Ingenieure in der Recycling-Branche:Karriere mit Abfall

Es gibt viel zu tun für Ingenieure mit Spezialkenntnissen: Denn obwohl viele Rohstoffe ein knappes Gut sind in der globalisierten Welt wächst die Nachfrage beständig. Damit eröffnen sich zahlreiche Berufsfelder. Gesucht sind clevere Ideen, Wertstoffe zu recyceln und zu sparen.

Matschiger Salat und braune Bananen könnten bald eine Zukunft haben. Denn statt auf dem Müll oder Kompost zu enden, soll aus ihnen Kraftstoff für Autos werden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben eine neue Anlage entwickelt, um Obst- und Gemüseabfälle von Großmärkten und Kantinen mithilfe von Mikroorganismen in wenigen Tagen zu vergären. Dabei entsteht Methan, auch Biogas genannt, das als Treibstoff für Autos dienen kann. "Die Abfälle enthalten viel Wasser und wenig verholzte Teile, sie sind daher ideal für das Vergären", erklärt Ursula Schließmann, Ingenieurin und Abteilungsleiterin am IGB. Eine Pilotanlage soll noch in diesem Jahr neben dem Stuttgarter Großmarkt in Betrieb gehen.

Packaged recycling waste bins wait to be put out in the London 2012 Olympic Park at Stratford in London

Müll ist nicht gleich Müll - in der Recycling-Branche gibt es eine ganze Reihe von Karrierechancen.

(Foto: Reuters)

Das neue Verfahren ersetzt Erdgas und schont so die begrenzten Reserven dieses fossilen Brennstoffs. Das wird in Zeiten knapper Ressourcen zunehmend wichtig - nicht nur bei Erdgas oder Erdöl. Auch andere Rohstoffe, wie Edelmetalle und Seltene Erden, die in Handys oder Leuchtstofflampen zum Einsatz kommen, sind jetzt schon rar. Dabei wächst der Bedarf an ihnen vermutlich noch. Denn bis zu drei Milliarden Menschen steigen in den kommenden 20 Jahren weltweit zur Mittelschicht auf und werden eine enorme Nachfrage nach Energie, Wasser, Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen auslösen, schätzen zum Beispiel die Unternehmensberater von McKinsey & Company. Deshalb plädieren sie für einen nachhaltigeren Umgang mit den Rohstoffreserven.

Die wachsende Nachfrage, sagen die McKinsey-Berater, lässt sich nur durch eine verbesserte Produktivität decken. Es braucht dafür neue Ideen und Techniken, die die Ressourcen schonen, indem sie aus alt neu machen. Weil Deutschland nur wenige Rohstoffe besitzt und daher von Importen abhängt, ist es besonders auf den nachhaltigen Einsatz von Naturprodukten und auf kluge Wertstoffkreisläufe angewiesen. Eine große Aufgabe für die Ingenieure von morgen. Deshalb sind Müllvermeidung, Recycling und neuartige Lebenszyklen von Produkten Thema in vielen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen - auch außerhalb von darauf spezialisierten Fächern wie Umwelttechnik oder Abfallwirtschaft.

Die Hochschulen richten ihr Lehrangebot nach dem Bedarf. "Wir brauchen in Zukunft eine ganze Menge Recyclingexperten", sagt Daniel Goldmann, Professor an der TU Clausthal. Das dortige Masterstudium Umweltverfahrenstechnik und Recycling sei neu ausgerichtet, um die Ausbildung auf die aktuellen Bedürfnisse zuzuschneiden. Studenten lernen hier, Abfälle aufzubereiten und neue Werkstoffe daraus herzustellen. Hinzu kommt logistisches und juristisches, wirtschaftliches und ökologisches Know-how. Firmenpraktika und Projektarbeiten sollen trainieren, Probleme aus verschiedenen Ecken zu betrachten - so wie es später im Beruf nötig sei. "Viele unserer Absolventen arbeiten übergangslos bei Unternehmen weiter, mit denen sie im Studium bei Forschungsprojekten zu tun hatten", berichtet Goldmann.

