Homeoffice:Na, faulenzen Sie auch zu Hause?

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Produktivität und Homeoffice - geht das zusammen? (Foto: imago stock&people/imago/Westend61)
  • In den Niederlanden gilt vom 1. Juli an ein neues Gesetz, das Arbeitnehmern unter bestimmten Bedingungen das Arbeiten aus dem Homeoffice grundsätzlich erlaubt.
  • In Deutschland hat sich die Anzahl derer, die im Homeoffice arbeiten, in den vergangenen Jahren deutlich verringert.

Von Christina Waechter

Am 1. Juli tritt in den Niederlanden ein bemerkenswertes Gesetz in Kraft: Von nun an hat jeder Arbeitnehmer das Recht auf Homeoffice. Natürlich nur unter bestimmten Bedingungen: Der Anspruch gilt für Angestellte von Betrieben einer bestimmten Größe (ab zehn Mitarbeiter), wenn durch die Heimarbeit keine Sicherheitsrisiken entstehen und keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen, die Anwesenheit am Arbeitsplatz zum Beispiel nicht obligatorisch ist.

Das Besondere an dem Gesetz ist, dass die Beweislast von nun an auf Seiten der Unternehmen liegt. Nicht mehr der Arbeitnehmer muss seinen Chef davon überzeugen, dass er auch außerhalb des Büros die ihm gestellten Aufgaben erledigen kann. Sondern der Chef muss erklären, warum es in diesem konkreten Fall notwendig ist, dass der Arbeitnehmer in der Firma seinem Job nachgeht.

Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher

Vermutlich gibt es nicht wenige Menschen in Deutschland, die diese Entwicklungen im Nachbarland neidisch beobachten. Denn hierzulande ist man noch lange nicht so weit, das Homeoffice als normale Alternative zum Büro-Arbeitsplatz zu begreifen. Im Gegenteil: Entgegen eines europaweiten Trends geht die Zahl der Deutschen, die zu Hause arbeiten, kontinuierlich zurück. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat herausgefunden, dass 2012 4,7 Millionen Menschen regelmäßig von zu Hause aus arbeiteten. Das sind 800 000 weniger als noch 2008.

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Und das, obwohl sich laut einer Studie des Jobportals Monster.de eine große Mehrheit der Deutschen flexiblere Arbeitsmodelle wünscht. Acht von zehn Jobsuchenden, die in der Untersuchung befragt wurden, wünschten sich einen Arbeitgeber, der flexible Arbeitsorte und -zeiten ermöglicht.

Die deutsche Arbeitskultur ist eine Präsenzkultur

Doch die Wünsche der Arbeitnehmer stoßen in den meisten Betrieben auf taube Ohren. In deutschen Unternehmen herrschen immer noch große Vorurteile gegen die Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus.

Obwohl mehrere Untersuchungen das Gegenteil beweisen, vermuten viele Arbeitgeber, dass die Heimarbeiter zu Hause faulenzen und nicht genug leisten. Der britische Organisationsforscher Dan Cable hat gezeigt, dass Angestellte im Homeoffice seltener befördert werden als Kollegen, die jeden Tag ins Büro kommen. Wer sichtbar ist, den merkt man sich eher, als jemanden, der nur dann in Erscheinung tritt, wenn etwas nicht stimmt.

Auch Angestellte, die im Büro arbeiten, sehen die Telearbeit ihrer Kollegen nicht gerne. Sie unterstellen den Heimarbeitern mitunter Faulheit und finden es ungerecht, dass sie zum selben Lohn unter Aufsicht des Chefs arbeiten müssen.

Die deutsche Unternehmenskultur ist immer noch eine Präsenzkultur, die besagt, dass derjenige mit Aufstiegschancen und einem höheren Gehalt belohnt wird, der am meisten Zeit am Schreibtisch verbringt. Auch wenn diese Präsenzkultur als Karrierekiller für Mütter und Väter identifiziert wurde. Auch wenn die sogenannte Work-Life-Balance dadurch arg ins Ungleichgewicht kommt und auch wenn Studien zeigen, dass viele Mitarbeiter am Büro-Schreibtisch alles Mögliche machen - nur nicht ihre Arbeit; von privatem Internetsurfen über Kollegen-Plausch bis hin zu kleinen Schläfchen hinter dem Monitor.

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Vorzüge der Heimarbeit

  • Dass Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, effektiv sind, ist wissenschaftlich belegt. Forscher der Universität Stanford haben in einem Versuch 255 Angestellte eines Callcenters in China ins Homeoffice geschickt und ihre Arbeitsleistung untersucht. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiteten, erhöhten ihre Produktivität um 13 Prozent. Sie waren seltener krank, legten weniger Pausen ein und schafften ein größeres Arbeitspensum als vorher. Auch ihre Arbeitszufriedenheit stieg an, weshalb 50 Prozent weniger Mitarbeiter kündigten als in der Vergleichsgruppe derer, die weiterhin täglich ins Büro gingen.
  • Wer zu Hause arbeitet, ist sowohl mit der Arbeit als auch mit der Freizeit überdurchschnittlich zufrieden. Das hat der Ökonom Dan Wheatley in repräsentativen Befragungen von mehr als 5000 britischen Familien herausgefunden.

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Nachteile der Heimarbeit

  • Da ist zunächst die Reputation: Mitarbeiter, die flexibel oder in Teilzeit arbeiten, laufen Gefahr, nicht als Leistungsträger gesehen zu werden - während die ständig anwesenden Kollegen als Top-Performer gelten, die hart arbeiten (und sich dabei zusehen lassen). Homeoffice-Arbeiter sind für die meisten deutschen Chefs quasi unsichtbar. Wer auch nur einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeitet, dem wird oft automatisch unterstellt, Karriere sei ihm unwichtig. Ganz besonders gilt das, wenn man als Grund für die Heimarbeit angibt, Job und Familie besser vereinbaren zu wollen.
  • Nicht jeder ist dazu geeignet, von zu Hause aus zu arbeiten. Manche lassen sich zu leicht ablenken und neigen dazu, täglich noch schnell die Küche zu putzen anstatt sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Homeoffice ist nur etwas für Menschen, die gut darin sind, sich selbst zu organisieren, und die über eine ordentliche Dosis Selbstdisziplin verfügen. Wem das abgeht (und die meisten Betroffenen wissen das genau), der sollte sich lieber auf die Kontrolle von Kollegen und Vorgesetzen verlassen.
  • Wer Homeoffice macht, fällt aus der internen Kommunikation raus. Klar kann man sich bemühen, täglich mit Kollegen telefonieren und wöchentlich in der Firma auftauchen. Doch dafür will eine Balance gefunden werden, um den Büro-Kollegen nicht auf die Nerven zu gehen. Die in der Firma haben nämlich oft weder Zeit noch Lust, ihre Homeoffice-Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen.

Die Arbeitgeber-Perspektive

Doch wer all diese Nachteile für den Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden gerne in Kauf nimmt oder gar nicht erst empfindet, der kann dem Chef noch ein letztes, ziemlich überzeugendes Argument liefern: Es sind nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Unternehmen, die von flexiblen Arbeitsmodellen profitieren. Unternehmen mit flexiblen Arbeitsformen sind laut einer Studie des Economist bis zu dreimal profitabler als ihre Wettbewerber. Dieses Argument sollte auch Arbeitgeber mindestens hellhörig machen.

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