Arbeitsrecht:Sind private Mails im Job erlaubt?

Jeff Williams, Apple's senior vice president of Operations, speaks about the Apple Watch and Facebook Messenger during an Apple media event in San Francisco

Wer statt zu arbeiten zum Beispiel Facebook nutzt, muss mit Sanktionen rechnen.

(Foto: Beck Diefenbach/Reuters)

Chefs können private Chats lesen und gegen Arbeitnehmer verwenden. Was Angestellte im Büro dürfen - und was nicht.

Fragen und Antworten von Catrin Gesellensetter

Soziale Kompetenzen, hervorragende Kommunikationsfähigkeit, versierter Umgang mit moderner Informationstechnik: In vielen Jobs gehören diese Fähigkeiten bereits zum Standard-Anforderungsprofil. Kundengespräche über Skype oder andere Instant-Messaging-Dienste sind heute ebenso verbreitet wie die Kommunikation per E-Mail. Wenn ein Mitarbeiter ein paar tausend Kontakte aus seinem Online-Netzwerk mitbringt, freuen sich viele Unternehmen.

Anders ist es, wenn Arbeitnehmer digitale Kommunikation privat nutzen: Chefs haben in der Regel wenig Verständnis für fachfremde Aktivitäten während der Dienstzeit. Um Beschäftigten ein Fehlverhalten nachzuweisen, dürfen sie teils sogar die geschäftlichen E-Mail-Konten und Chat-Protokolle ihrer Mitarbeiter durchstöbern, entschied vergangene Woche der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Was Arbeitnehmer jetzt wissen sollten.

Warum hält das Gericht die Überwachung eines Chats für richtig?

Die Straßburger Richter mussten über die Kündigung eines rumänischen Ingenieurs entscheiden. Der Mann hatte seinen Yahoo-Messenger nicht nur, wie vorgesehen, für das Gespräch mit Kunden genutzt. Er hatte auch mit seiner Verlobten gechattet, und das, obwohl die private Nutzung des Internets im Unternehmen verboten war. Der Chef bemerkte den Regelverstoß bei einer Kontrolle der Chat-Protokolle und kündigte. Dagegen klagte der Ingenieur. Sein Argument: Das Unternehmen habe sein Recht auf vertrauliche Korrespondenz verletzt und die Inhalte des Chats schon deshalb gar nicht gegen ihn verwenden dürfen.

Das Gericht sah das anders. Dass ein Arbeitgeber die Erfüllung beruflicher Aufgaben durch seine Angestellten überprüfe, sei nicht zu beanstanden, zumal das Unternehmen die Protokolle im festen Glauben gelesen hatte, dort "ausschließlich berufliche Korrespondenz" zu finden. Deshalb sei es auch zulässig, die Aufzeichnung der privaten Kommunikation gegen den Ingenieur zu nutzen und die Kündigung darauf zu stützen.

Was bedeutet das Urteil für deutsche Arbeitnehmer?

Entscheidungen des EGMR wirken sich auf die Rechtsprechung aller Länder aus, die die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben - und damit grundsätzlich auch auf die deutsche. Trotzdem dürfte sich die Rechtsanwendung in der Bundesrepublik nach dem Richterspruch kaum verändern. "Der EGMR gibt im Wesentlichen nur wieder, was in Deutschland ohnehin schon gilt", sagt Daniel Pauly, Rechtsanwalt und IT-Rechts-Experte bei der Kanzlei Linklaters in Frankfurt. Heißt konkret: Wer, statt zu arbeiten, im Internet surft, chattet oder private Mails verschickt, muss mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bis hin zur Kündigung rechnen.

Was nicht ausdrücklich gestattet ist, ist erst einmal verboten

Dürfen Arbeitgeber ohne Weiteres die digitale Korrespondenz ihrer Mitarbeiter einsehen?

Nein. "Die Mail-Accounts ihrer Mitarbeiter nach Belieben zu hacken, ist Arbeitgebern auch in Zukunft verboten", sagt Silke Greve. Sie ist Datenschutzexpertin bei Afa-Rechtsanwälte, einer Kanzlei, die Interessen von Arbeitnehmern vertritt. Im Normalfall kann ein Unternehmen nur Einblick in E-Mails oder Chat-Protokolle verlangen, wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb verboten ist. "In diesem Fall dürfen Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Korrespondenz der Mitarbeiter sich ausschließlich auf dienstliche Belange bezieht - und die kann der Chef sich natürlich vorlegen lassen", sagt Anwalt Pauly.

Nach Meinung von Arbeitnehmervertreterin Greve lasse sich zwar darüber streiten, ob die Speicherung von Chat-Protokollen in solchen Fällen erforderlich ist und damit im Einklang mit dem Bundesdatenschutzgesetz steht. Doch auch sie bestätigt: "Sind die Daten erst einmal vorhanden, werden sie bei Gericht oft auch als Beweise zugelassen und gegen den betreffenden Arbeitnehmer verwendet - selbst wenn sie unrechtmäßig erlangt wurden."

Wie ist die Rechtslage, wenn der Chef die private Nutzung des Internets erlaubt hat?

In diesem Fall kann er die digitale Kommunikation kaum kontrollieren. Anders als im Ursprungsfall darf er nun ja gerade nicht davon ausgehen, auf den Servern nur dienstliche Korrespondenz zu finden. Um die Persönlichkeitsrechte seiner Mitarbeiter nicht zu verletzten, muss er sich daher zurückhalten. Dennoch sollten Beschäftigte im Dienst besser keine ausgedehnten Online-Shopping-Touren absolvieren oder sich die Bürozeit mit privaten Chats vertreiben. Das gilt selbst dann, wenn sie dazu das eigene Smartphone verwenden. "Juristisch betrachtet begehen Arbeitnehmer mit diesem Verhalten einen Arbeitszeitbetrug, der eine Abmahnung oder in schweren Fällen eine Kündigung rechtfertigen kann", sagt Juristin Greve.

Was gilt, wenn es weder ein ausdrückliches Internet-Verbot noch eine Erlaubnis gibt?

Was nicht ausdrücklich gestattet ist, ist erst einmal verboten. Geben die Arbeitsverträge oder IT-Richtlinien des Unternehmens zu diesem Thema keine Auskunft, müssen Arbeitnehmer ihre private Kommunikation von zu Hause aus erledigen.

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