Arbeitsatmosphäre? "Druck bis zum Umfallen." Vorgesetztenverhalten? "Rückgratlos, falsch - das Allerletzte." Work-Life-Balance? "Kann man mehr oder weniger vergessen." Wenn Ex-Angestellte und frustrierte Mitarbeiter im Netz ihre Arbeitgeber bewerten, fallen die Kommentare oft böse aus. Für Unternehmen wird das zunehmend zum Problem: Immer mehr Menschen schauen sich bei der Jobsuche auch auf den öffentlichen Bewertungsplattformen um, zeigt eine Studie des Digitalverbands Bitkom.
Demnach geben 45 Prozent der berufstätigen Internetnutzer an, sich schon mal auf Portalen wie Kununu, Jobvote und Glassdoor informiert zu haben. Acht von zehn wechselwillige Interessenten lassen sich davon in ihrer Entscheidung beeinflussen. Und bei mehr als der Hälfte von ihnen sind die gelesenen Meinungen schon ein Grund dafür gewesen, sich gegen das bewertete Unternehmen als Arbeitgeber zu entscheiden, zeigt die Befragung.
Aber lässt sich aus den Beiträgen auf den Bewertungsportalen tatsächlich auf die Qualität des Arbeitsplatzes schließen? Kritiker bemängeln, dass zufriedene Arbeitnehmer keinen Anreiz haben, anderen ihre Arbeitssituation zu beschreiben. Für Angestellte, die sich mit ihrem Chef überworfen haben, sind die anonymen Erfahrungsberichte hingegen eine Möglichkeit, nachzutreten. Und sehr gute Beurteilungen könnten schließlich auch gekauft sein.
Bei den Anbietern der Bewertungsportale glaubt man natürlich an den aufklärerischen Geist der Arbeitnehmer. "Aus der Forschung wissen wir: Unsere Nutzer wollen Erfahrungen teilen, ihre Arbeitsbedingungen verbessern oder einfach Feedback an den Arbeitgeber geben", sagt Johannes Prüller von Kununu. Dass sie tatsächlich für das bewertete Unternehmen gearbeitet haben, müssen Nutzer erst beweisen, wenn der kritisierte Arbeitgeber sich beschwert und angibt, die Beschreibung könne auf kein Arbeitsverhältnis bei ihm zutreffen. Grenzen zieht das Unternehmen nur bei Schmähkritik und unwahren Behauptungen.
Nicht von der Einzelmeinung beirren lassen
Karriereberater sehen die Bewertungen und ihre Aussagekraft kritisch, vor allem mit dem Blick auf Einzelmeinungen. "Ziehen Sie keine Bewertung zur Entscheidungsfindung heran, in der unter massivem Gefühlseinsatz irgendein Arbeitnehmer-Unrecht aufgearbeitet wird", rät der Bewerbungshelfer Gerhard Winkler. Ein Erkenntnisinteresse werde damit eher nicht bedient: "Da verschaffen sich hoch entrüstete Menschen Luft."
Auch Karrierecoach Bernd Slaghuis mahnt, Jobsuchende sollten einzelnen Beiträgen nicht zu viel Bedeutung beimessen: "Eine schlechte Bewertung auf Kununu sollte kein K.o.-Kriterium für die Bewerbung sein", sagt er. Trotzdem rät er seinen Klienten dazu, sich die Kommentare anzusehen. Sie sollen darauf achten, was häufig kritisiert wird, womit viele Bewerter zufrieden sind und wie die Führungskräfte bewertet werden.
Wirft ein Einzelner den Vorgesetzten auf Kununu Entscheidungsschwäche vor, kann seine Einschätzung auch ein Zeichen mangelnder Selbstverantwortung sein. Aber: "Wenn unter hundert Bewertungen immer wieder Aussagen wie 'keine richtige Führungshaltung' und 'Führungskräfte sind eine Katastrophe' auftauchen, ist das ein Hinweis", sagt Slaghuis. In einem Vorstellungsgespräch sollten Bewerber auf solche Themen besonders achten. Sein Tipp für die Vorbereitung: "Fragen Sie sich, woran Sie bemerken würden, dass sich die Meinungen im Netz bestätigen, und welche Fragen Sie dazu stellen können."
Der kleine Mittelständler wird selten die Anzahl an Bewertungen erhalten, die ein einigermaßen repräsentatives Bild ermöglicht. Umso interessanter könnten dann die jeweiligen Reaktionen der Arbeitgeber sein. Sascha Theisen und Manfred Böcker, ihrerseits Unternehmensberater, haben sich angeschaut, wie in Firmen mit der öffentlichen Kritik auf Kununu umgegangen wird. Unter dem Strich sind viele Unternehmen tapfer und bieten Gespräche an, zeigt ihre Untersuchung - auch dann noch, wenn die Arbeitsbedingungen als "Käfighaltung in veralteten Büros" beschrieben werden.
Bei aggressiven Geschäftsführern aufpassen
Allerdings stufen die Berater fast acht Prozent der Antworten als zumindest unterschwellig aggressiv ein. Mehr als die Hälfte dieser ruppigen Reaktionen haben Geschäftsführer selbst verfasst, die sich wahrscheinlich persönlich angegriffen fühlen. Theisen zeigt Beispiele wie dieses: "Wenn es denn soooo schlimm in unserem Unternehmen für Sie ist, wieso kündigen Sie nicht einfach."
In solchen Fällen würde auch Bernd Slaghuis dem Einzelfall Beachtung schenken: "Personalleiter und Geschäftsführer prägen eine Unternehmenskultur zentral, gerade bei einem kleinen Mittelständler", sagt er. Ihre Einstellung, einfach mal zurückzuschießen, sollte ein Signal für den Jobsuchenden sein. Daran könne man auch erkennen, wie die Kultur im Unternehmen aussieht.
Den Lieblingsflop von Theisen und Böcker hat sich aber ein großes deutsches Telekommunikationsunternehmen geleistet: Auf den Vorwurf, der Arbeitgeber sei herzlos geworden, antwortete eine leitende Mitarbeiterin, erst kürzlich hätten alle Mitarbeiter Marken-Turnschuhe geschenkt bekommen.