Home-Office:Videokonferenz statt Meeting

Coronavirus - Homeoffice mit Kind

Gerade jüngere Mitarbeiter versprechen sich durch die Digitalisierung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Umwelt schützen und den Mitarbeitern Gutes tun - mit kluger Software ist das möglich. Doch nicht allen Mitarbeitern gefällt das Arbeiten im Home-Office.

Von Christine Demmer

Auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, als alle Arbeitnehmer von Gesetzes wegen ins Home-Office beordert wurden, musste der Herder Verlag noch improvisieren. Aus allen Etagen der Freiburger Firmenzentrale wurden Laptops für die Mitarbeiter zusammengesucht, die Geräte mit VPN- und Videokonferenz-Software ausgestattet, Erreichbarkeitslisten geschrieben und all das flugs verteilt. Kurz darauf war das "Rote Haus" in der Hermann-Herder-Straße bis auf die Notbesetzung menschenleer.

Einige Mitarbeiter arbeiten bis heute von zu Hause aus. "So perfide es klingt: Corona war auch eine Riesenchance für uns", sagt Inhaber Manuel Herder im Rückblick. "Wir mussten uns in unglaublich kurzer Zeit digital aufstellen. Das war Stress pur, für jeden von uns. Aber wir mussten ja." Heute will Herder um keinen Preis zurück in die alte analoge Zeit, die weder für die Mitarbeiter noch für das Unternehmen eine wirklich gute war. Mit der Digitalisierung sei man der betriebswirtschaftlichen Ratio nachgekommen, sagt Herder. "Aber sie bringt unseren Mitarbeitern auch mehr Wahlfreiheit und eine höhere Arbeitszufriedenheit. Also zwei Fliegen mit einer Klappe."

Andere hingegen sehen eher die Schattenseiten der Digitalisierung: Standard- statt Einzelfalllösungen, weniger persönlicher Kontakt mit Kollegen und Kunden, dafür mehr Stress, wenn der Server ausfällt oder das Netzwerk ruckelt. Zugegeben: Das nervt. Dennoch kann der vermehrte und vernetzte Einsatz von Rechnern helfen, die Welt, zumindest aber den Arbeitsplatz, ein Stück weit zu einem besseren Ort zu machen.

Freie Zeiteinteilung, bessere Arbeitsergebnisse und anspruchsvollere Aufgaben - technisch ist das möglich

Hier liegt eine Chance für Arbeitgeber, gleichzeitig ihre Bilanz und ihre Mitarbeiter zum Strahlen zu bringen. Software nimmt Sachbearbeitern monotone Jobs ab, und um auch über große Entfernungen miteinander zu kommunizieren, muss niemand mehr im Stau oder in der Sicherheitsschleuse stehen. E-Mails, Messenger und Videokonferenzen machen es möglich, über Ozeane hinweg gemeinsam an komplexen Projekten zu arbeiten.

Insbesondere jüngere Mitarbeiter versprechen sich von der Digitalisierung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, freie Zeiteinteilung, bessere Arbeitsergebnisse und anspruchsvollere Aufgaben. Technisch ist das alles längst möglich. "Automatisierte Prozesse können Mitarbeiter von Routinearbeiten entlasten", versichert Oliver Henrich, Vizepräsident des Software & Cloud-Anbieters Sage in Frankfurt. "Sie können die freiwerdende Zeit nutzen, um sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren." Wenn sie denn wollen und die Arbeitgeber Schulung organisieren. "Das alles zusammen kann für positive Mitarbeitererfahrungen sorgen - was dann wiederum die Produktivität steigert", argumentiert Henrich.

Für die Initiative "Handwerk ist Zukunft" der Versicherung Signal Iduna berichtet der Geschäftsführer eines Sanitärbetriebs, dass er zwar nach Einführung einer Handwerker-Software mit weniger Mitarbeitern auskommen musste, weil viele den Digitalisierungsprozess nicht mitgehen wollten. Dafür wurde die Arbeit für alle anderen einfacher.

Die morgendliche Teambesprechung hält der Geschäftsführer digital mit seinen Mitarbeitern ab. Das spart den Weg in den Betrieb, und die Installateure können direkt zum Kunden fahren. Dank der in die Software integrierten Auftragsdokumentation hat der Geschäftsführer jederzeit den Baufortschritt im Blick. Die Lagerhaltungskosten liegen jetzt auf dem absoluten Minimum, weil der Betrieb nur nach Bedarf bestellt und die Materialien erst dann vom Großhändler abholt, wenn sie benötigt werden. Der Geschäftsführer ist rundum zufrieden: "Selbst kleine Veränderungen bringen einen großen Unterschied."

Prinzipiell ist die Digitalisierung sogar in der Lage, mehr Nachhaltigkeit zu schaffen. Das sehen 74 Prozent der rund tausend Menschen, die der Branchenverband Bitkom kürzlich zu den Klimaeffekten der Digitalisierung befragt hat, genauso. Nur jeder Fünfte (21 Prozent) betont die Risikoperspektive. Paradebeispiel für die Optimisten ist das Elektroauto: ein Computer auf vier Rädern mit null Ausstoß an CO2. Damit können selbst Kleinstbetriebe ihr Verantwortungsgefühl für die Umwelt unter Beweis stellen.

Mit dem Einsatz digitaler Technologien kann auch CO2 gespart werden

In größeren Unternehmen lassen sich mithilfe digitaler Technologien viele Prozesse ökologisch gestalten, zum Beispiel durch ressourcensparendes Arbeiten oder den Betrieb vernetzter Maschinen und Anlagen mit erneuerbaren Energien. Wer gezielt nach Vorteilen des nachhaltigen Wirtschaftens Ausschau hält, kann Kosten sparen, seine Mitarbeiter zufriedener machen und ein positives Image im Markt gewinnen.

Bei dieser Suche müsse die Digitalbranche allerdings helfen, verlangt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder: "Das CO2-Einsparpotenzial digitaler Technologien ist fünf Mal höher als ihr eigener Fußabdruck. Wichtig ist, dass wir deutlicher aufzeigen, wo und wie mit digitalen Lösungen Energie eingespart werden kann."

Unternehmen gehen mit ihrer digitalen Verantwortung für Mensch und Umwelt unterschiedlich um. Während es überaus beliebt ist, Leitlinien und Prinzipien aufzustellen, verlangen konkrete Maßnahmen erst einmal Geld. Und Budgets werden meist nur dann freigeschaufelt, wenn es gar nicht anders geht.

Das belegt der Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom. Dieser ist 2021 aufgrund der Coronakrise um zwei Punkte, nämlich auf 58 von 100 möglichen Punkten, gestiegen. Dadurch konnten die befragten Unternehmen aber ihren Umsatz um mindestens 38 Prozent steigern, große Unternehmen sogar um 75 Prozent. Wer schon vorher digital gut aufgestellt war, konnte flexibler auf die Krise reagieren und flinker neue Geschäftsmodelle umsetzen.

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