Hessen:Über Gebühr fragwürdig

In Hessen kippt die SPD die Studiengebühren auch für Langzeitstudenten - sozial ist dieses Vorhaben nicht. Ohne wirksame Alternativen wird die Gebührenfreiheit zur Plage.

Birgit Taffertshofer

Der Studentenstatus bietet manche Vorteile. Zumindest eine Zeitlang ist man lästige Fragen der Eltern nach der beruflichen Zukunft los. Es gibt Rabatte auf Bahntickets oder Handytarife. Und wer einen robusten Magen hat, kann günstig in der Mensa speisen.

Proteste gegen Studiengebühren in Hessen; ddp

Monatelang protestierten Studenten in Hessen gegen Studiengebühren - sozial ist die Gebührenbefreiung auch für Langzeitstudenten allerdings nicht.

(Foto: Foto: ddp)

Der Hauptgrund, lange an der Uni eingeschrieben zu bleiben, ist bei vielen Langzeitstudenten ein anderer: In der Regel sind sie von der Sozialversicherungspflicht befreit oder zahlen geringere Beiträge (solange sie bestimmte Arbeitszeiten nicht überschreiten). Auf dass sich Studenten und Arbeitgeber nicht zu Unrecht vor Sozialbeiträgen drücken, haben die meisten Bundesländer Gebühren für Langzeitstudenten eingeführt.

Die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen hilft zwar sozial benachteiligten Studenten. Dass aber sogar die Semesterbeiträge für Langzeitstudenten und die für ein Zweitstudium fallen, ist ein zweifelhaftes Signal.

Abschreckung statt Dauerstudium

Um sich als Studenten-Partei zu inszenieren, zahlt die SPD in Hessen einen hohen Preis. Sie ist auf die Stimmen der Linken angewiesen, weil es ohne sie keine Mehrheit gibt. Selbst auf den Gesetzes-Passus der Zwangsexmatrikulation, wenn Studierende keine Scheine machen, musste die Hessen-SPD wegen der Linken verzichten.

So vertritt sie im Vergleich zu anderen Landesverbänden ein extrem radikales Gratis-Studienmodell. Gebühren für Langzeitstudenten sind aber ein sinnvolles Mittel, gerade jene, die sich nur auf den Privilegien des Studentenlebens ausruhen wollen, abzuschrecken.

In Baden-Württemberg, dem ersten Land, das Endlos-Studenten in den 90er Jahren strikte Grenzen aufzeigte, ist die Anzahl der Langzeitstudenten nach der Einführung einer Gebühr um 40 Prozent zurückgegangen, gleichzeitig erhöhte sich aber auch die Zahl der Studienabbrecher. Die meisten SPD-Regierungen setzen deshalb auf ein flexibleres Studienkontenmodell, das zwar ebenfalls Gebühren für Dauerstudenten vorsieht, aber auf starre Semestergrenzen verzichtet.

Das heißt: Das Erststudium bleibt bis zum Masterabschluss in der Regelstudienzeit und - je nach individueller Leistung des Studenten - einige weitere Semester gebührenfrei. Danach werden Strafgebühren fällig, die oft sogar deutlich höher liegen als 500 Euro. In Rheinland-Pfalz müssen Langzeitstudenten beispielsweise 650 Euro entrichten.

Die SPD und Grünen in Hessen argumentieren nun, dass vor allem Studenten, die nicht auf die finanzielle Unterstützung der Eltern bauen können, länger studieren. Denn ihr Studium werde durch eine Fülle von Nebenjobs in die Länge gezogen. Tatsächlich müssen sich einige Studenten schon für die Miete kräftig abstrampeln. Diese Hochschüler allerdings dadurch zu entlasten, dass sie nun länger kostenfrei studieren dürfen, ist nicht sozial.

Es ist jedenfalls unverständlich, was sozial daran sein soll, wenn man die Steuerzahler, in ihrer Mehrheit lauter kleine Leute, dazu verpflichtet, anderen ein Dauerstudium oder noch eine zusätzliche zweite akademische Ausbildung zu bezahlen. Wenn es denn richtig ist, dass ein Studium Schutz bietet gegen Arbeitslosigkeit, sollte es als sozial gelten, allen Studenten ein Studium in gebührender Zeit zu ermöglichen. Schließlich verursachen lange Studienzeiten nicht nur hohe Kosten für den Staat, sondern sie verschlechtern auch die Aussichten der Studenten auf eine gute Anstellung.

Sozial benachteiligte Studenten brauchen deshalb mehr Unterstützung während ihrer Regelstudienzeit - nicht erst hinterher. Die SPD in Hessen muss jetzt beweisen, dass sie nicht nur den Universitäten den Verlust der Studiengebühren ausgleichen, sondern darüber hinaus den Studenten bessere Studienbedingungen, mehr Beratung und vor allem Stipendienprogramme bieten kann. Sonst wird der neue Wohlstand durch die Gebührenfreiheit bald zur Plage.

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