Für Kunst und Wissenschaft ist Geld stets knapp, die Suche nach Mäzenen hat Tradition. "Die Kunst geht nach Brot", klagt der Maler in Lessings Drama "Emilia Galotti"; er dient sich dem Hofe an. Auch heute noch stellen sich Künstler und Professoren in den Dienst der Mächtigen. Die Universitäten, vom Staat kurz gehalten, suchen Hilfe bei finanzkräftigen Konzernen. So entstehen immer mehr firmenfinanzierte "Stiftungsprofessuren". Bundesweit sind es mittlerweile zwischen 600 und 1000.
Ein Vertrag zwischen der Deutschen Bank, der Humboldt-Universität und der TU Berlin zeigt, wie sehr sich einige ihren Finanziers unterwerfen. Der Politik-Professor Peter Grottian, der den Vertrag ans Licht gezerrt hat, spricht von einer "Selbstaufgabe zweier Universitäten". Auf Kosten der Bank richteten die Unis 2007 je eine Stiftungsprofessur in Finanzmathematik ein und gründeten dazu ein passendes Institut, das "Quantitative Products Laboratory".
Laut Vertrag spendiert die Bank drei Millionen Euro pro Jahr. Sie verlangt dafür aber auch viel: Ein Ausschuss steuert die Arbeit inhaltlich. Er ist paritätisch mit Professoren und Vertretern der Bank besetzt - den Vorsitz hat ein von der Bank entsandter "Managing Director". Seine Stimme gibt den Ausschlag, wenn es zum Patt kommt. Im Vertrag ist außerdem geregelt, dass Forschungsergebnisse vor einer Veröffentlichung der Bank vorgelegt werden müssen. Die Unis sind angehalten, "im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten" qualifizierten Mitarbeitern der Deutschen Bank Lehraufträge zu ermöglichen und sie auch mit Prüfungen von Studenten zu betrauen.
Peter Grottian sieht in dem Vertrag eine "Instrumentalisierung der Hochschulen". Etliche Professoren-Kollegen halten Grottian für einen notorischen Nörgler und linken Provokateur. Aber auch gemäßigtere Geister wie der Bamberger Soziologe Richard Münch beklagen eine fortschreitende Ökonomisierung der Wissenschaft. Münch spricht von einem "akademischen Kapitalismus".
Sogar beim unternehmerfreundlichen Stifterverband hält man die Mitspracherechte, die sich die Bank sicherte, für ungewöhnlich weitreichend. Normalerweise sei die Freiheit von Forschung und Lehre durch Stifter aber nicht in Gefahr. Bei der Berliner Kooperation handle es sich eher um klassische Auftragsforschung. Diese sei allerdings auch nicht prinzipiell verwerflich, schließlich sei die Industrie auf Forschung angewiesen. Die Deutsche Bank weist denn auch jede Kritik zurück. Ein Sprecher sagt, die Wissenschaftler hätten Daten nutzen dürfen, die Geschäftsgeheimnisse beträfen. Nur deshalb habe es "Zustimmungsvorbehalte" bei Publikationen gegeben.
Die TU Berlin teilt mit, die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre sei "uneingeschränkt gewährleistet". Und es sei allgemein üblich, bei Projektaufträgen "Zustimmungspflichten" zu vereinbaren. Der Präsident der Humboldt-Uni, Jan-Hendrik Olbertz, der bei Vertragsschluss noch nicht im Amt war, sagt zwar ebenfalls, die Kooperation sei "ohne Beeinträchtigungen" gelaufen. Aber: "Ich kann die kritischen Fragen gut nachvollziehen." In künftigen Verträgen müsse der Anspruch auf die Unabhängigkeit der Wissenschaft "deutlicher und unmissverständlich artikuliert werden".
Die Deutsche Bank hatte ursprünglich eine Finanzierung von zweimal vier Jahren geplant. Doch nun läuft der Vertrag schon nach den ersten vier Jahren im Juni aus. Offenbar haben die Partner genug voneinander.