Süddeutsche Zeitung

Interview:"Das nennt man Werbung"

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Ein weiterbildendes Studium Health Care Management benötigt nicht jeder Arzt. Es bietet sich vor allem für Mediziner an, die eine Führungsposition innehaben oder anstreben.

Interview von Christine Demmer

Andreas Botzlar, 51, ist Chirurg und zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes, der Interessenvertretung angestellter und verbeamteter Ärztinnen und Ärzte. Er rät Medizinern angesichts einer Managerausbildung zu gesunder Skepsis.

SZ: Wenn man mit Anbietern für MBA-Programme für Ärzte spricht, gewinnt man den Eindruck, dass Betriebswirtschaft zwingend ins Medizinstudium gehört. Ist das so?

Andreas Botzlar: Natürlich wird es so dargestellt. Das nennt man Werbung, und man sieht ja, dass weiterbildende Studiengänge in Gesundheitsökonomie und Health Care Management nur so aus dem Boden sprießen. Sicher ist es nicht schlecht, wenn wir Ärzte auch ein paar ökonomische Grundkenntnisse haben. Wir sind aber aus guten Gründen Ärzte geworden und eben nicht Betriebswirte. Wenn ich das hätte werden wollen, hätte ich Wirtschaftswissenschaften studiert.

Was motiviert Mediziner, in der Freizeit den MBA zu absolvieren?

Viele haben eine ärztliche Leitungsposition oder streben sie an. Da möchte man sich für die Verantwortung rüsten. Andere haben spät entdeckt, dass sie sich in der Verwaltung wohler fühlen als in der Medizin. Und es gibt Mediziner, die sich von den Klinikleitungen nichts vormachen lassen möchten und daher ihr eigenes Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge verbessern wollen.

Gewinnt die Ökonomie schleichend das Primat über die Medizin?

Das darf sie nicht, die Gefahr ist aber real. Deshalb ist es gut, wenn wir Ärzte betriebswirtschaftliche Überlegungen besser verstehen. Wir müssen in der Lage sein, falsche Annahmen der Kaufleute fachkundig zurückzuweisen.

Kooperiert der Marburger Bund mit einem oder mehreren MBA-Anbietern?

Nein. Und das werden wir auch nicht. Wir haben eigene Seminare, in denen es auch um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Krankenhäuser geht, wie zum Beispiel die Finanzierung durch Fallpauschalen. Solche Angebote werden rege in Anspruch genommen.

Weist das Medizinstudium in Hinblick auf Führungsthemen ein Defizit auf?

Wer Medizin studiert, will heilen, nicht herrschen. Ich wüsste auch nicht, wo das in unserem dicht gedrängten Studium Platz finden könnte. Tatsache ist aber auch, dass Ärzte, die erst spät in eine Führungsposition kommen, das erst lernen müssen. Für sie ist eine Weiterbildung nicht schlecht. Es gibt Beispiele von Leuten, die am Führen gescheitert sind.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2019
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