Interview:Darf ein Fußballprofi einfach verschwinden?

(SZ vom 4.10.2003) Der Fußballer Jan Simak war sechs Tage lang unerreichbar. Wie ist das Verschwinden des viel gelobten Spielmachers des Bundesligisten Hannover 96 arbeitsrechtlich zu beurteilen? Rolf Winkel fragte den Brühler Anwalt Christian von Hopffgarten.

Jan Simak

Jan Simak

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Dürfen Fußballprofis sich mehr erlauben als normale Arbeitnehmer?

Hopffgarten: Fußballer sind weisungsgebundene Arbeitnehmer. Für sie gilt demnach das ganz normale Arbeitsrecht. Sie dürfen nicht unentschuldigt fehlen. Zwar gibt es Gründe, die das Fehlen entschuldigen, etwa Krankheit. Sie müssen dem Arbeitgeber aber spätestens nach drei Kalendertagen angezeigt werden.

SZ: Sonst droht der Rausschmiss?

Hopffgarten: Das ist nach Meinung der meisten Arbeitsrechtler erst nach vorheriger Abmahnung möglich. Der Arbeitgeber muss also dem Arbeitnehmer mitteilen, dass er bei weiterem Fehlen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Taucht er dann noch immer nicht auf, kann er fristlos entlassen werden.

SZ: Simak war nicht erreichbar. Kann er dann überhaupt abgemahnt werden?

Hopffgarten: Das spielt für die Abmahnung keine Rolle. Es reicht, wenn das Schreiben zugestellt wird. Ein Bote hätte die Abmahnung beispielsweise in Simaks Briefkasten werfen können.

SZ: Und wenn Jan Simak sich, gerade weil er krank war, nicht melden konnte?

Hopffgarten: Da wird viel über Depressionen, Liebeskummer und Erschöpfung von Simak spekuliert. Natürlich kann es sein, dass ein Arbeitnehmer so schlimme Depressionen hat, dass er sich nicht bei seinem Arbeitgeber melden kann. Das ist allerdings nur glaubhaft, wenn er tatsächlich völlig zurückgezogen lebt.

SZ: Kann der Verein Schadensersatz verlangen? Schließlich hat Hannover 96 sein letztes Spiel ohne Simak verloren.

Hopffgarten: Schadensersatz kommt nur dann in Frage, wenn ein Arbeitgeber den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Schaden und dem unentschuldigten Fehlen eines Arbeitnehmers nachweisen kann. Und das ist immer schwer. Vielleicht hätte Hannover 96 mit Simak noch höher verloren. Wenn der Arbeitgeber jedoch so eine Kausalität nachweisen kann, wird es für den Arbeitnehmer eng - und gegebenenfalls teuer. Beispiel: Ein Arbeitnehmer beherrscht als einziger in einer Firma das Punktschweißen, und genau diese Fähigkeit wird während seines unentschuldigten Fehlens dringend gebraucht. Dann kann er zur Kasse gebeten werden.

SZ: Wird Jan Simak ungestraft davon kommen?

Hopffgarten: Mehr als den Schadensersatz muss er eine Vertragsstrafe fürchten. Solche Strafen müssen in Arbeitsverträgen individuell ausgehandelt werden. Welche Summen in Simaks Kontrakt festgelegt sind, ist nicht bekannt. Das Bundesarbeitsgericht sah in einem Urteil vom 5. Februar 1986 (5 AZR 564/84), in dem es auch um einen Fußballprofi ging, der mehr als eine Woche unentschuldigt gefehlt hatte, eine Strafe von 100.000 Mark als angemessen an. Für normale Arbeitnehmer sehen die meisten Juristen eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts als Obergrenze an. Nach der Schuldrechtsreform von 2002 ist allerdings umstritten, ob Vereinbarungen über Vertragsstrafen überhaupt wirksam sind. Das Landesarbeitsgericht Hamm sprach sich am 24. Januar 2003 (10 Sa 1152/02) dagegen aus.

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