Hochschule als Marke:Meine Zeit in Stanford

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Wer in seinem Lebenslauf Harvard, Stanford oder NYU erwähnt, profitiert von dem Ruf dieser Hochschulen. Man traut Absolventen von dort mehr zu. Illustration: SZ (Foto: sz)

Das Vorbild Ursula von der Leyen macht es kinderleicht, den eigenen Lebenslauf mit amerikanischen Elite-Unis aufzuwerten. Unser Autor sagt: "Danke, Frau Ministerin!"

Von Andrian Kreye

Man ist ja selten zufrieden mit der Arbeit seiner Regierung, aber Ursula von der Leyen gebührt hier doch mal besonderer Dank. Immerhin hat sie vielen Menschen übers Wochenende dazu verholfen, dass sie ihren Lebenslauf akademisch sehr viel beeindruckender formulieren können.

Wie wäre es zum Beispiel mit einer Ergänzung um: Harvard, Massachusetts Institute of Technology, Oxford University und die School of Medicine an der New York University. Was das bedeuten kann, soll gleich untersucht werden. Kurz zur Erinnerung, wie es dazu kam.

Die Stanford University hatte laut Presseberichten bemängelt, dass die Ministerin in ihrem Lebenslauf in der Rubrik "Beruflicher und wissenschaftlicher Werdegang" drei von fünf Stationen in Stanford ansiedelt, obwohl sie dort weder eingeschrieben noch sonst irgendwie aktenkundig geworden war. Die erste Angabe "1992 - 1996 Aufenthalt in Stanford" scheint zu stimmen, weil ihr Ehemann Heiko dort einen Forschungsauftrag im Feld der kardiovaskulären Gentherapie hatte.

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Beim zweiten Eintrag "Auditing guest: Stanford University, Graduate School of Business" handelt es sich um eine Gasthörerschaft, denn auch in Amerika kann man ohne Immatrikulation eine Vorlesung besuchen. Beim dritten Eintrag "Marktanalyse, Stanford Health Services Hospital Administration" wird es allerdings etwas ungenau, weil damit auch eine Inventur des Erste-Hilfe-Kastens im Krankenzimmer der Universität gemeint sein könnte.

Harvard genießt mehr Vertrauen als Coca-Cola, Apple und Levi's Jeans

Weil man aber sehr viel informierter über die eigene akademische Laufbahn schreiben kann als über die der Ministerin, zurück zum Gedankenspiel. Um die Ernsthaftigkeit des Anliegens zu unterstreichen - nämlich den Lebenslauf um die genannten Universitäten zu erweitern -, sei noch darauf hingewiesen, dass die Stanford University ihre Beschwerde inzwischen zurückgenommen hat.

Eine Universitätssprecherin sagte der Welt, "Aktivitäten dieser Art würden nicht registriert, eine Auflistung davon sei aber keine missbräuchliche Benutzung des Namens der Hochschule." Das wiederum bedeutet, dass man die Aufbereitung des eigenen Lebenslaufs nicht mit einem moralisierenden "Wenn die das kann, kann ich das auch"-Unterton vornehmen muss, sondern mit der Sanktionierung einer der besten und teuersten Universitäten der Welt.

Gleich zu Eingang sei darauf hingewiesen, dass die nun besprochenen akademischen Stationen im Gegensatz zu denen der Ministerin belegbar sind. Das ist ein klarer, wenn auch nicht ganz fairer Vorteil, weil man als Journalist je nach Neugier und Neigung sehr viel leichter Zugang zu verschiedenen Welten und ihren berühmtesten Protagonisten bekommt als etwa adelige Medizinstudentinnen. Und das Dokumentieren ist ja sozusagen Kerngeschäft.

Harvard also, die Mutter aller Elite-Unis, wunderschön im Zentrum von Cambridge gelegen. Steven Pinker hat hier sein Büro, der streitbare Psychologieprofessor, der die Herkunft und Entwicklung der Sprache, des Denkens und der Gewalt erforscht hat. Wenn man sich eine Stunde lang mit ihm unterhält, ist man danach leicht benommen, weil man so viel über die Geschichte der Menschheit im Kontext der Evolution erfahren hat.

Der Vorteil eines journalistischen Interviews ist gerade in so einem Fall, dass man als eine Art intellektueller Durchlauferhitzer die wissenschaftliche Arbeit von Jahrzehnten auf eine halbe Zeitungsseite reduzieren muss. Da lernt man viel.

Die Harvard University versteht sich jedoch nicht nur als Bildungs- und Forschungseinrichtung. Harvard ist eine Marke. Eine Untersuchung der größten Weltmarken Anfang der Nullerjahre ergab, dass Harvard sogar die Marke ist, in die Menschen weltweit das meiste Vertrauen setzen. Mehr als in Apple, VW, Coca-Cola und Levi's Jeans, die dieses Feld sonst anführten. Das heißt natürlich, dass man mit der Ortsmarke Harvard im Lebenslauf etwas von dieser Wirkung auf die eigene Person überträgt.

In Amerika gibt es eine ganze Fernsehserie, die auf dieser Markenwirkung beruht. Sie heißt "Suits" und erzählt die Geschichte des begabten Schwindlers Mike Ross, der sich einen Job in einer der besten New Yorker Anwaltskanzleien erschleicht, weil er behauptet, er habe in Harvard studiert. Er ist dann sogar besser, als seine Kollegen, die wirklich einen Abschluss dort gemacht haben. Als Damoklesschwert über dem Protagonisten schafft der Markenschwindel aber seit immerhin fünf Staffeln Spannung.

