Süddeutsche Zeitung

Innere Kündigung:Das sind die schlimmsten Motivationskiller

Schlechte Führung, wenig Karrierechancen, hoher Leistungsdruck: Jeder zweite Arbeitnehmer würde gerne den Arbeitsplatz wechseln. Es dauert eine Weile, bis die "innere Kündigung" vollzogen ist - aber dann muss etwas passieren.

Sibylle Haas und Verena Wolff

Das Ergebnis ist alles andere als erfreulich: Jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland hat innerlich gekündigt, fand kürzlich das Beratungsunternehmen Gallup heraus. Eine Umfrage des Personalberaters Manpower bestätigt den Trend: Fast jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland spielt mit dem Gedanken, den Job zu wechseln.

Wenn die Karriere ins Stocken gerät oder wenn man beruflich nicht weiterkommt, dann ist das für viele ein Grund zu kündigen. Echte Karriereförderung gibt es laut Manpower-Befragung nur für jeden zehnten Arbeitnehmer. "Unternehmen, die Mitarbeitern keine Perspektiven aufzeigen, gehen ein großes Risiko ein", warnt Vera Calasan, Vorsitzende der Manpower-Geschäftsführung in Deutschland. "Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es grob fahrlässig, diesen Aspekt der Mitarbeiterbindung zu vernachlässigen", sagt sie.

Keine Perspektiven zu haben, ist ein Motivationskiller. Schlechte Führung ebenso. "Viele Führungskräfte ignorieren die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Mitarbeiter", sagt Marco Nink. Er ist Verhaltensökonom und arbeitet bei Gallup. Die Firma ermittelt seit 2001 den sogenannten Engagement-Index, der den Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen ermittelt. Dieser gibt Aufschluss darüber, ob die Beschäftigten engagiert und motiviert arbeiten, oder ob sie mit Unlust bei der Arbeit sind.

Die emotionale Bindung der Beschäftigten an ihren Arbeitgeber ist laut Gallup seit Jahren niedrig. "Die Folgen für die Leistungsfähigkeit der Unternehmen und für die Volkswirtschaft sind erheblich", warnt Nink. Der Berater fordert, Führungskräfte stärker als bisher in die Verantwortung zu nehmen. "Sie sind für den Unternehmenserfolg verantwortlich. Und ihre Führungsleistung trägt entscheidend dazu bei", sagt er.

Mitarbeiter, die keine emotionale Bindung ans Unternehmen haben und sich nicht mit der Firma identifizieren, zeigen kaum Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft. Sie verbuchten voriges Jahr 3,5 Krankheitstage mehr als motivierte Arbeitnehmer. Allein diese Fehltage kosten die deutsche Wirtschaft 10,5 Milliarden Euro jährlich, rechnet Nink vor. Der volkswirtschaftliche Schaden durch demotivierte Mitarbeiter betrage 122 bis 124 Milliarden Euro im Jahr. Oft seien es einfache Dinge, die eine Riesenfrustration bei den Beschäftigten auslösen, meint Nink.

"Mitarbeiter brauchen Feedback und das Gefühl, dass man sie wahrnimmt. Nichts ist schlimmer als Desinteresse. Dann gehen die Mitarbeiter in die innere Emigration." Allerdings reiche die "Schulterklopf-Taktik" nicht aus, um Menschen anzuspornen. "Beschäftigte wollen konstruktives Feedback haben, keine Lobhudelei oder unbegründete Kritik", sagt Nink. Das Führungsverhalten und damit die Erfüllung von Erwartungen und Bedürfnissen am Arbeitsplatz haben laut Nink einen enormen Einfluss. "In jedem Unternehmen lassen sich durch geeignete Maßnahmen Verbesserungen erzielen", betont Nink. Er fordert, dem Führungsverhalten mehr Bedeutung beizumessen.

Karriere- und Personalberater sehen in der Schnelllebigkeit des heutigen Arbeitsmarktes einen weiteren Grund für die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. "Es ist sehr viel los, in den Unternehmen gibt es dauernd große Veränderungen", sagt Lothar Hoss, Coach und Vorsitzender des Bundesverbandes Selbständiger Personalleiter. Der Raum und die Stabilität, in der man sich wohlfühlt, seien nicht mehr gegeben, sagt er. Damit gehe häufig einher, dass der "psychologische Vertrag" aufgekündigt werde. "Man hat sich bei der Einstellung auf eine Situation eingelassen. Und wenn es die so nicht mehr gibt, wird es schwierig."

Jeder Mitarbeiter übe seinen Beruf grundsätzlich gern aus, sagt Hoss. "Denn wir haben uns ja aus freien Stücken dazu entschieden, in eine Branche und in ein Unternehmen einzusteigen." Doch wenn der Gestaltungsspielraum wegfalle, komme die Unzufriedenheit. Nicht nur die Geschwindigkeit der Veränderung und der Druck haben zugenommen, auch die Anforderungen ändern sich dauernd. "Wer damit umgehen kann, findet das in Ordnung", sagt Hoss. Aber das können nicht alle Arbeitnehmer.

Wir wollen in erster Linie Stabilität in und mit unserem Job", erklärt Hoss. Stattdessen bekommen immer mehr Angestellte psychosomatische Probleme wie Bore-out oder Burn-out, sind also total gelangweilt oder übermäßig gestresst. "Die Unzufriedenheit drückt sich im täglichen Verhalten aus: Wenn ich morgens schon nicht mehr gern aufstehe und zur Arbeit gehe, stimmt etwas nicht."

Zeit für Veränderung ist auch dann geboten, wenn Familie und Freunde Typveränderungen bemerken. "Man trägt die Anspannung und Unzufriedenheit ja auch nach Hause", so Hoss. Reflektion ist dann der richtige Weg, die Beschäftigung mit der Arbeitssituation. "Zunächst sollte man versuchen, im Unternehmen etwas zu ändern. Erst wenn alle Anstrengungen ohne Erfolg bleiben, sollte man sich nach einem neuen Job umsehen." Von einem rät Hoss vehement ab: "Nicht sofort alles hinschmeißen und in eine neue Aufgabe springen. Das kann nach hinten losgehen."

Besser sei, den Markt zu beobachten und das Umfeld unter die Lupe zu nehmen - und erst bei einem anderen Arbeitgeber anzuheuern, wenn man die Veränderung wirklich will. Bei diesem Prozess sollte man auch die Fähigkeiten einsetzen, die im Job so wichtig sind: "Wir managen heute mit großer Professionalität Firmen. Aber in unserem persönlichen Leben schaffen wir es nicht, die gleichen Kriterien walten zu lassen."

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Quelle:
SZ vom 26.04.2012
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