Interview mit Hubert Burda:"Ein Doktortitel muss wie ein Adelstitel sein"

Der Verleger Hubert Burda vermisst Managerdenken in den Uni-Chefetagen. "Unser Maßstab sind Oxford, Harvard, Cambridge", sagt Burda, der scheidende Vorsitzende des Hochschulrates der LMU.

Joachim Käppner, Birgit Taffertshofer

Am schlimmsten ist für Hubert Burda Stillstand - der Münchner Verleger setzt sich für Innovation ein. Sein Konzern, zu dem das Nachrichtenmagazin Focus wie auch Blätter wie Bunte und Freundin gehören, setzte vergangenes Jahr 1,6 Milliarden Euro um. Als Vorsitzender des Hochschulrats der Ludwig-Maximilians-Universität München betrat er vor acht Jahren eine fremde Welt. Am heutigen Montag wird das Beratergremium, das mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft besetzt ist, verabschiedet. Die SZ sprach mit Burda über Erfolge, Niederlagen und die Rolle des Rats beim Umbau der Universitäten.

Interview mit Hubert Burda

"Wir dürfen niemals zufrieden sein, auch nicht an der LMU und der TU": Hubert Burda.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Burda, vor acht Jahren gab es heftige Proteste gegen den neu eingeführten Hochschulrat. Professoren und Studenten sahen in den externen Beratern aus der Wirtschaft eine Gefahr für die Freiheit von Forschung und Lehre; Professoren warnten vor einem "Feierabend-Aufsichtsgremium ohne demokratische Legitimation". Wie kamen Sie damit zurecht?

Burda: Anfangs war in der Tat zu spüren, dass die Hochschulen fürchteten, sie würden nun so etwas wie einen Aufsichtsrat bekommen. Das war an der LMU nicht anders. Glücklicherweise hat uns der damalige Rektor Andreas Heldrich mit seinem feinen Gespür sehr geholfen. Dadurch konnten wir den Sachverstand, den wir aus der Wirtschaft hatten, doch recht schnell einbringen.

SZ: Der Hochschulrat sollte die Universität fit für die Zukunft machen. Was musste sich an der LMU ändern?

Burda: Die Kommunikation innerhalb der Universität, aber auch zwischen Ministerium und Hochschule scheint mir deutlich besser geworden zu sein - denn der Hochschulrat war eine neue Plattform zum Austausch. Davor gab es zu wenig Kommunikation zwischen der Universitätsführung und dem Staat als dem Geldgeber für die Hochschulen. Jetzt redete man über konkrete Ziele: Was wollt ihr bauen? Was soll das kosten? Wie lange dauert das?

SZ: Sie haben ja aus Sicht des Unternehmers eine fremde Welt mit ganz eigenen Abläufen betreten.

Burda: Ich denke, unsere Beratung hatte bald sichtbare Erfolge, besonders in den zukunftsträchtigen Forschungsbereichen wie der Medizin. Hier stellte sich zum Beispiel sehr schnell die Frage: Was geschieht mit dem Vorklinikum der LMU in der Innenstadt? Wir haben uns das damals angesehen, und der Besuch endete mit dem Fazit: "Hier kann kein Nobelpreis entstehen." Heute gibt es in Martinsried und Großhadern optimale Forschungsbedingungen. Uns war aber auch klar, dass man der LMU ihre Stammkompetenz lassen muss, also die Geisteswissenschaften. Da haben wir uns nie eingemischt, genauso wenig wie bei Personalentscheidungen. Dazu fehlt uns ja die Kompetenz. Aber wir haben immer auf schnelle Entscheidungen gedrängt. Manche Positionen blieben damals ja zwei, drei Jahre unbesetzt.

SZ: Durch das neue Hochschulgesetz darf der Hochschulrat nicht mehr nur beraten, sondern künftig auch mitbestimmen. Ein notwendiger Schritt?

