Hierarchien in Unternehmen:Wer machtlos ist, macht Fehler

Führungszirkel sind geschlossene Gesellschaften. Doch zu glauben, die Elite versperrt den anderen den Weg, ist falsch. Eine neue Studie zeigt: Wer unten steht, trägt auch selbst Schuld daran, dass er den Aufstieg nicht schafft.

Julia Bönisch

In der Karriereforschung wird viel gestritten um Aufstiegschancen, Hierarchien und Einfluss in Organisationen. Ökonomen, Soziologen und Psychologen gehen davon aus, dass ein Mitarbeiter vor allem über Führungswillen, Gewissenhaftigkeit und inneren Drang zur Leistung verfügen muss, um eine Führungsposition zu erreichen. Auch Herkunft und Elternhaus spielen eine Rolle, doch welchen Anteil diese Faktoren an einer Karriere haben, ist umstritten.

Aufstieg, iStock

Der Weg nach oben: Eine Karriere ist nur für diejenigen möglich, die von einer guten Ausgangsposition starten.

(Foto: Foto: iStock)

Eine neue Studie, die an der niederländischen Universität Nimwegen entstand und im Fachblatt Psychological Science veröffentlicht wurde, bringt nun einen ganz neuen Aspekt in die Diskussion: Macht . Wer in einem Unternehmen machtlos ist und über keinen oder nur geringen Einfluss verfügt, der schneidet auch in Leistungstests schlechter ab. Und dies liegt der Studie zufolge ausdrücklich nicht daran, dass sich Machtlose weniger anstrengen und weniger motiviert sind als Menschen in Führungspositionen.

Starre Hierarchien

Trotzdem verringern sich durch ihre schlechtere Leistung die Aufstiegschancen für Menschen in unteren Ebenen: Wer "unten" startet, dessen Möglichkeiten nach oben zu kommen, sind sehr beschränkt. Hierarchien sind also starr und kaum zu verändern, das legen die Ergebnisse der Sozialpsychologin Pamela K. Smith und ihrer Kollegen Nils B. Jostmann, Adam Galinsky und Wilco W. van Dijk nahe.

In ihrer Untersuchung erklärten die Wissenschaftler den Teilnehmer an den Experimenten zuvor, ob sie sich in einer höheren Position mit Macht und Einfluss befänden, oder ob sie in der Hierarchie in unteren Ebenen eingeordnet seien. Letztere schnitten in allen Tests schlechter ab als diejenigen, die davon ausgingen, Macht zu besitzen. "Das galt vor allem für Aufgaben, in denen es um komplexe Tätigkeiten wie die Unterscheidung wichtiger Informationen von unwichtigen ging", erklärt Pamela Smith. "Es waren also gerade solche Bereiche betroffen, in denen Führungskräfte aktiv werden müssen."

Mangelnde Kontrolle als Angstauslöser

Dabei wirke der Mechanismus nicht unbedingt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, so Smith. Der Effekt habe sich nämlich auch dann gezeigt, wenn den Leuten nicht klar gesagt wurde, zu welcher Gruppe sie gehörten, sondern nur Signale erhielten, von denen sie Rückschlüsse auf ihre Position ziehen konnten. "Wir denken, dass die Effekte durch Angst entstehen", sagt Smith. "Menschen ohne Macht besitzen keine Kontrolle über ihr Umfeld, sie sind abhängig von anderen. Das ist eine beängstigende Situation."

Nehme man den Menschen diese Angst, steigere sich auch ihre Leistung. "Menschen in unteren Positionen, die glauben, sie hätten eine guten Chef, dem sie vertrauen könnten, zeigen keine Defizite", sagt Smith. Den naheliegenden Schluss, die machtlosen Untergebenen hätten einfach aufgegeben, lässt die Sozialpsychologin dagegen nicht gelten. "Diesen Aspekt haben wir sorgfältig untersucht: Daran liegt es nicht. Die Menschen sind genau so motiviert und strengen sich genau so an wie andere."

Auf der nächsten Seite: Welche Lehren Unternehmen aus den Studienergebnissen ziehen sollten.

Wer machtlos ist, macht Fehler

Empowerment als Schlüssel

Für Angestellte auf der unteren Hierarchie-Ebenen klingen die Ergebnisse von Smith und ihren Kollegen deprimierend: Eine Karriere ist nur für diejenigen möglich, die von einer guten Ausgangsposition starten - die Führungsebene als geschlossene Gesellschaft, in der ein Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär unmöglich ist.

Smith bestätigt diesen Eindruck. "Unsere Forschung zeigt, warum Hierarchien in modernen Gesellschaften so stabil sind. Gerät jemand in eine machtlose Position, verändert er sich offensichtlich so, dass er in der Position verharrt."

Trotzdem seien Hierarchien in Unternehmen nötig, damit sie als Organisationen funktionieren können. Die Lehre, die Vorgesetzte aus ihrer Studie ziehen können, liegt für Smith auf der Hand: "Sie müssen Untergebenen genügen Spiel- und Freiräume geben, so dass ein Gefühl der Machtlosigkeit erst gar nicht entstehen kann."

Die Empowerment-Programme großer Konzerne gehen für Smith also bereits in die richtige Richtung. Sie rät auch zu einem funktionierenden Ideen- und Vorschlagswesen, das jedem Mitarbeiter signalisiert, dass seine Anregungen aufgenommen und umgesetzt werden. Selbst bei Fließbandarbeitern gebe es noch genügend Möglichkeiten, ihnen Verantwortung zu übertragen: "Man kann die Produktion so ausrichten, dass nur ein Vorgesetzter das Band anhalten kann, wenn es ein Problem gibt. Man kann die Arbeit aber auch so organisieren, dass jeder Mitarbeiter dies selbst tun kann, sobald er einen Fehler bemerkt."

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