Selbstdisziplin.

Von Sarah Schmidt

Es gibt diese sehr lustigen, weil sehr wahren "Es gibt nur zwei Typen von Mensch"-Bildchen. Die einen springen beim ersten Wecker-Klingeln aus dem Bett, die anderen drücken achtmal Snooze (Ich bin Typ Snooze). Die einen halbieren ihren Toast diagonal, die anderen mittig (Diagonal, natürlich!). Die einen haben maximal zehn ungelesene Mails in ihrem Posteingang, die anderen deutlich über tausend. Mein Problem: Ich bin ganz klar Typ zwei.

Vor drei, vier Jahren sah es so aus, als würde die Mail bald sterben. Mit Whatsapp, Skype, Slack, Dropbox und wie sie alle heißen, gibt es schließlich so viel geeignetere Möglichkeiten, mit seinen Mitmenschen Gedanken, Bilder und Pdfs auszutauschen.

Dann allerdings hat ein Trend die E-Mail zurück ins Leben geholt: der Newsletter. Auf einmal begannen alle möglichen hippen Blogger und seriösen Nachrichtenportale täglich, zweimal täglich, wöchentlich oder monatlich eine E-Mail zu versenden. Einmal registriert und schwuppdiwupp kommen die lesenswerten Ergüsse direkt ins Postfach geflattert.

Und damit sind wir bei meinem Postfach.

"6443" erhebt der Touchscreen meines Smartphones mahnend den digitalen Zeigefinger. Meine Arbeits-Mailadresse hat ein anderes Problem: "Ihr Postfach ist fast voll" mosert Outlook. Und zwar jeden Tag, mit einer als "wichtig" markierten Mail.

E-Mail-Postfach - die Theorie

Die Theorie zum Thema E-Mail-Postfach ist so einleuchtend, einfach und übersichtlich, wie die Praxis nervtötend, unpraktisch und belastend ist.

  • Fehler #1: Bei jeder eingehenden E-Mail gibt es eine Benachrichtigung. Schlimmstenfalls mit einem akustischen Signal, allerschlimmstenfalls auf mehreren Geräten gleichzeitig, beziehungsweise leicht zeitversetzt. Wie ein gut dressierter Pawlow'scher Hund klicken wir prompt auf die neue Nachricht: "Ach, nur Werbung .... Wo war ich grad stehengeblieben?" Der Expertenrat: Schalten Sie sämtliche Benachrichtigungen ab. Lesen und beantworten Sie E-Mails nur zu festgelegten Zeiten: zum Beispiel morgens, mittags, abends.
  • Fehler #2: Neugierig eine Mail öffnen - gierig den Inhalt überfliegen. Die nächste Mail öffnen, die nächste, die nächste und zwei Stunden später nach 85 Mails von vorn beginnen, weil man gar nicht mehr weiß, welche wichtig war. Der Expertenrat: Packen Sie jede Mail nur ein Mal an. Belangloses sofort löschen, Wichtiges sofort beantworten oder weiterleiten. Was sich nicht sofort erledigen lässt, auf Wiedervorlage legen.
  • Fehler #3a: Zu wenig Struktur - sämtliche Mails fluten erbarmungslos das Postfach, wie ein Rohrbruch die Altbauwohnung. Fehler #3b: Zu viel Struktur - Mails werden zeitraubend in zig Ordner samt Unterordner sortiert (Privates - Wohnung - Handwerker - Rohrbruch-Beseitigung). Allein die Pflege der Ordner-Struktur entspricht einer Halbtagsstelle. Der Expertenrat: Schaffen Sie so viel Struktur wie nötig und so wenig wie möglich. Schon vor einigen Jahren haben Studien ergeben, dass Sie mit der Suche-Funktion deutlich effektiver Mails finden als mit aufwendigen Substrukturen. Sorgen Sie aber für ein System, mit dem Sie besonders wichtige Nachrichten kennzeichnen und vor dem Löschen bewahren.

E-Mail-Postfach - die Praxis

Mittlerweile droht Outlook mir bereits beim morgendlichen Hochfahren: Wenn ich nicht bald Platz schaffe, werde ich schon sehr bald keine Mails mehr verschicken können. Daher beginne ich das große E-Mail-Reinemachen in meinem beruflichen Postfach. Ich versuche mich an einem beherzten Befreiungsschlag, sortiere alle Mails nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs und will gerade beginnen, von hinten wegzulöschen, da bleibe ich an Betreffzeilen aus dem August 2011 hängen. Die allerersten Mails bei der SZ - damals noch als Praktikantin. Hach, ist das lang her ... So komme ich nicht weiter.