Burda: Es stimmt, von Oktober an erhält der Hochschulrat mehr Einfluss. Er darf beispielsweise den Präsidenten der Universität wählen. Das, was ein Präsident einer Hochschule haben muss, sind Führungseigenschaften. Er muss ja über viel Geld entscheiden. In der LMU beträgt der Haushalt etwa eine Milliarde Euro. Und deshalb halte ich es schon für sehr sinnvoll, dass Wirtschaftsleute den Präsidenten mitwählen. Denn sie können besser beurteilen, wer entscheiden, gestalten, managen kann, wer das Charisma hat, gute Leute an sich zu binden. Und was ganz wichtig ist, wer einer Universität das nötige Selbstbewusstsein gibt . . .

SZ: . . . wie es die großen angelsächsischen Universitäten ausstrahlen.

Burda: So weit sind wir noch lange nicht. Eigentlich müssten T-Shirts der LMU überall in München zu sehen sein. Wenn ich da nur an meine eigene Promotionsfeier zurückdenke. Lieber Heiland! Handschlag, Urkunde im Rektorat, raus und das war's: Da fehlte es an Gefühl, an Stolz, an Identität. Künftig muss ein Doktortitel von der LMU wie ein Adelstitel sein. Dieses Gefühl, dass die Universität ein geistiges Zentrum eines Landes ist, müssen wir leider noch entwickeln - aber München hat dafür die besten Voraussetzungen. Es gibt kaum eine Stadt, die ein besseres wirtschaftliches Umfeld dafür hätte, mit Unternehmen wie Siemens, BMW, Allianz, Münchner Rück, McKinsey. Dazu kommt, dass die Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Hochschulen künftig über die Forschung hinausgehen muss. Wo es möglich ist, sollten Fachleute aus der Wirtschaft verstärkt für die Unis freigestellt werden. Natürlich geht hier vieles in Richtung TU, aber auch die LMU hat alle Möglichkeiten.

"Ein Doktortitel muss wie ein Adelstitel sein"

SZ: Bessere Forschung, neue Studiengänge und wachsende Studentenzahlen werden vor allem Geld kosten. Woher soll das kommen?

Burda: Die deutschen Universitäten müssen noch lernen, privates Geld für sich zu gewinnen - auch aus der Wirtschaft. Je mehr die Universität nicht nur Empfänger von staatlichen Zuweisungen ist, desto besser wird sie sich entwickeln. Die Studiengebühren sind da ein wichtiger Ansatz. Die Universitäten kommen damit zum ersten Mal zu eigenem Geld. Der Hochschulrat war immer der Überzeugung, dass sich die Universitäten nur verändern können, wenn eine Partizipation der Studenten stattfindet.

SZ: Selbst die Studenten haben in München kaum gegen die Studiengebühren protestiert.

Burda: Das hat mich nicht überrascht. Sie haben gemerkt, dass sie davon profitieren. Als ich studiert habe, in den sechziger Jahren, konnten wir die esoterischsten Fächer wählen, wir kamen nach dem Examen immer irgendwo unter - auch wenn es in den Medien war (lacht). Es gab niemanden, der sich während des Studiums Sorgen machte, was einmal wird. Heute müssen die Studenten genau überlegen: Was kann ich? Wo sehe ich beruflich eine Perspektive? Und wenn die Studenten heute viel zielgerichteter an ihr Studium herangehen als wir damals, müssen sich die Universitäten jetzt verstärkt nach ihnen richten.

SZ: Die LMU gehörte 2006 zu den ersten drei "Elite-Universitäten". Spielt sie weltweit schon in der ersten Liga mit?

Burda: Von Stanford und Harvard sind wir natürlich noch ein Stück entfernt. Die LMU kann aber dahin kommen. Durch die Evaluierung ist ein Ruck durch die Universität gegangen.

SZ: Was müssen die Universitäten tun, um international mithalten können?

