Hochschulabschluss:Stiefkind Bachelor

Immer mehr Bachelor-Absolventen drängen auf den Arbeitsmarkt. Doch die Chancen der neuen Kurzzeit-Studenten sind nicht besonders gut. Viele Unternehmen sind noch skeptisch.

Alexandra Straush

Neun Jahre ist es her, dass in Deutschland die ersten Bachelor- und Master-Studiengänge als Pilotprojekte eingeführt worden sind. Aber noch immer ist die wichtigste Frage zum Bologna-Prozess nicht beantwortet: Wie stehen die Chancen der neuen Kurzzeit-Studenten auf dem Arbeitsmarkt? Der Bachelor-Abschluss soll als Einstieg in verschiedene berufliche Tätigkeiten taugen und zugleich die Basis für weiterführende Master-Studiengänge sein. Das schnelle, entschlackte Studium, verspricht die neue Image-Broschüre der Hochschulrektorenkonferenz, hat Kompetenzen statt verstaubtem Wissen im Blick und orientiert sich an den zukünftigen Aufgaben in der Berufswelt. Sowohl Studenten als auch Arbeitgeber betrachten diese Botschaft bisher jedoch mit Skepsis.

Absolventen, ap

Bachelor-Absolventen: Eine Employability-Studie ergab, dass kleiner und mittlere Unternehmer nicht wissen, wie sie sind.

(Foto: Foto: ap)

Ohne Zweifel haben sich die neuen Abschlüsse an den Hochschulen durchgesetzt. 67 Prozent aller Studiengänge an deutschen Universitäten und Fachhochschulen schließen inzwischen mit dem Bachelor oder Master ab, 48 Prozent der Studienanfänger haben sich im Wintersemester 2006/07 dafür eingeschrieben. Nach der letzten Absolventenbefragung der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) in Hannover sind sie mit Lehrangebot, Ausstattung und Betreuung auch zufrieden. Allerdings wagen sie nur selten den frühen Absprung. Je nach Studiengang liegen die Übergangsquoten ins Master-Programm zwischen 30 und 100 Prozent. "In den meisten Köpfen ist das Vollstudium noch fest verankert", sagt HIS-Forscher Karl-Heinz Minks. "Die jungen Leute wollen sich möglichst hochwertig qualifizieren."

Mittelständler sind unwissend

Diese Vorsicht ist berechtigt. Eine Employability-Studie der Universität Freiburg ergab, dass Bachelor-Absolventen tatsächlich benachteiligt sind. Zwar haben Großunternehmen wie die Deutsche Bahn AG, BASF oder die Allianz den neuen Abschlüssen mit der "Bachelor Welcome"-Initiative ihr Vertrauen ausgesprochen. Bei den kleineren und mittleren Unternehmen, die zwei Drittel aller Arbeitsplätze in Deutschland stellen, sieht das Bild jedoch anders aus.

Als die Freiburger Forscher Vertreter von 3000 Firmen zu ihren Erwartungen an den Bachelor befragen wollten, stießen sie zuerst auf breites Unwissen. "Manche Personalverantwortliche waren der Meinung, der Bachelor entspräche dem Abschluss der Berufsakademie oder dauere zehn Semester", sagt Rouven Sperling vom Projekt "Berufsfeldorientierte Kompetenzen". "Da mussten wir erst mal Aufklärungsarbeit leisten."

Forschung will promovierte Absolventen

Nachdem diese Unklarheiten ausgeräumt waren, äußerten sich die Befragten sehr unterschiedlich. Das verschulte Studium kommt gut an, bemängelt wird hingegen, dass Praxisphasen aus den Diplom-Studiengängen wegfallen. Die Kürze des Studiums sehen nicht alle als Pluspunkt. Unternehmen, die sich mit Grundlagenforschung befassen, erteilten dem Bachelor in der Freiburger Studie eine Absage. "Für unsere Forschung und Entwicklung liegt der Fokus weiterhin auf Absolventen mit Promotion", sagt Birgit Huber, zuständig für Personalrecruiting und -marketing beim internationalen Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis. Bachelor-Studenten seien als Praktikanten und Werkstudenten bereits voll integriert, im technischen Bereich sei auch ein Einsatz denkbar, der dem von Fachhochschul-Ingenieuren gleicht. "Die Leitungspositionen werden jedoch den Master-Absolventen vorbehalten bleiben."