Eine andere Strategie muss her. Zunächst suche ich die ritualisierten Orga-Mails, die regelmäßig kommen, spätestens einen Tag nach ihrem Erscheinen unwichtig geworden sind. Die Mails mit der Wochenend-Besetzung am Newsdesk zum Beispiel oder die vielen Hundert Mails, die über Exklusiv-Meldungen der SZ berichten, Pressemitteilungen von Ministerien, Stiftungen - und dem Wildpark Lüneburger Heide (wie bin ich bloß da drauf gelandet?). Nach Betreff und Absender suchen, alle auswählen, löschen. So eliminiere ich nach dem Prinzip Masse auf einen Schlag Hunderte Mails.

Als unsere Illustratorin Jessy vom Thema der neuen Folge hört, gibt sie mir noch diesen guten Tipp: "Ich bekomme und verschicke oft große Anhänge. Ich sortiere die Mails dann immer nach Größe und lösche die größten raus." Gesagt, getan.

Später finde ich dann zwar auch noch die Funktion, Mails zu archivieren - also quasi in große Kartons zu packen und auf den Dachboden zu stellen. Da ist das Postfach zwar schon saniert, ich archiviere aber noch schnell alles, was älter ist als anderthalb Jahre.

Meine zwei privaten Postfächer (eins für "in echt", eins nur noch für Online-Bestellungen) sind etwas anders gelagert. Hier laufen die vielen bereits angesprochenen Newsletter ein. Und tonnen- , äh megabiteweise Werbung. Ich trage mich aus etwa 20 Werbe-Verteilern aus: die Porzellan-Firma, bei der ich vor Jahren mal ein Weihnachtsgeschenk bestellt habe, diverse Sportartikel- und Mode-Hersteller, die New York Times-Abo-Abteilung. Ein paar ausgewählte dürfen bleiben: Ab und an ist das wie ein Schaufensterbummel.

Das Problem mit den ungelesenen Newslettern löse ich mit Filtern. Mir gefällt die Idee von kleinen, adrett gekleideten Vorzimmer-Assistenten, die meine Post in eine schwere, lederne Aktenmappe vorsortieren. Wer weiß, wann ich jemals die Zeit finde, alle zu lesen ... Immerhin lebe ich in der beruhigenden Gewissheit, dass sie da sind.

Schließlich wähle ich beherzt alle noch verbliebenen Nachrichten im Posteingang aus und drücke den "Alle als gelesen markieren"-Knopf. Ruhe! Eine Textwüste voll schlanker, zurückhaltender Buchstaben. Kein Rot, kein Fett - herrlich!

Mit meiner neu gewonnenen E-Mail-Leichtigkeit fühle ich mich nun stark genug, mich an mein Leseverhalten zu machen. Ich schalte im Büro sämtliche Signale für einkommende Nachrichten ab. Das hat allerdings zur Folge, dass ich noch häufiger ins Postfach schaue: "Vielleicht ist ja gerade etwas ganz Wichtiges gekommen?"

Am auferlegten 90-minütigen Kontroll-Verbot scheitere ich bereits im ersten Anlauf. Ich warte auf die Autorisierung eines Interviews und habe das permanente Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Das funktioniert nicht.

E-Mail-Postfach - das Fazit

Ich entscheide mich schlussendlich für einen Kompromiss, schalte das Ton-Signal aus, behalte aber das kleine Benachrichtigungsfeld, das aufpoppt und mich über Absender und den Beginn der Nachricht informiert. So sehe ich - quasi im Augenwinkel - wenn eine neue Nachricht eintrifft. Falls etwas wirklich Wichtiges dabei ist, bekomme ich das gleich mit. Bei allem unwichtigen Kram versuche ich hingegen, mich zu disziplinieren. Dabei hilft die "Nur einmal anfassen"-Regel ungemein.

Schnellcheck
Aufgeräumtes E-Mail-Postfach

●●◌◌◌ Schweinehund-Faktor

●●◌◌◌ Praktikabilität im Büro-Alltag

●●●●◌ Wirkung auf Produktivität und Wohlbefinden

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