Internationale Organisationen:Die Welt als Praktikum

Einmal mit Kofi Annan zu Mittag essen oder mit José Manuel Barroso im Aufzug stehen: Wie man bei den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union hineinschnuppern kann.

Von Fritz Niemann

Ob die Motivation nun darin liegt, sich mit Diplomaten und anderen Würdenträgern auf dem internationalem Parkett zu tummeln, oder darin, die Welt zu verbessern: Der Run auf Jobs in den internationalen Organisationen ist ungebrochen.

Auch angesichts der verzweifelten Lage auf dem hiesigen Arbeitsmarkt kommen immer mehr junge Deutsche auf die Idee, ihr Glück in der Ferne zu suchen. Bei der Bewerbung konkurrieren sie jedoch nicht nur miteinander, sondern auch noch mit Interessenten aus den rund 200 anderen Staaten dieser Erde.

Sie alle hoffen, dass ein Praktikum im internationalen Dienst ein guter Türöffner ist - auch wenn die Tätigkeiten, die während der üblicherweise arbeitsintensiven Praktikumszeit ausgeübt werden müssen, selten wirklich befriedigend sind.

Monatliches Stipendium

Erste Anlaufstelle für alle, die nicht älter als 28 Jahre sind, sollte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit seinem Carlo-Schmid-Programm sein.

Hier werden qualifizierte Bewerber zu Institutionen der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen vermittelt. Sie erhalten während ihres Praktikums sogar ein monatliches Stipendium, das zwischen 600 Euro für Studenten und 900 Euro für Graduierte liegt.

Das erklärt auch die Beliebtheit des Programms, denn in vielen Organisationen gibt es sonst gar nichts fürs Praktikum. Bis zu 500 Bewerbungen gehen dafür eim DAAD ein.

Mit den Bewerberzahlen steigen auch die Anforderungen. Nur wer von sich behaupten kann, dass er sein Studium schnell und mit überdurchschnittlichen Leistungen durchgezogen hat, mindestens zwei, besser noch drei oder vier Fremdsprachen perfekt beherrscht, teamfähig ist, eine überzeugende Persönlichkeit besitzt, sich sozial engagiert und am besten auch noch über Praxis- und Auslandserfahrung verfügt, hat eine reelle Chance.

Wie immer im internationalen Dienst besteht das Gros derjenigen, die am Ende erfolgreich vermittelt werden können, aus Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern. Aber Ruth Schulze betont, dass im Prinzip Studenten und Absolventen aller Fachrichtungen eine Chance haben. "Wir haben auch schon Metereologen genommen".

Sie rät Interessenten, "in ihrer Bewerbung klar zu machen, weshalb gerade sie die richtige Person für das Carlo-Schmid-Programm sind. Wir erwarten, dass sie uns ihren Unique Selling Point darlegen."

Wem das gelingt, der hat Chancen übers Praktikum hinaus: Immerhin 30 bis 40 Prozent derjenigen, die durch das Programm zu einer Organisationen vermittelt wurden, können ihre Arbeit dort im Anschluss an das Praktikum fortführen - sei es durch befristete Berater-Verträge oder als so genannte Beigeordnete Sachverständige. Über beide Einstiegsmöglichkeiten informiert auch das Büro für Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO) der Bundesagentur für Arbeit.

Hier sind auch Interessenten willkommen, die älter als 28 Jahre sind, die vom DAAD geforderten Kriterien nicht erfüllen oder vielleicht einfach nicht wissen, was ein Unique Selling Point ist. Denn es gibt unzählige Möglichkeiten, sich direkt bei der Organisation seiner Wahl (siehe Linklisten) für ein Praktikum zu bewerben.

Auch beim Auswärtigen Amt erhalten Interessenten Auskunft über die richtigen Ansprechpartner sowie Informationsmaterial. Im Internet und über eine Hotline-Nummer kann man sich Adressen und Ratschläge holen.

Tausende wollen nach Brüssel

Sehr beliebt und auch bezahlt sind die Praktika bei der Europäischen Kommission. "Für März 2004 haben sich mehr als 7.000 Kandidaten für ein Praktikum beworben, davon sind etwa 2.300 in die Vorauswahl gekommen. Weniger als 600 von diesen haben ein Vertragsangebot bekommen", so Doris Luecking von der deutschen Delegation in Brüssel.

Bewerber aus den zehn neuen EU-Ländern haben es momentan leichter als die Interessenten aus den alten EU-Staaten, einen der begehrten Plätze zu ergattern.

Doch es gibt ja nicht nur die Kommission. Auch viele andere EU-Institutionen beschäftigen Praktikanten (siehe Linkliste).

Konkurrenten aus aller Welt

Für Praktika bei den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen konkurrieren deutsche Interessenten mit Bewerbern aus allen 191 Mitgliedsstaaten.

Außer bei der Welthandelsorganisation (WTO) werden Praktikanten nicht bezahlt und die Möglichkeit, in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, ist gleich null. Wer ein Praktikum absolviert hat, darf sich im Anschluss sogar sechs Monate lang nicht für einen Job bei den Vereinten Nationen bewerben.

Dennoch reizt die Aussicht, vielleicht Kofi Annan im Aufzug zu treffen, so viele Menschen weltweit, dass es auch hier nicht leicht ist, einen der begehrten Plätze zu bekommen.

Einfacher ist es, sich bei einer der unzähligen Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu engagieren. NGO wie Amnesty International oder Human Rights Watch sind heute von der internationalen Bühne nicht mehr wegzudenken, ihr Stellenwert nimmt sogar zu. In Zukunft werden sich hier deshalb mehr Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Allerdings sollte niemand damit rechnen, eine angemessene Bezahlung fürs Praktikum zu erhalten.

Ob UN oder NGO, für alle Bewerbungen gilt: Wer über Vitamin B verfügt, hat es leichter, gerade in den großen Organisation.

Und wer es nicht hat, dem könnte es weiterhelfen, sich bei der Organisation, an die er seine Bewerbung geschickt hat, persönlich vorzustellen. Andernfalls besteht das Risiko, in der Masse unterzugehen.

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