Ich-AG:Callboy vom Amt

Von der Arbeitslosigkeit ins Sexgewerbe: Warum die Arbeitsagenturen auch den Einstieg in die Prostitution unterstützen müssen.

In Ostdeutschland wollten vor einiger Zeit zwei Prostituierte als Ich-AGs firmieren und erhielten von der zuständigen Arbeitsagentur einen staatlichen Gründungszuschuss. In einem Fall stellte eine Frau den Antrag, allerdings gab sie eine andere Tätigkeit an. Im zweiten Fall wollte sich ein Mann als Callboy selbstständig machen. Die SZ fragte dazu Ottmar Schader, Sprecher der Agentur für Arbeit München.

SZ: Mancher wundert sich: Warum bekommen Prostituierte Geld vom Staat, um eine Ich-AG zu gründen?

Schader: 2002 ist das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution in Kraft getreten. Damit ist das Gewerbe legalisiert worden. Das heißt, es ist jetzt auch eine abhängige Beschäftigung mit Sozialversicherungspflicht möglich. Das Sozialgesetzbuch III, das für unsere Arbeit gilt, gibt uns in einem solchen Fall keine Möglichkeit, die Leistung zu verwehren, wenn unsere Bestimmungen erfüllt sind.

SZ: Unter welchen Voraussetzungen gibt es Geld für eine Ich-AG?

Schader: Zum einen muss ein Anspruch auf Arbeitslosengeld vorliegen, das heißt, man hat schon einmal sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Zum anderen, dass man mit der Selbstständigkeit den Tragfähigkeitsnachweis von einer fachkundigen Stelle erbringt. Diese Stelle kann eine öffentliche Institution sein oder ein Unternehmensberater.

SZ: Muss eine Prostituierte besondere Voraussetzungen erbringen?

Schader: Nein, aber in letzter Konsequenz gibt es keine Möglichkeit, den Antrag abzulehnen - da gibt es kein Ermessen. Der Katalog der Dienstleistungen für eine Ich-AG ist nicht beschrieben. Das Spektrum ist bewusst offen gelassen. Die Leistungen zur Existenzgründung sind eine Pflichtleistung. Wir müssen einen solchen Antrag bewilligen.

SZ: Aber welche Stelle bescheinigt einem Callboy die Tragfähigkeit seines Konzepts?

Schader: Zum Beispiel ein freier Unternehmensberater. Es geht ja nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das ist nicht näher geregelt.

SZ: Gab's das auch mal in München?

Schader: Nein, wir hatten hier noch keinen solchen Fall. Die zwei bekannten Fälle in Ostdeutschland sind absolute Ausnahmen.

SZ: Trotzdem fühlte sich der Vorstand der Bundesagentur bemüßigt, sich zu dem Thema zu äußern?

Schader: Er bekam die Anfrage vom CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Fuchtel, nachdem ein Sender über diese beiden Fälle berichtet hatte. Frank-Jürgen Weise schickte ihm die Antwort schon vor einigen Wochen. Und jetzt, kurz vor der Wahl, hat der Abgeordnete diese Antwort an das Magazin Focus weitergeleitet. Das ist natürlich nicht ohne Absicht passiert.

SZ: Haben Sie in München andere außergewöhnliche Ich-AGs?

Schader: Eines der originellsten Beispiele ist ein cubanischer Zigarrendreher. Aber 99,9 Prozent sind eben das Übliche: Immobilienverwalter, Schreibservice, Handwerker.

Interview: Doris Näger

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