Interview:Fern der Praxis

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Kritik an der Meister-Ausbildung.

Dagmar Deckstein

(SZ vom 7.5.2003) Simone Heinrich, 30, hat im vergangenen Jahr ihren Meisterbrief als Elektrotechnikerin erworben. Sie will den 1900 gegründeten Familienbetrieb in Korb im Remstal in vierter Generation weiterführen.

SZ: Wie viel haben Sie investiert, um jetzt den Meistertitel tragen zu dürfen?

Heinrich: Rund 30.000 Euro für Schul- und Prüfungsgebühren, Lernmaterial und Verdienstausfall. Insgesamt habe ich jetzt fünf Jahre Ausbildung hinter mir.

SZ: Käme Ihnen da die geplante Neuregelung, also zehn Jahre Berufspraxis statt Meisterzwang, nicht entgegen?

Heinrich: Ja und nein. Natürlich ist so ein Meisterbrief noch kein Garant für hervorragende berufliche Qualifikation. Erfahrung, Persönlichkeit, Management und Reife gehören auch zum Unternehmersein. Und das lernen Sie nur in der Praxis. Aber in bestimmten Handwerksberufen halte ich die Meisterprüfung für das notwendige Fundament einer selbständigen Existenz. Etwa in der Baubranche, in der Elektro- und Sanitärbranche. Überall dort, wo Sie durch Pfuscharbeit Menschen gefährden können. Es laufen eine Menge schwarzer Schafe auch in solchen Gewerken herum. Andererseits muss ich sagen, dass ich noch vor keiner Prüfung solchen Bammel hatte wie vor der Meisterprüfung, den hätte ich mir gerne erspart.

SZ: Bammel wovor?

Heinrich: Ich sage mal so: Die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen im Elektrohandwerk sinkt beständig. Das kann nicht daran liegen, dass die Jahrgänge immer schwächer werden. Die Ausbildung hat mich nicht besonders überzeugt, weil Lehrpläne aus dem Jahre 1980 eine Art Bestandsschutz zur Vorbereitung der Meisterprüfung im Jahre 2002 genießen. Die Lehrer im Vorbereitungskurs für die Meisterprüfung haben teilweise einen sehr theoretischen Ansatz. Zum Beispiel mussten wir Motoren und ihre Funktionen büffeln, die es heute gar nicht mehr gibt. Oder im Fach Betriebswirtschaftslehre haben wir gelernt, dass man in bestimmten Fällen Angebote unter Selbstkostenpreis vorlegt, worüber jeder Chef eines Handwerksbetriebs nur die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Das Prüfungskomitee der Handwerkskammer legt aber Wert auf aktuelles, praxisnahes Wissen. Prüfungsvorbereitung und Prüfung passen hier einfach nicht zusammen, und das geht natürlich auf Kosten der Prüflinge.

SZ: Warum haben Sie diese Anstrengung dann trotzdem auf sich genommen?

Heinrich: Das hat mich mein Vater auch gefragt - und ich habe geantwortet: ganz einfach, weil ich jung bin und deswegen noch leichter lerne. Aber wie gesagt, am wichtigsten finde ich, dass die Vorbereitung und die Prüfung ganz nah an der heutigen Berufspraxis organisiert werden. Man kann doch nicht die Fahrschule auf einem VW Polo machen und dann die Führerscheinprüfung auf einem LKW mit Anhänger absolvieren. Aber bei unserer Prüfung war das so.

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