Internationale Titelkunde:Herr Magister Wichtig

Küss die Hand, Frau Geschäftsführer, arrivederci Dottore: In welchen Ländern es angebracht ist, Geschäftspartnern mit Titeln zu schmeicheln.

Jutta Göricke

Es wäre toll, auf dem Bau zu arbeiten. Dort findet man klare Worte für den Kollegen: "Hey, Jupp, tu mir mal die Kelle!" Vielleicht ist so eine Ansage aber gar keine Frage des Dürfens, sondern auch des Müssens. Schließlich würde hier jeder, der sich gewählter ausdrückt, unangenehm auffallen. Auch ein restringierter Sprachcode will beherrscht sein.

Internationale Titelkunde: Küss die Hand: Ein Schüler erweist Kanzlerin Merkel die ganz besondere Ehre.

Küss die Hand: Ein Schüler erweist Kanzlerin Merkel die ganz besondere Ehre.

(Foto: Foto: ap)

Hochnotpeinliches Differenzierungsvermögen

Dennoch: Wer wen wie anredet, kann an Arbeitsstellen, wo Handarbeit keine Rolle spielt, allerhöchstes Feingefühl und hochnotpeinliches Differenzierungsvermögen erfordern. Die Frage etwa, wie man akademische Grade in Anschrift und Anrede korrekt verwendet, wird durch DIN-Normen, protokollarische Ratgeber und sogar Gerichtsentscheidungen beantwortet.

Zum Beispiel ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass ein Doktortitel Teil des Familiennamens ist. Wer einen akademischen Grad hat, darf ihn zwar seinem Namen hinzufügen, hat aber keinen Anspruch darauf, dass Dritte das auch tun. Allein, was heißt das schon? Wer Herrn Dr. Meyer mit Herrn Meyer anspricht, muss mit atmosphärischen Störungen rechnen, auch wenn diese nicht gleich offenbar werden. Schließlich hat Herr Meyer ganz schön viel dafür getan, seinem Allerweltsnamen ein Alleinstellungsmerkmal hinzuzufügen.

Mit dem "Dottore" kann man nichts falsch machen

Dass das ganze Getitel im gesellschaftlichen Umgang absurde Züge annehmen kann, sieht man in Österreich: wenn der Herr Kammersänger Huber dem Herrn Magister Haberl den Herrn Diplom-Ingenieur Ligeti vorstellt. Die Italiener halten es einfacher: Sie nennen vorsichtshalber und ausnahmslos jeden "Dottore". Da kann man nichts falsch machen.

Die korrekte mündliche Anrede bei Frauen lautet: Frau Professorin Mayer oder Frau Direktorin Mayer, aber Frau Doktor Mayer - doch nur, wenn die Damen selbst habilitiert oder promoviert sind. Denn akademische Grade des Gatten sind nicht übertragbar. Hat jemand mehrere Titel, hat der wichtigere den Vorrang. In der mündlichen Anrede heißt es also "Herr Professor Schmitz", selbst wenn der Professor zusätzlich promoviert ist. Schreibt man ihm einen Brief, steht im Adressfeld: "Herrn Prof. Dr. Schmitz" und in der Anrede: "Sehr geehrter Herr Professor Schmitz".

Auf der nächsten Seite: Wie man in Japan auf Understatement macht und in Russland schneller Freundschaft schließt.

Europäer im falschen Knick-Winkel

Ein Titel als Verpackung

Auch in Polen sind Titel sehr beliebt, und damit sind nicht nur akademische gemeint. Hier sagt man: "Guten Tag, Herr Geschäftsführer!" Wenn man den Titel nicht kennt, nimmt man am besten trotzdem "Herr Doktor" oder "Herr Ingenieur". Dasselbe gilt für Portugal, Spanien und Lateinamerika. In Russland geht es familiärer zu: Die typische Anredeform besteht aus Vornamen und Vatersnamen. Heißt der Gesprächspartner Sergej und sein Vater Iwan, lautet die Anrede: "Sergej Iwanowitsch".

In Japan macht man auf Understatement: Je weniger Titel hier auf einer Visitenkarte stehen, desto wichtiger ist ihr Besitzer. Wenn nur der Name aufgedruckt ist, sollte man den Gesprächspartner kennen. Respekt bekundet der Japaner in Verbeugungen, deren Codierung so nuanciert ist, dass ein Europäer lieber darauf verzichten sollte - er wird eh nicht im richtigen Winkel umknicken.

Der Titel ist die Verpackung, von der man auf den Inhalt schließt. Wer in arabischen Ländern Geschäfte macht, sollte darauf achten, immer den Kontakt zu Gleichrangigen zu suchen. Ein CEO sollte den CEO treffen, ein Assistent den Assistenten. Mit einem Höherstehenden verhandeln zu wollen, wird als schlimme Beleidigung aufgefasst. göri

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