Intelligente Bürogebäude:Smarter arbeiten

BOB.Aachen ist mit gemessenen 27 kW/m2a für Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung, Warmwasser und Aufzug das energieeffizienteste Bürogebäude Deutschlands

Ganz schön schlau: Dieses Gebäude in Aachen gilt als energieeffizientestes Büro Deutschlands.

(Foto: Jörg Hempel, Aachen, Germany)
  • Beim Bau moderner Büros können über technische Systeme Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, aber auch Komfort und Gesundheit der Angestellten beeinflusst werden.
  • Entsprechende Konzepte gibt es bereits, noch gibt es aber kaum preisgünstige Standardlösungen.

Von Jan Stephan

Früher waren Bürogebäude dazu da, dass es niemandem auf den Schreibtisch regnete. Heute denkt man beim Bau moderner Arbeitsorte über Betonkernaktivierung, CO₂-Messungen, Schallduschen, Lichtfarben und Bewegungssensoren nach. Die Branche ist komplizierter geworden. Wo sich früher Ingenieure um Bauphysik und Tragwerksplanung kümmerten, braucht es heute auch spezialisierte Kollegen in den Bereichen Regelungs- und Automatisierungstechnik.

Wissenschaftler entwerfen allerlei schicke Szenarien von der Arbeitswelt der Zukunft. Meist drehen sie sich um die IT-Technik, die in den Büros Einzug halten soll: Hologramme, Bildschirmfolien, omnipräsenter Datenfluss etwa. Doch viel greifbarer als die direkte Anwendung sind die Herausforderungen der Versorgungstechnik. Es geht um Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, Komfort und Gesundheit.

Heizung auf, wenn es kalt ist, Fenster auf, wenn es warm ist

"Der Megatrend der Digitalisierung betrifft im modernen Bürogebäude auch die Regelung und Integration der einzelnen technischen Systeme", erklärt Volker Zappe. Der Diplom-Ingenieur arbeitet beim Aachener Unternehmen "BOB efficiency design AG". Die Firma vertreibt ein System für moderne Bürogebäude, das sich Zappe zufolge in die meisten Neubauten einplanen lasse.

Der Prototyp in Aachen soll bis heute das Bürogebäude mit der größten Energieeffizienz Deutschlands sein. Gut möglich, denn im deutschen Büromainstream hat die Steuerungstechnik immer noch ein recht grobschlächtiges Design und wird in den Feinheiten der Regelung jedem einzelnen Büroangestellten überlassen. Heizung auf, wenn es kalt ist, Fenster auf, wenn es dann zu warm geworden ist. Das funktioniert - wenn einem egal ist, wie viel Energie man verschwendet.

Kilometerlange Adern in der Betonhaut regeln die Raumtemperatur

"Hocheffiziente Gebäude sind eine große technische Herausforderung", stellt Thomas Terhorst fest. "Zum einen geht es darum, dass man eine ordentliche Gebäudehülle hat, zum anderen um die Anlagentechnik", sagt der Geschäftsführer der Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) weiter. Bei vielen Bauprojekten würde eine der beiden Seiten betont, die Wahrheit liege aber in der Kombination. Und das, sagt Terhorst, sei ein großes Thema für die Ingenieursleistung.

Ein hocheffizientes Gebäude muss erkennen, ob überhaupt jemand im Haus beziehungsweise in einem bestimmten Büro ist. Leere Büros müssen nicht geheizt oder gekühlt werden - zumindest nicht so, wie voll besetzte - und wenn keiner am Schreibtisch sitzt, dann stört es auch niemanden, wenn das Beschattungssystem die Rollläden herunterlässt, wenn die Sommersonne durch die Scheiben brennt. Damit spart man sich die Energie, den aufgeheizten Raum zu kühlen. Der moderne Bürotrakt passt auch das künstliche Licht der jeweiligen Einstrahlung von außen an.

Das Gebäude wird zu einer Art technischem Organismus, in dessen Betonhaut kilometerlange Adern laufen, die mit wenig Temperaturunterschied die "Körpertemperatur" regeln. Das Gebäude wird zu einem künstlichen Wesen, das sich mittels Sensoren selbst überwacht, dank technischer Systeme selbst reguliert und durch komplexe Algorithmen das auch genau so tut, wie es sich der Bauherr wünscht. Man ahnt, wie kompliziert das Zusammenspiel der Systeme sein mag, wie schwierig, die Balance zwischen Effizienz und Komfort zu halten ist.

Die maßgeschneiderte Klangdusche berieselt den Nutzer mit seinem Wohlfühl-Soundtrack

"Das ist weniger eine Sache der IT, als mehr eine des Ingenieurwesens", sagt VDI-Mann Terhorst. Es geht um komplexe Fragen der Gebäudeautomation und der Regelungstechnik. "Da müssen Menschen arbeiten, die die technische Funktionsweise der Systeme sehr gut verstanden haben und die in der Lage sind, interdisziplinär zu arbeiten."

Bei der Konzeption des optimalen Bürogebäudes spielt auch der Komfort eine große Rolle. In der Arbeitswelt der Zukunft sind die Fachkräfte rar und die Belegschaft wird älter. "Allein mit einem Dach über dem Kopf werden Sie keinen begeistern", erklärt Volker Zappe vom BOB.

Das intelligente Bürogebäude der Zukunft soll nicht nur erkennen, dass sich eine Person in ihm bewegt, sondern auch welche Person sich da bewegt. Setzt man sich an einen der Arbeitsplätze, werden die benötigten Daten und Programme direkt zur Verfügung gestellt, die Nachrichten übermittelt, und das System weiß, welche Lichthelligkeit und Lichtfarbe man bevorzugt. "Es weiß künftig vielleicht sogar, dass der Mitarbeiter aus Bayern kommt und spielt leises Vogelgezwitscher in die Schalldusche über dem Schreibtisch", sagt der Berliner Zappe. Der Sauerstoffgehalt des Raums wird derweil über CO₂-Sensoren kontrolliert und mittels Lüftung reguliert.

"Im Moment wird jedes Standardbürogebäude unnötig aufs Neue erfunden"

Die BOB-Systeme wollen den Passiv-Haus-Standard in Serie umsetzen, möglich wäre aber schon mehr. "Plushäuser sind baubar", stellt VDI-Experte Terhorst fest und räumt ein, "dass die Praxis überschaubar ist." In erster Linie, weil die Energieeinsparungen noch nicht die dafür erforderlichen deutlich höheren Investitionskosten decken. Ein Problem, das das BOB-Projekt mittelfristig lösen will, indem es Innovationen im Baubereich in Serie zur Verfügung stellt.

"Im Moment wird jedes Standardbürogebäude unnötig aufs Neue erfunden", kritisiert Zappe. "Das ist, als würden wir unser Auto nicht im Autohaus kaufen, sondern vom Designer gestalten lassen und anschließend einen kleinen Handwerker beauftragen, dass er uns das baut", sagt Volker Zappe. Eine Verschwendung von Ressourcen sei das - als würde man die Heizung voll aufdrehen und das Fenster kippen. Das gewünschte Ergebnis stelle sich schon irgendwann ein, allerdings zu einem unnötig hohen Preis.

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