Islamismus-Verdacht:Stadt will Muslim nicht als Lehrer

Wann ist Ausgrenzung wichtiger als Integration? Der Verfassungsschutz warnt in München vor einem muslimischen Bewerber. Der wehrt sich.

Bernd Kastner

Integration ist ein strapaziertes Wort. Alle wollen sie, vor allem Politiker, und zwar speziell die Integration von muslimischen Migranten. Doch in der Praxis ist sie bisweilen viel komplizierter als in Sonntagsreden. Die Stadt München hat jetzt einem jungen muslimischen Lehrer die Einstellung als Realschullehrer versagt, weil sie Zweifel an seiner Verfassungstreue hat. Wann muss der Staat einen Muslim eher ausgrenzen als integrieren? Wo verlaufen die Grenzen zwischen begrüßenswertem, islamischem Engagement und gefährlichem islamistischem Extremismus?

"Erhebliche Bedenken"

Mohamed M. (Name geändert) ist Ende 20, geboren in Deutschland, sein Vater ist Araber, seine Mutter Deutsche. Seit seiner Kindheit lebt er im Großraum München, spricht perfekt Deutsch, ist verheiratet und hat Familie. M. hat Lehramt studiert, das Referendariat absolviert und will nun als Realschullehrer für Mathematik und Wirtschaft arbeiten. Die Stadt aber macht "erhebliche Bedenken" geltend, ob M. als Beamter geeignet sei, ob er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik eintreten werde.

Das Schulreferat begründet diese Sorge mit einem Fragebogen, den M. "unrichtig" ausgefüllt habe. Darin sollte er seine Verbindungen zu extremistischen Organisationen angeben, doch Mohamed M. kreuzte überall das Nein-Kästchen an. Der Stadt liegt eine umfangreiche Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, und in der steht genau das Gegenteil: "Herausgehobenes Engagement für islamistische Organisationen". M. vertrete die Ideologie der Muslimbruderschaft, "er strebt einen islamischen Staat an".

Kurze Kontakte vor sieben Jahren

Die Verfassungsschützer werfen ihm "Verbindungen" vor zum "Islamischen Zentrum München" (IZM) in Freimann und zur "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland" (IGD) vor. Die IGD gilt dem Landesamt als deutsche Zentrale der Muslimbruderschaft. Sie habe ihren Sitz im IZM. Die Muslimbruderschaft gilt als islamistisch. Zu Lasten von M. wird auch seine Aktivität für die "Muslimische Jugend in Deutschland" (MJD) gewertet, die sich laut Verfassungsschutz ideologisch an der Muslimbruderschaft orientiere.

Mohamed M.s Anwalt Gerd Tersteegen hat eine empörte Erwiderung ans Schulreferat geschrieben, noch liegt die Sache nicht bei Gericht. Der Anwalt wirft dem Verfassungsschutz und damit auch der Stadt vor, Tatsachen zu verdrehen und falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. M. selbst sagt, dass er beim Ausfüllen des Fragebogens bewusst Kontakte zu Extremisten verneint habe, weil er eben nicht Mitglied von IGD oder IZM sei. Er habe lediglich an zwei Sitzungen der IGD teilgenommen, und das vor sieben Jahren. Im IZM sei er nur einige Monate Mitglied gewesen, und das auch vor mindestens sechs Jahren.

Der Integration verschrieben

M. sei das Gegenteil eines Verfassungsfeindes, betont Tersteegen: Er habe sich ganz der Integration verschrieben, entsprechend sei er auch aktiv in der Muslimischen Jugend in Deutschland: Diese verwende ausschließlich die deutsche Sprache, lade zu gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen ein, vernetze sich mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Nicht ohne Grund sei die MJD für ihr integratives Engagement 2001 mit dem Heinz-Westphal-Ehrenpreis ausgezeichnet worden. Den vergeben der Bundesjugendring und das Bundesfamilienministerium für ehrenamtliche Jugendarbeit, "die Maßstäbe setzt".

Sammlung islamischer Texte

Die MJD, sagt M., stehe hinter Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Mit seinen MJD-Gruppen nutze er immer wieder die Räume der Moschee des Islamischen Zentrums in Freimann, mehr nicht.

Dass man auf M.s Computer zahlreiche Artikel und elektronische Bücher über den Islam gefunden habe, begründet der Anwalt damit, dass es in Deutschland einen Mangel gebe an deutschsprachiger islamischer Literatur, weshalb er alles sammle, was er finde, um es auszuwerten. Aber nur, wenn er selbst mit dem Inhalt übereinstimme, verwende er die Texte.

Alles in einen Topf

Für ihn, sagt M., gehöre zur Integration der Kontakt mit vielen Menschen, auch mit solchen, deren Meinung er nicht teile. Außerdem seien in der islamischen Welt die Übergänge zwischen den zahlreichen Gruppierungen fließend, es gebe keine straffe, weltweite Organisation wie es beispielsweise die katholische Kirche ist.

Und so komme es, das auch reformorientierte Gruppen in einen Topf mit Extremisten geworfen würden. Es gebe keine gemeinsame Ideologie, wie sie immer wieder unterstellt werde. Ein Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde, der seit Jahren zusammen mit M. Vorträge zu interreligiösen Themen hält, zweifelt nicht an M.s Integrität: Weil M. so sehr im Islam verwurzelt sei, sei er anderen Religionen gegenüber "unvoreingenommen und offen".

Noch keine endgültige Entscheidung

Das Schulreferat habe noch keine endgültige Entscheidung gefällt, so Sprecherin Eva-Maria Volland. "Wir wollen uns ein umfassendes Bild machen." Sollte die Stadt bei ihrer Ablehnung bleiben, wäre das nicht automatisch das komplette Aus für M.s Lehrerlaufbahn: Er könnte sich etwa bei Privatschulen bewerben, die sind nicht an eine Entscheidung der Stadt gebunden.

M. wirkt sehr ruhig, obwohl es um seine berufliche Zukunft geht. Er sagt, er mache der Stadt gar keinen Vorwurf, wie solle die anders reagieren, wenn so eine Stellungnahme vom Verfassungsschutz komme. Er betont nochmals, dass er das Konzept einer europäisch-islamischen Identität vertrete und sich als europäischer Bürger fühle. Und er sagt, dass er nicht klein beigeben wolle, er werde kämpfen um eine Lehrerstelle.

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