Hochschulen bilden nach Bedarf aus

Wie viel Potenzial im Wiederverwerten steckt, zeigt die Stahlproduktion. Der Verbrauch von Metallschrott stieg nach Berechnungen von McKinsey in den vergangenen 20 Jahren um 80 Prozent - angefeuert durch höhere Steuern auf fossile Brennstoffe, strengere CO2-Bestimmungen und Gesetze zur Abfallentsorgung. Heute bestünden in Deutschland Stahlerzeugnisse im Schnitt zu 44 Prozent aus recyceltem Material, heißt es beim Informationszentrum der Stahlindustrie. Weit vorn beim Verwerten liegt Weißblech. Seine Recycling-Quote erreichte 2010 knapp 94 Prozent und in privaten Haushalten sogar fast 97 Prozent - dank der Verbraucher, die ihre Weißblechdosen sammelten. Dabei schreibt das Gesetz bei Weißblech nur eine Recycling-Rate von 70 Prozent vor.

Der verstärkte Einsatz von Stahlschrott hat laut dem Informationszentrum erheblich zum Schutz des Klimas beigetragen, indem er den Ausstoß des Treibhausgases CO2 bei der Stahlerzeugung in Deutschland um 42 Prozent verringerte. "Eine Tonne Stahl, die aus Schrott erzeugt wird, vermeidet rund eine Tonne CO2", rechnet das Zentrum vor. Außerdem spare sie wertvolle Ressourcen: 1,5 Tonnen Eisenerz, 0,65 Tonnen Kohle und 0,3 Tonnen Kalkstein pro Tonne Recycling-Stahl. Dass Stahlöfen heutzutage weniger Energie verbrauchen als vor 20 Jahren, kommt hinzu.

Andere Branchen hingegen können bei der Verwertungsquote weiter zulegen. Beispiel Plastik: Laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung landen derzeit noch immer mehr als 30 Prozent der verwertbaren Kunststoffe in der grauen Restmülltonne und werden nicht recycelt. Das Erdöl und die Energie für die Herstellung von Plastik gehen dadurch verloren. Beispiel Elektrogeräte: Damit die Verwertung von Altgeräten zunimmt, hat die EU gerade eine graduelle Erhöhung der Recycling-Quote auf 85 Prozent beschlossen.

Eine Notwendigkeit, urteilt der Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Europa könne sich "den Abfluss der in den Altgeräten enthaltenen Metalle und Seltenen Erden nicht länger leisten", sagt BDE-Präsident Peter Kurth. "Diese Materialien müssen recycelt und der Industrie als hochwertige Sekundärrohstoffe wieder zur Verfügung gestellt werden." Ein positiver Nebeneffekt: Die erhöhte Recycling-Quote wird den Export von Elektroschrott aus Europa drosseln.

Es gibt viel zu tun

Denn allein aus Deutschland landen jedes Jahr mehr als 155.000 Tonnen alte Fernseher, Computer und andere Elektrogeräte im außereuropäischen Ausland, meist in Asien oder Afrika, und werden dort nur selten umweltgerecht recycelt, hat das Umweltbundesamt festgestellt. "Bei der unsachgemäßen Demontage dieser Geräte drohen den damit beschäftigen Menschen, die meist ohne technische Hilfsmittel und Schutz agieren müssen, massive gesundheitliche Schäden", sagt Kurth.

Doch fachgerechtes Verwerten schont nicht nur Menschen, Natur und Ressourcen, es kann sogar einfacher als der Abbau von Rohstoffen und dadurch preiswerter sein. Beispielsweise bedarf es viel Aufwand und Energie, um Platin aus Minen zu holen. Eine Tonne Gestein enthält nämlich nur zwei bis sechs Gramm des Edelmetalls. Recycling verbrauche bis zu hundertmal weniger Energie bei der gleichen Menge Platin, erklärt Jan Schapp vom Unternehmen Heraeus, das auf das Rückgewinnen von verbrauchten Edelmetallen spezialisiert ist.

Das Verwerten ist also sogar wirtschaftlicher als der Bergabbau von Platin. Dies ist bei anderen Recycling-Prozessen bisher oft nicht so. "Die geringen Mengen Seltener Erden aus Handys wirtschaftlich zurückzugewinnen, ist eine ingenieurstechnische Leistung, die noch erbracht werden muss", sagt Hintzmann vom BDE. Es gibt also viel zu tun für Ingenieure.

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