IT-Branche:"Technik prägt Frauen mehr als früher"

IT-Expertin Felicitas Birkner arbeitet in einer Männerwelt. Mit Big Data sieht sie neue Chancen für Frauen.

Interview von Juliane von Wedemeyer

Frauen sind in der Informationstechnologie-Branche nach wie vor eine seltene Erscheinung. Ein Gespräch mit IT-Expertin Felicitas Birkner über Zusammenarbeit, Kultur und neue Berufsperspektiven.

SZ: Sie sind Senior Product Marketing Manager für Großrechner. Wie viele männliche Kollegen haben Sie?

Felicitas Birkner: In unserem Münchner Büro sind etwa 85 bis 90 Prozent meiner Kollegen Männer. Gefühlt sieht es in den anderen Bereichen genauso aus.

Woran liegt das? Meiner Erfahrung nach, fängt es bei den Erziehungsmodellen an. Kinder werden von ihren Familien in gewisse Berufszweige hineingedacht. Vielleicht klingt das vereinfacht, aber es ist doch häufig so: Mädchen gehen als Prinzessinnen zum Fasching, Jungen als Cowboys. Meine Eltern haben mich in alle möglichen Kostüme gesteckt - nur nicht in ein Prinzessinnenkleid. Sie haben mir so gezeigt: Du musst nicht immer Prinzessin sein, du kannst alles werden!

Sie haben dann Ingenieurwissenschaften studiert. Der Männeranteil in diesen Studiengängen liegt bei mehr als 70 Prozent, genauso im Fach Informatik.

Während meines Studiums war das anders. Ich studierte zu DDR-Zeiten an der Technischen Universität Dresden. Der Männeranteil in meiner Seminargruppe lag bei etwa zehn Prozent. In der DDR wurden Frauen regelrecht in Technikberufe gezwungen. Ursprünglich wollte ich etwas anderes studieren: Sprachwissenschaften oder Medizin.

Trotz Prinzessinnenverbot typische Frauenberufe.

Stimmt, aber ich habe dafür keinen Studienplatz zugeteilt bekommen. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich Dinge, die ich anfange, auch beende. Wichtig dabei ist, für Neues offen zu sein und Freude am Lernen zu haben. Darum habe ich das Studium erfolgreich durchgezogen, ohne es hinterher zu bereuen.

Aber als Sie fertig waren, gab es die DDR nicht mehr.

Als wir 1991 nach dem Studium im Westen zum Arbeitsamt gingen, war man dort überrascht: Wir als Frauen wollten uns in Technik-Jobs vermitteln lassen! Das war man nicht gewohnt. Ich begann bei Siemens in Leipzig im Technikvertrieb - fast nur Männer in meinem Arbeitsumfeld. Dort zu arbeiten war sehr interessant.

Sind Männer die angenehmeren Kollegen?

Ich habe viele lockere und nette Kollegen und arbeite gern mit Männern, genauso wie mit Frauen. Allerdings ist Mut zur Lücke gefragt, auch bei Frauen. In der IT geht es darum, viel auszuprobieren und mit Unbekanntem locker umzugehen. Man muss darauf gefasst sein, Fehler zu machen. Denn: Wenn ich es nicht probiere, probiert es jemand anderes. In der Regel ein Mann!

Worin liegen die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit?

Als Berufsanfängerin hatte ich gedacht: Das kann ich genauso gut wie die Männer und habe mich ins Zeug gelegt. Irgendwann habe ich gemerkt, es geht nicht weiter. Ich hatte es mit einer Männerwelt zu tun, mit einem gestandenen Netzwerk. Daran war schwer zu rütteln.

Bei Beförderungen wurden dann eher die Männer berücksichtigt? Sie haben sich trotzdem immer weiter entwickelt.

Ja, in Situationen, die ich nicht ändern konnte, habe ich mich verändert. Herausforderungen annehmen, Neues ausprobieren, Chancen nutzen - das entwickelt weiter.

Haben Sie deshalb das Professional Women's Network München mitgegründet, um Frauen in solchen Situationen zu helfen?

Unter anderem. Viele kommen aus anderen Nationen, Kulturen und Branchen. Wir suchen Austausch, wollen international netzwerken und voneinander lernen. Auch da bemerke ich Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Männer empfehlen sich viel öfter gegenseitig. Frauen eher nicht. Manchmal denke ich: Meine Güte, da würde niemandem eine Perle aus der Krone fallen, mal diese oder jene weiterzuempfehlen.

Birgt die Nachfrage nach Fachkräften im Big-Data-Umfeld die Chance, dass mehr Frauen in IT-Berufen Fuß fassen?

Wir werden Richtung Big Data - man kann schon sagen - katapultiert. Und das bringt megamäßig viele Möglichkeiten. Man wird beispielsweise viele Kräfte brauchen, die Daten in alle Richtungen, über alle Branchen hinweg, sinnvoll auswerten können. Darin liegt durchaus Potenzial für Frauen, neue Berufsfelder zu finden.

Also wird es künftig mehr Frauen in der IT-Branche geben?

Heute motiviert unser technikgeprägtes Umfeld Frauen viel mehr als früher. Die Kinder entwickeln sich durch die Medien so spielerisch in diese Themenwelten, dass ich mir das gut vorstellen kann. Auch die Arbeitsplätze und -zeiten werden immer flexibler und Karriere und Familie dadurch immer besser vereinbar.

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