Homeoffice in Deutschland:Wenn Präsenz wichtiger ist als Performance

Lesezeit: 3 Min.

Deutsche Firmen setzen zu selten auf das Homeoffice, obwohl die technischen Möglichkeiten längst vorhanden sind. Muss deswegen ein Gesetz her?

Kommentar von Guido Bohsem

Es gibt eine Reihe von Gründen, die gegen das Homeoffice sprechen können. So gibt es Jobs, bei denen man einfach im Betrieb sein muss. Wer bei BMW oder Daimler Autos zusammenschraubt, kann das nicht zu Hause erledigen. Wer Verkäufer im Supermarkt ist, kann sich nicht in der heimischen Küche an die Kasse setzen. Gegen das Homeoffice können auch technische Gründe sprechen - etwa, dass der Mitarbeiter zu Hause keinen ordentlichen Internetanschluss hat oder die notwendigen Gerätschaften einfach nicht von der Firma mit in die Wohnung genommen werden können.

Für einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer in Deutschland wird es auch in Zukunft keine Aussicht auf Homeoffice geben. Sie müssen an jedem Werktag an ihrem Arbeitsplatz auftauchen. Für den größeren Rest der Arbeitnehmer hingegen gilt das nicht. Wer zum Beispiel ohnehin meist am Computer arbeitet, kann das in der Regel auch anderswo erledigen. Die immer besseren technischen Möglichkeiten, die fortschreitende Vernetzung, die Digitalisierung sorgen dafür, dass beinahe jeder jederzeit erreichbar ist. Die deutsche Wirtschaft muss sich daranmachen, dieses Potenzial zu heben.

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In den Niederlanden ist das Recht auf Homeoffice jetzt im Gesetz verankert. In Unternehmen hierzulande herrscht dagegen immer noch eine Präsenzkultur - und Heimarbeit wird sogar systematisch bestraft.

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Fast alle Untersuchungen zeigen, dass Arbeitnehmer, die auch im Homeoffice arbeiten können, zufriedener sind und sich stärker mit ihrem Unternehmen identifizieren. Außerdem sind die Leute, die ihre Arbeit zu Hause erledigen, in der Regel ausdauernder als die Büro-Kollegen - und hängen im Zweifel auch schon mal eine Überstunde dran.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren

Dem Homeoffice-Arbeiter drohen auch keine besonderen gesundheitlichen Gefahren. In der Regel ist er genauso fit oder malade wie seine Kollegen im Betrieb - auch ohne große Sicherheitsprüfungen durch die Berufsgenossenschaft und DIN-genormtes Büromobiliar. Von wegen Entgrenzung der Arbeit: Der Vorteil, die Familie öfter zu sehen und mitzukriegen, was die Kinder tagsüber so machen, wiegt die erzwungene Vermengung von Privatem und Beruflichem bei Weitem auf.

Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber profitieren. Win-win. Der Chef freut sich über die bessere Leistungsbereitschaft und -fähigkeit, und der Mitarbeiter freut sich über eine deutlich gestiegene Lebensqualität.

Und doch klappt es hierzulande nicht so richtig mit dem Homeoffice. Nur ein Drittel der Betriebe bietet es ihren Mitarbeitern an. Der Rest hat es lieber, wenn die Mannschaft jeden Tag an der Planstelle sitzt und sichtbar arbeitet. Präsenz ist dort wichtiger als Performance, Kontrolle wiegt schwerer als Vertrauen. Das ist eine traurige, aber verfestigte Geisteshaltung, was man daran ablesen kann, dass die Zahl der Unternehmen mit Homeoffice-Arbeitern seit 2013 nicht gestiegen ist - obwohl Laptop, Smartphone und Tablet es immer leichter machen.

Stellt sich die Frage, ob man die Unternehmen nicht einfach zu ihrem Glück zwingen sollte. So wie die Niederlande es machen, wo es seit Sommer eine gesetzliche Homeoffice-Pflicht gibt. Will ein Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, kann er das. Es sei denn, es sprechen gewichtige dienstliche Gründe dagegen. Nicht irgendwelche, sondern nur solche, die das Gesetz genau vorgibt. Und es ist der Chef, der nachweisen muss, dass es nicht geht.

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Ein Vorbild? Nein. Der paternalistische Ansatz der Niederlande sollte nur der wirklich allerletzte Weg sein. Es braucht keinen mahnenden Zeigefinger des Staates, um einer guten Idee zum Durchbruch zu verhelfen. Da hilft vor allem reden und überzeugen. Wer sein Homeoffice gegen den erklärten Willen des Chefs unter Berufung auf ein Gesetz durchsetzt, wird kein großes Vergnügen mehr in seinem Betrieb haben. In der sozialpartnerschaftlich geprägten Bundesrepublik sollte es möglich sein, Vereinbarungen zum Homeoffice auf Betriebsebene hinzukriegen.

Dabei darf es nicht ausschließlich um alles oder nichts gehen - also nicht nur darum, ob die Mitarbeiter jeden Tag zu Hause arbeiten oder nie. Es kommt darauf an, flexibel zu bleiben. Wenn es Bedarf im Betrieb gibt, wird dort geschafft. Wenn die Arbeit auch von zu Hause aus erledigt werden kann oder ein Kind plötzlich krank wird, heißt es eben: "Ich bin heute im Homeoffice. Bei Fragen bitte Anruf, E-Mail, SMS oder Skype."

Die Flexibilität kann man sogar auf Stunden runterbrechen. Warum sollte man zum Beispiel am Wochenende nicht die Arbeit zu Hause nachholen können, die man in der Woche nicht erledigen konnte, weil es einen dringenden privaten Termin gab? Das Homeoffice ist eine der großen Versprechungen der Digitalisierung. Eine Idee, die viel zu gut ist, um sie am eingefahrenen Denken scheitern zu lassen.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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