Burda: Es wurden ja bereits neue Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt. Wir leben in einer Schwellenzeit, an der Schwelle des digitalen Zeitalters. Die Software-Entwicklung ist die Aufgabenstellung der Zukunft, ganz klar. Und da sehe ich die Entwicklung in Deutschland mit Sorge. Wir sind führend im Maschinenbau, aber das ist eine Erfolgsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Künftig heißt es aber nicht mehr: Wem gehört die Maschine? Sondern: Wer schreibt die Software, die die Maschine steuert? Und das sind oft genug nicht mehr wir. Hier müssten deutsche Unis führend sein - die Globalisierung macht vor niemandem Halt. Wer den Algorithmus schreibt, das hat Google bewiesen, ist erfolgreich.

"Ein Doktortitel muss wie ein Adelstitel sein"

SZ: Und wie schätzen Sie die Fortschritte an den Universitäten ein?

Burda: Das Bewusstsein für die digitale Revolution ist viel zu wenig verbreitet. Ich kenne Münchner Institute, in denen steht der PC immer noch im Keller, und die Studenten verschicken darauf E-Mails, statt mit dem Computer zu arbeiten. Das Lernen ist in Deutschland immer noch stark auf Abfragen und Repetieren ausgelegt. Nutze ich den Computer, kann ich mich weltweit vernetzen und selbst kreativ sein. Wir brauchen heute nicht mehr büffeln und büffeln.

SZ: Wo konnte sich die digitale Revolution schon durchsetzen?

Burda: Als wir im Hochschulrat angefangen haben, sah man auf der Homepage der LMU das Studienverzeichnis und ein paar Telefonnummern. Die Kommunikation an den Universitäten hat sich zum Glück total verändert. Wenn ich in meiner Studienzeit ein hübsches Mädchen gesehen habe, dann habe ich am Ende des Semesters vielleicht einmal getraut, mit ihr ein Gespräch über irgendeine Arbeit anzufangen. Heute gehen Sie mal auf studiVZ, da steht dann: Wer war das Mädchen gestern in der Vorlesung von Professor so und so, zweite Reihe links, mit dem roten Pullover? Aber im Ernst: Amerikanische Studenten tauschen sich seit Jahren über Face Book aus, hier kennen es erst wenige. Eine Universität ist heute mit der ganzen Welt vernetzt, und mit der ganzen Welt steht sie auch im Wettbewerb. Für München war es unendlich wichtig, dass gleich beide Universitäten im Exzellenzwettbewerb gewonnen haben.

SZ: Aber so können auch zwei Geschwindigkeiten an den Universitäten entstehen - ganz vorn die Elite und abgeschlagen der große Rest.

Burda: Nein, wir kriegen das hin. Nur darf nicht jede Universität das Gleiche anbieten. Sonst besteht die Gefahr, dass wir überall nur durchschnittlich sind. Und auch wenn sich der Hochschulrat das sicher nicht auf seine Fahnen schreiben kann, die Exzellenzinitiative, war ein schöner Abschluss für dessen Amtszeit. Im neuen Hochschulrat wird es darum gehen, das Geld aus diesem Erfolg richtig zu verteilen und die besten Forscher an der Universität zu halten.

SZ: Wo muss das Geld aus dem Exzellenzwettbewerb investiert werden?

Burda: Auf keinen Fall nach dem Gießkannen-Prinzip. Dann versickert es. Es muss dort hin, wo aus zwei plus zwei nicht vier wird, sondern acht. Jede Universität braucht ihre Leuchttürme. Die erste Exzellenz-Initiative richtete sich ja vor allem auf die Naturwissenschaften, die Geisteswissenschaften stehen erst noch an. In der Medizin ist die LMU sicherlich weit vorne, hier lohnen die Investitionen, auch in der Mikroforschung. Wichtig ist eines: Unser Maßstab sind Oxford, Harvard, Cambridge - so wie Siemens im Wettbewerb mit General Electric steht. Wir dürfen niemals zufrieden sein, auch nicht an der LMU und der TU.

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