Intelligenztests für Bewerber:Denken ist nicht alles

Tests für Bewerber können Intelligenz messen. Doch Soft Skills oder Kompetenzen wie Führungsstärke erfassen sie nicht. Für viele Personaler sind sie trotzdem wichtig.

Christian Schultz

Bei vielen Bewerbern lösen sie Bauchschmerzen aus, manche Unternehmen schwören darauf. Bei kaum einem Instrument der Personalauswahl gehen die Meinungen so weit auseinander wie bei Intelligenztests. Dennoch spielen sie eine wichtige Rolle bei der Suche nach der perfekten Führungskraft oder dem passenden Auszubildenden.

Intelligenztests für Bewerber: "Das Hirn" nennt die Künstlerin Angelika Ritscher-Engert eine Installation in einem Ludwigshafener Abrisshaus. Kreativität ist einer von vier Faktoren, die gängige Intelligenztests messen können.

"Das Hirn" nennt die Künstlerin Angelika Ritscher-Engert eine Installation in einem Ludwigshafener Abrisshaus. Kreativität ist einer von vier Faktoren, die gängige Intelligenztests messen können.

(Foto: Foto: ddp)

Grundsätzlich sollen Intelligenztests zeigen, was Bewerber maximal leisten können. Dabei geht es um die kognitiven Fähigkeiten, also die Fähigkeit zum Abstrahieren, zum Anwenden von Wissen und zur Problemlösung. "Man kann sich blöder stellen, aber man kann sich nicht intelligenter machen", sagt der Unternehmensberater Tobias Haupt aus München. Im Gegensatz zu Persönlichkeitstests und informellen Vorstellungsgesprächen könne der Getestete hier kaum etwas vorspielen. Es gebe nur logisch richtige und logisch falsche Antworten.

Christian Montel von der Eligo GmbH in Berlin, die psychologische Personalsoftware entwirft, sieht das ähnlich: "Die Auswertung der Tests ist eindeutig und objektiv, gibt aber nur Aufschluss über das, was im Test gemessen wird." Demgegenüber können Gespräche Einsichten zu Bereichen bieten, an die man vorher nicht gedacht hat. "Ob der Bewerber für den Versicherungsaußendienst ein ungepflegtes Äußeres hat oder verhaltensauffällig ist, erfahren Sie im Test nicht", sagt Montel.

98 Prozent Blödsinn

Richtig eingesetzt können Tests ein Auswahlverfahren fairer gestalten. Wenn die geistige Leistungsfähigkeit entscheidend für den Job ist, sei es gut, einen geeigneten Test einzusetzen, um sie zu messen, meint Montel. In Gesprächen könnten Schwächen leichter umschifft werden. "In keinem Ratgeber steht: Sagen Sie frei heraus, wenn Sie Probleme mit schwierigen Aufgaben und schlussfolgerndem Denken haben."

Nach Einschätzung von Tobias Haupt sind qualitative Intelligenztests in Kombination mit anderen Instrumenten sinnvoll - wenn sie denn gut sind. "Und das sind die wenigsten." 98 Prozent seien "absoluter Blödsinn". Das liege daran, dass die Entwicklung hochwertiger Intelligenztests sehr teuer sei.

Im Kern funktionieren Intelligenztests immer gleich. Abgefragt werden anhand von Text-, Rechen- und Bildaufgaben das Gedächtnis, die Verarbeitungskapazität, die Arbeitsgeschwindigkeit und die Kreativität, erklärt Haupt. Der Durchschnitt der Werte der vier Faktoren bilde den Gesamtwert.

Die Skepsis sitzt tief

Von Intelligenztests sollte sich niemand einschüchtern lassen, empfiehlt Christian Montel: "Man sollte versuchen, möglichst wenig Angst zu haben, vorher gut schlafen und es auf sich zukommen lassen." Schließlich passiere dabei nichts Schlimmes. Dass Intelligenztests nicht unfehlbar sind, wissen auch Arbeitgeber. "Mir sind wenige bis keine Unternehmen bekannt, die ausschließlich Intelligenztests machen, um Bewerber zu beurteilen", sagt Montel.

Trotzdem können Intelligenztests abschreckend wirken. Manchmal kann die Ankündigung eines Tests jobsuchende Kandidaten sogar verprellen. "Ich darf als Unternehmen die Akzeptanz der Bewerber nicht verspielen", warnt der Psychologe Haupt. Bei vielen seien psychologische Tests unbeliebt - nachvollziehbarerweise, wie er findet. Immerhin sei die zu testende Intelligenz ein von jedermann erwünschtes Merkmal. Vor allem ältere Bewerber hätten Berührungsängste gegenüber den Tests. "Bei ihnen sitzt die Skepsis tief. Die Jüngeren sind das gewohnt."

Kombinierter Test

Angewandt werden Intelligenztests allein in Deutschland mehrere Hunderttausend Mal pro Jahr, sagt Haupt. Das sei darauf zurückzuführen, dass sich Personalabteilungen immer öfter für Entscheidungen rechtfertigen müssten. "Es dient auch der Legitimierung der Auswahl."

Immer häufiger würden aus den Bewerbungsunterlagen zunächst diejenigen Kandidaten herausgefiltert, die infrage kommen, erklärt Montel. Diese bearbeiten online einen Test, der neben Intelligenz auch Motivation und Persönlichkeit erfasst. "Auf Basis dieser Ergebnisse führt man ein Interview - zur Vorauswahl auch am Telefon. Dann kombiniert man die Ergebnisse aus Test und Interview."

Altmodische Weisheit

Auch der Süßwarenhersteller Ferrero in Frankfurt setzt auf eine Kombination aus Intelligenztests und anderen Verfahren. "Eine gute Führungskraft macht weitaus mehr als pure Intelligenz aus", sagt Personalleiter Alexander Lauer. Von großer Bedeutung seien auch Persönlichkeit, Teamfähigkeit und andere Soft Skills. Daher werde zusätzlich auf ein mehrstufiges Interviewverfahren zurückgegriffen.

Coach Marcus Sassenrath aus Wiesbaden sieht das ähnlich: "Für Führungsaufgaben kommt es in erster Linie auf das an, was man ganz altmodisch als Weisheit bezeichnet, also die Kombination von Wissen und Erfahrung." Intelligenz könne in vielen Entscheidungssituationen sogar hinderlich sein. "Denn sie verleitet dazu, Entscheidungen nur mit dem Kopf zu treffen." Das sei oft eine langsame und ineffiziente Weise der Entscheidungsfindung.

"Kein Bedarf"

Im Gegensatz zu Ferrero verzichtet der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen auf Intelligenztests. "Wir sehen keinen Bedarf", sagt Unternehmenssprecherin Ulla Spengler. "Mit Einzelinterviews haben wir gute Erfahrungen gemacht, da das direkte Gespräch eine ideale Möglichkeit darstellt, auf den einzelnen Bewerber einzugehen."

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