Hochschulpolitik:Der Studentenschwund

Dank Studiengebühren und Numerus Clausus bleiben für viele Abiturienten die Tore der Universitäten verschlossen. Wie der Hochschulpakt die Universitätsflure leerfegt.

Alle reden vom Studentenberg. Doch der Run der geburtenstarken Schulabgängerjahrgänge auf die Hochschulen blieb allen Prognosen zum Trotz bislang aus. Viele Universitäten haben auch einfach die Türen zugemacht und den Weg ins Studium mit hohen örtlichen Zulassungsbeschränkungen - Stichwort Numerus Clausus - versperrt. Im Vergleich zu 2003 gab es im vergangenen Jahr bundesweit zwar 17 Prozent mehr Abiturienten und junge Leute mit Fachhochschulreife, gleichzeitig aber fünf Prozent weniger Studienanfänger.

Hochschulpolitik: Studenten im Hörsaal: Hier droht durch Studiengebühren und Hochschulreform bald gähnende Leere.

Studenten im Hörsaal: Hier droht durch Studiengebühren und Hochschulreform bald gähnende Leere.

(Foto: Foto: ddp)

Angesichts des wachsenden Akademikermangels sind die Zahlen Zündstoff für den "Bildungsgipfel" von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länder-Ministerpräsidenten Ende Oktober in Dresden. Folgt man der Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK), dann haben allein in den vergangenen drei Jahren zusätzlich zwischen 60 000 und 180 000 junge Menschen auf ein Studium verzichtet - je nach dem, ob man von einer Abiturienten-Übertrittsquote ins Studium von 75 oder 85 Prozent ausgeht. In der KMK wird derzeit eine neue Prognose gerechnet.

2002 war das Bafög grundlegend reformiert worden. Auf großen Plakaten warb Schlagerstar Guildo Horn damals für die neuen Fördermöglichkeiten: "Nutze Deine Chance - Du erreichst Dein Ziel." Im Folgejahr gab es mit 377 504 Neueinschreibungen den bisherigen Anfängerrekord. Blickt man auf die steigenden Abiturientenzahlen aus den geburtenstarken Jahrgängen, so hätten auch die Anfängerzahlen an den Hochschulen längst weiter wachsen müssen. Doch stattdessen ging es zwischen 2004 und 2006 deutlich bergab. 2007 gab es mit 358 673 Anfängern zwar wieder ein leichtes Plus - was aber weit hinter den Erwartungen blieb. Die These der Politik von einer "Trendwende" halten manche Hochschulforscher für arg voreilig.

Nebenjobs sind kaum mehr möglich

Denn neben der drastischen Ausweitung des örtlichen Numerus Clausus - über deren Ausmaß es seit "Entmachtung" der Dortmunder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) kaum noch verlässliche Angaben gibt - wird auf eine Vielzahl von Gründen für das bisherige Ausbleiben des Anfängerbooms verwiesen. Jeder vierte Studienverzichtler gab bei einer Umfrage des Hochschul-Informations- System (HIS) an, dies wegen der Studiengebühren zu tun. Sie werden inzwischen in sieben von 16 Ländern kassiert. Schon zum Jahresende verwies das Statistische Bundesamt darauf, dass in den unionsgeführten Gebührenländern die Studienzurückhaltung in der Regel größer sei als in gebührenfreien Ländern.

Das mit dem neuen Studentenauswahlrecht der Hochschulen ausgelöste Wirrwarr bei der Einschreibung und die für viele junge Menschen oft unklare Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums gelten als weitere Gründe für den Studienverzicht. Unter den Abiturienten spricht sich herum, dass man in den straff organisierten neuen Bachelor-Studiengängen kaum noch nebenbei jobben kann. Erstmals nach fünf Jahren wird zwar jetzt das Bafög zum 1. Oktober 2008 wieder erhöht. Doch der Anstieg sei nicht ausreichend, fand unlängst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie, um die Studierquote wirklich in die Höhe zu treiben. Fördersätze und Freibeträge würden lediglich inflationsbedingt angepasst. Vor allem die Universitäten sind derzeit mehr an ihrer Forschung als an der Aufnahme weiterer Studenten interessiert. Die 1,9 Milliarden teure Exzellenzinitiative zur Förderung der Spitzenforschung und der damit ausgelöste harte Wettbewerb hat diesen Trend noch verschärft. Die Hochschulrektoren-konferenz tritt aggressiv wie nie zuvor auf und rechtfertigt den scharfen Numerus Clausus. Der Deutsche Hochschulverband - die Berufsvertretung der Uni-Professoren - rechnet vor, dass die Länder in den vergangenen zehn Jahren 1500 Professorenstellen gestrichen haben, obwohl die steigenden Abiturientenzahlen längst absehbar waren.

Mit dem 2007 geschlossenen Hochschulpakt haben die Länder aber zugesagt, bis 2010 über 91 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Über die Fortschreibung des Paktes bis 2020 wird derzeit verhandelt. Finanziell ist der Bund bereits für das vergangene und auch für dieses Jahr in Vorleistung getreten und hat nach einem Länderschlüssel pro geplantem neuem Studienplatz 11 000 Euro überwiesen. Doch vor allem große Flächenländer im alten Bundesgebiet verfehlten im ersten Jahr das Paktziel. Statt der bereits für 2007 verabredeten zusätzlichen 13 000 Plätze in der ersten Ausbaustufe gab es bundesweit nur 2500 Plätze mehr. Länder, die ihr Ziel aber nicht erreichen, müssen ab 2009 die zu viel gezahlten Bundessubventionen wieder zurückzahlen.

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