Weniger kritisch wird die Verkürzung im Bereich Controlling, Marketing oder Personal gesehen, aber auch hier könnten Probleme auftreten, meint Ingo Kowalczyk, Leiter der Personalentwicklung der WAZ-Mediengruppe. Bei Einstellungen im Bereich Finanz- und Rechnungswesen hat er die Erfahrung gemacht, dass den Bachelor-Absolventen in Fachdiskussionen schnell die Luft ausgehe. Oberhalb der Sachbearbeiter-Ebene würde er deshalb für diese Kandidaten nur Einstiegsjobs als Trainees empfehlen.

Auf der nächsten Seite: Warum die Universitäten nicht mehr Praxiselemente ins Studium integrieren.

Stiefkind Bachelor

Infrastruktur für interne Weiterbildung fehlt

Anders als im angelsächsischen System passen die halbfertigen Absolventen schlechter in den Betrieb. "In Deutschland fehlt die Infrastruktur der internen Weiterbildung", meint Rouven. "Die Personalabteilungen erwarten fertige Leute." Deshalb gaben die Firmen in der Umfrage oft an, sie würden, wenn sie die Wahl hätten, lieber einen Bewerber mit einem bewährten Abschluss einstellen.

Hinzu kommt die Verwirrung durch neue wohlklingende Fachrichtungen. Die Universitäten haben nicht nur die Lehrpläne anders zugeschnitten, sie haben den Studiengängen auch gleich neue, international anmutende Namen gegeben. Unter Disziplinen wie "Water Science", "Instructional Design" oder "Franco Media" können sich Arbeitgeber nichts vorstellen.

Ein Kompass für die neue Hochschulwelt

"Wir brauchen einen Kompass für die neue Hochschulwelt, mit dem wir feststellen können, welcher Studiengang gut ist", sagt Oliver Maassen vom Arbeitskreis für Personalmarketing e.V.. Der Zusammenschluss von 43 deutschen Unternehmen erstellte in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Hochschulentwicklung(CHE) in Gütersloh eine eigene Studie zur Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen. Das Ergebnis der Bewertung von insgesamt 550 Bachelor-Studiengängen: Unter den 31 Spitzenreitern mit Höchstwertung waren gerade mal zwei Universitäten. Die restlichen Plätze belegten Fachhochschulen, die schon seit jeher für eine ausgeprägte Berufsorientierung bekannt sind.

Universitäten würden zwar gerne mehr Praxiselemente und Schlüsselqualifikationen in ihren Lehrplan integrieren, wissen aber nicht wie. Das zumindest ist das Ergebnis einer HIS-Online-Befragung von 850 Uni-Professoren. Sie gaben zu, dass sie sich mit Beschäftigungsfeldern und Einsatzgebieten der Bachelor-Absolventen nicht genügend auskennen. Die Universität Freiburg ist hier schon einen Schritt weiter.

Durch das Forschungsprojekt "Berufsfeldorientierte Kompetenzen" hat sie bei den Unternehmen die Erwartungen an ihre zukünftigen Mitarbeiter abgefragt. Soft Skills, war die Erkenntnis, spielen eine große Rolle. Deshalb gibt es seit Ende 2002 an der Freiburger Uni das Zentrum für Schlüsselqualifikationen. Alle Studenten sind verpflichtet, hier fachübergreifende Module wie zum Beispiel Wirtschaftsenglisch, Verhandlungsführung oder Konflikttraining zu belegen. Mindestens ein Achtel aller Credit Points des Studiums müssen im Bereich "Berufsfeldorientierte Kompetenzen" gesammelt werden. Damit hofft die Universität, den Bachelor-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt einen Mehrwert mitgeben zu können.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: