Helden der Arbeit:Lieber Praktikant, vergiss es!

Sie sind zu jung oder zu alt, zu motiviert oder zu unmotiviert: Warum Praktikanten so gut wie nie übernommen werden - und wie sie ihre Chancen erhöhen könnten.

Marc Baumann

Wer als Praktikant hofft, übernommen zu werden, oder zumindest gut in Erinnerung bleiben möchte, muss die richtige Mischung aus Engagement und Unterhaltungswert einbringen - und dazu viel Glück haben.

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(Foto: Foto: iStockphoto.com)

Denn die Stammbelegschaft, die einen Praktikanten nach dem anderen kommen und gehen sieht, unterscheidet häufig nur noch nach Typen. Und alle machen es irgendwie falsch:

Der Übermotivierte trägt nicht nur am ersten Tag Schlips zum Anzug und ist somit auffallend besser gekleidet als der Rest im Raum. Er hat die unangenehme Aura von unbeschäftigten Motivationstrainern und benutzt mit Vorliebe veraltete Höflichkeitsformen ("Aber sehr gerne mache ich das. Prima"). Noch an seinem letzten Arbeitstag beginnt er sein nächstes Praktikum, zu dem er nur eben schnell noch 700 Kilometer Autobahn fahren muss. Auf der Fahrt fragt er sich, warum ihm nie wenigstens eine freie Mitarbeit angeboten wird.

Der Unmotivierte kennt bereits am zweiten Praktikumstag bessere Clubs, Restaurants und Schuhgeschäfte als langjährige Mitarbeiter, die in dieser Stadt geboren wurden. Er hat Humor, immer Zeit für eine Zigarette und er ist außer Harry Potter und dem Nibelungen-Held Siegfried der einzige Mensch der Welt mit einer Tarnkappe. Zumindest ist er zwischen 9 und 12 Uhr, sowie 14 und 18 Uhr unsichtbar. Aber bei einem Stundenlohn von zwei Euro fünfzig (bei 400 Euro Lohn für eine 40 Stundenwoche) kann man ihm dafür wirklich keinen Vorwurf machen.

Der lustige Ausländer kommt aus Österreich oder der Schweiz. Er kann also perfekt Deutsch, benutzt aber komische Ausdrucksformen ("dös is leiwand"). Man fragt sich, warum er in Deutschland sitzt, statt bei sich daheim, in einem Land mit höheren Bergen oder höheren Gehältern. Der lustige Ausländer muss nie alleine Essen gehen und wenn er zum Abschied eine Mozartkugel-Torte mitbringt, sind tatsächlich alle traurig, dass er gehen muss. Er hingegen ist ganz froh, weil er heim darf, wo er sich nicht den ganzen Tag Österreicher-Witze hören muss.

Der unverständliche Ausländer kommt etwa aus Italien, Estland oder der Slowakei. Alle sind ganz begeistert, dass er so gut Deutsch spricht, dabei versteht man nur jedes dritte Wort. Sein Praktikum verdankt er einer Hilfsorganisation oder Austauschprogrammen, die nicht auf gute Sprachkenntnisse bestehen. Wenn er oder sie nach drei Monaten geht, sagen alle: "Du musst uns unbedingt schreiben". Aber seine E-Mailadresse juri.ustikuova@unibratislava.sl kommt leider nicht am Spamfilter vorbei.

Der Konkurrent versteht schnell und macht kaum Fehler. Er hat gute Ideen, aus denen dann auch tatsächlich etwas wird. Er hat die besseren Pointen und sieht gut aus. Schade, dass man vergessen hat ihm zu sagen, dass gerade eine Stelle frei ist.

Der schon etwas zu alte Praktikant trägt Anzug ohne dabei overdressed zu wirken. Er fährt einen Kleinwagen mit Kindersitz. Er erhöht das Arbeitstempo der Stammbesatzung enorm. An seinem letzten Tag meldet sich der Chef überraschend krank.

Der noch etwas zu junge Praktikant macht ein Schnupperpraktikum, das ihm die Schule oder der Nachbar des Chefs verschafft hat. Er bekommt einen eigenen Computer ohne Anschluss ans Redaktionssystem und darf um 14 Uhr "jetzt dann wirklich mal nach Hause gehen". Am letzten Arbeitstag besiegt er problemlos einen Computervirus, an dem die Firmen-IT seit Wochen verzweifelt und bekommt ein sehr gutes Zeugnis.

Der Schüchterne läuft bei jeder Wortmeldung rot im Gesicht an und muss auch noch nach vier Wochen erzählen, wie er heißt, woher er kommt, in welchem Büro er sitzt. Doch dann, eines Tages, taut er auf, die Angst fällt von ihm ab, er betritt selbstbewusst das Konferenzzimmer und sagt: "Hallo, ich habe zum Abschied einen Kuchen gebacken. Will jemand ein Stück?"

FAZIT: Ist also wirklich jedes Praktikum vertane Liebesmüh? Gibt es überhaupt keine Aussicht, irgendwie irgendwo mal hängen zu bleiben? Doch: Es gibt ein paar Regeln, die die Chancen derjenigen, die sich strikt daran halten, erheblich verbessern. Zehn in der Praxis bewährte Tipps für perfekte Praktikanten:

Lieber Praktikant, vergiss es!

1) Der erste Eindruck, den gewinnen die Mitarbeiter von dir in den ersten beiden Tage. In dieser Zeit gilt: offensiv vorstellen, Hände schütteln, Namen nennen, lächeln, smalltalken und dafür nicht mehr als 30 Sekunden benötigen. Falls du tatsächlich übernommen wirst, hast du an unzähligen gemeinsamen Mittagessen genug Zeit dein Leben zu erzählen.

2) Grüß' nicht nur den Boss, sondern auch den Hausmeister, die Sekretärin, den Briefboten.

3) Für den Weg über den Flur empfiehlt sich immer ein Blatt, eine Akte, etc. in der Hand zu haben. Auch gut: ein konzentrierter, entschlossener Blick und ein zügiger Gang (Erstes signalisiert: Ich denke. Letzteres signalisiert: Habe es eilig, weil viel zu tun).

4) Es gibt eine bürointerne Fußballmannschaft? Spiel mit! Wer neben seinem Chef in der Gemeinschaftsdusche stand, verliert unnötigen Respekt. Auch gut: Das entscheidende Tor auflegen. Erinnerungen daran überbrücken auch sehr gut gemeinsame Aufzugfahrten, die ansonsten in peinlichem Schweigen enden.

5) Abends ein Bier trinken gehen ist erlaubt.

6) Aber nur an öffentlichen Plätzen und in Lokalen.

7) Sollte während des Praktikums eine Firmenfeier stattfinden: Trinke nie ein Bier zu viel, sondern lieber ein Bier zu wenig. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Rat.

8) Zeige Engagement, aber übertreibe nicht. Wer einmal die Woche bis 22 Uhr da bleibt, fällt positiv auf. Wer fünf Mal die Woche bis 22 Uhr da bleibt, gehört zum Büro-Inventar und fällt gar nicht mehr auf.

9) Räum auch mal die Spülmaschine aus und lass das nicht immer den Chef machen.

10) Die Firma gefällt dir? Dann sag das. Wer in der letzten Woche ein aufwendiges Projekt annimmt, dass binnen fünf Tagen nicht zu schaffen ist, ist quasi schon ein freier Mitarbeiter.

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