Süddeutsche Zeitung

Irland: Auswandern in der Krise:"Der letzte macht das Licht aus"

Wenn es in der Heimat keine Jobs mehr gibt, und die Krise ihre Opfer fordert, hilft nur Auswandern. Viele junge Iren suchen ihr Glück jetzt in der Fremde.

M. Burkhardt

Wenn es in der Heimat keine Jobs mehr gibt und die Krise ihre Opfer fordert, hilft manchmal nur Auswandern. Viele junge Iren suchen ihr Glück jetzt in der Fremde - nicht immer freiwillig. Keine Spur von Frust und schlechter Laune im südirischen Cork - zumindest bei den internationalen Bierpong-Meisterschaften sind die Iren unangefochtene Champions.

Cian Tanner versucht sich bei dem schrillen Spektakel zu amüsieren. Es soll ihn von bohrenden Zukunftsfragen ablenken. Denn bald wird der 26-jährige Informatiker seine Heimat verlassen und in Neuseeland einen Job suchen.

Besonders für junge Leute sind die Aussichten in Irland gerade trübe - fast jeder Dritte ist ohne Arbeit. Zigtausende suchen deshalb ihr Glück in Kanada, Australien, Neuseeland oder auch in Deutschland.

Seán O'Donovan ist nur noch selten daheim in Irland. Der 29-jährige Bauingenieur arbeitet inzwischen wie viele seiner Kollegen in Gelsenkirchen - um sein Haus in der Heimat abbezahlen zu können.

"Es ist ein bisschen verrückt", sagt O'Donovan: "Ich verdiene Geld in Deutschland für ein Haus in Irland, in dem ich so gut wie nie mehr bin."

Gemeinsam mit seiner Schwester stottert Seán O'Donovan einen hohen Kredit ab. Sorge, dass es schief laufen könnte, hat er nicht: "Ich bin noch jung, ich kann immer wieder von Neuem anfangen." Was ihn aber traurig stimmt, ist der Anblick der vielen neu gebauten, leer stehenden Häuser.

300.000 dieser so genannten "Geisterhäuser" gibt es inzwischen in Irland. "Wenn da nicht bald jemand einzieht, werden sie schnell verrotten", sagt Bauingenieur O'Donovan. "Es wäre ein Jammer."

Ein Hausanbieter verspricht neue, niedrigere Preise, aber derzeit sind keine Käufer in Sicht. So betrüblich dieser Anblick, so drastisch ...

... klingen die Briefe junger Auswanderer: "Unser Land verliert gerade eine ganze Generation. Der Letzte macht dann bitte das Licht aus." So schlimm wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die berühmte Annie Moore als erste Irin mit ihren Brüdern über Ellis Island nach Amerika auswandern musste, ist es aber bei Weitem nicht.

Cian Tanner hat etwas gegen das Wehklagen, das viele junge Auswanderer anstimmen. "Wir sollten optimistischer sein und die Dinge einfach anpacken", sagt er. Im Januar beginnt der 26-jährige Ire sein persönliches Neuseeland-Abenteuer: "Wenn's mir dort gefällt und alles gut läuft mit meiner Freundin und im Job, bleibe ich, ansonsten bin ich in zwei Jahren wieder da."

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