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Auch Stanford spielt längst in dieser Liga, weil es den Ruf als Elite-Uni der Silicon Valley-Wunderkinder genießt. Sergej Brin und Larry Page erfanden Google mehr oder weniger auf dem Stanford-Pausenhof. Auch Paypal, Netflix, Linkedin, Instagram und Yahoo nahmen hier ihren Anfang. Dazu kommen Investoren wie Peter Thiel, die hier studiert haben.

Man erwirbt bei Stanford deswegen nicht nur einen akademischen Titel, sondern auch ein Netzwerk, das die digitale Zukunft bestimmt. Stanford hat deswegen seit zehn, fünfzehn Jahren einen Ruf, der es mit Harvard leicht aufnehmen kann. Und die einstige Kaderschmiede des technischen Fortschritts hat es längst überholt.

Das war das Massachusetts Institute of Technology, das sich aber immer noch gut in einem Lebenslauf machen würde. Eine Woche Ende der Achtzigerjahre im damals frisch gegründeten Media Lab lieferten jedenfalls Stoff, von dem man noch heute zehren kann.

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Die Wissenschaftler um den Institutsgründer Nicholas Negroponte erzählten damals, in Zukunft würde es nicht mehr darauf ankommen, wie schnell ein Computer rechnen könne. Es sei viel wichtiger, mit wie vielen anderen Computern er vernetzt sei, was damals schwer nachvollziehbar war, weil fast alle Computerwissenschaftler vor allem daran arbeiteten, immer leistungsfähigere Rechner zu bauen.

Es gibt nicht viele Institute, an denen man Pionierarbeit so aus nächster Nahe beobachten kann. Noch so ein Vorteil der engen Verbundenheit zu Elite-Einrichtungen. Wobei man ohne das Grundlagenstudium auch an Grenzen stoßen kann. Von einem Vortrag des Quantenphysikers David Deutsch an der Oxford University ist beispielsweise nur noch der feste Vorsatz in Erinnerung geblieben, sein Buch "The Fabric of Reality" (der Stoff, aus dem die Wirklichkeit gemacht ist) zu lesen.

Drei gewichtige Faktoren hängen also an den großen Universitätsnamen - Ruf, Netzwerk und die Nähe zu Pionierleistungen. Das alles ergibt eine buchstäbliche Quersumme, weil man mit diesen Titeln viel mehr Geld verdient als ohne. Dafür gibt es ungezählte Untersuchungen, weil sich Studenten ja doch Gedanken darüber machen, ob sich ein Studium rechnet, das an einer solchen Elite-Uni über zweihunderttausend Dollar kosten kann.

Sämtliche Erhebungen bringen die gleichen Ergebnisse: Es rechnet sich. Sogar sehr. Wer einen Elite-Abschluss vorweisen kann, verdient im Schnitt um ein Drittel, wenn nicht das Doppelte mehr als andere. Das gilt auch für Deutschland und Europa.

Eine Untersuchung fasst das in Zahlen - ein Doktortitel aus Harvard oder Stanford wird ein Lebenseinkommen von geschätzten zwei auf drei Millionen Dollar erhöhen. Herausgerechnet sind da die Spitzen nach unten (akademisch gebildete Taxifahrer) und oben (fast noch minderjährige Silicon-Valley-Milliardäre).

Wappen aus der Werbeagentur

Die großen amerikanischen und englischen Universitäten haben längst begriffen, dass sie aus ihrer Marke auch ein Geschäft machen können. Eine der erste Universitäten, die das umsetzte, war die New York University.

Die ersetzte ihr traditionelles Wappen schon 1965 mit einem Logo, das sie von Tom Geismar entwickeln ließ, dem Grafiker, der mit seinem Partner Ivan Chermayeff das Vorbild für die Serie "Mad Men" lieferte. Heute ist die NYU eine Universität mit der Expansionsstrategie eines aggressiven Weltkonzerns. Elf internationale Filialen gibt es inzwischen, die beiden größten in Abu Dhabi und Shanghai.

Die NYU ist so expansiv wie ein aggressiver Weltkonzern

Die europäischen Universitäten wirken dagegen oft wie brave Kunsthandwerksbetriebe. Während die NYU in ihrem mehrteiligen Leitfaden für ihre hauseigene Unternehmenskommunikation von einem erbitterten Konkurrenzkampf um "die besten Studenten, Lehrkörper und Angestellten rund um die Welt" spricht, hadert man hierzulande noch mit Bologna.

Bliebe zum Schluss also noch der Versuch die NYU in den Lebenslauf zu integrieren, und zwar eine ihrer besten Fakultäten - die Medical School. Dort werden immer noch die besten Ärzte des Landes ausgebildet.

Zugegeben, der Besuch der Medical School beschränkte sich auf die Notaufnahme "NYU Langone Cobble Hill Emergency Department" in Brooklyn. Auch da aber gab es Lektionen fürs Leben. Zum Beispiel, die Erkenntnis, dass es in einer solchen Notaufnahme wirklich so zugeht, wie in der Fernsehserie "E.R.". Auch der Beleg für den Besuch lässt sich sehen, weil zwölf Stunden dort ungefähr so viel kosten wie ein Semester an der NYU.

Danke Frau Ministerin

Zugegeben, das wäre weit hergeholt. So bleibt zum Schluss nur ein - Danke Frau Ministerin. Wenn man solche Institutionen nun ohne Titel und Schein im Lebenslauf verankern darf, kann man ein Vermögen sparen.

Denn so stark ist die Aura einer solchen Marke inzwischen. Wer Harvard, Stanford oder Oxford sagt, dem traut man zu, dass er nicht nur über eine exzellente Ausbildung, sondern auch über einflussreiche Freunde und über Herrschaftswissen verfügt. Und wer daran zweifelt, muss es erst einmal beweisen.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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