Helden der Arbeit:Kampf auf dem Affenfelsen

Ein Gang durch die Hierarchien im Büro - vom Alpha-Männchen bis zum Underdog.

Marc Baumann

Neulich im Zoo: Erst bei den Eisbären gewesen, dann im Giraffenhaus einen steifen Hals gestaunt und beim Rausgehen noch eben im Streichelgehege zugesehen wie Kinderhorden unschuldige Baby-Ziegen mürbe streicheln.

Kampf auf dem Affenfelsen: Ein Gang durch die Hierarchien im Büro - vom Alpha-Männchen bis zum Underdog.
(Foto: Foto: iStockphoto)

Doch den bleibendsten Eindruck hat das Affen-Freigehege hinterlassen. Es hat einen an etwas erinnert. Ganz oben auf dem Affenfelsen thronte das Alpha-Männchen. Mit silbernem Körperhaar, respekteinflößendem Blick, das große Ganze betrachtend. Weiter unten jagten sich junge Männchen durchs Gelände. Der Rest der Bande saß schweigend daneben, kaute ein paar Nüsse und war froh, seine Ruhe zu haben. Da stand man und schaute und plötzlich dachte man sich: "Das kenne ich doch. Aus dem Büro."

Der Deutsche an seinem Arbeitsplatz - was für ein Paradies für Verhaltensforscher. Hier ist der Mensch noch Tier: mit klaren Rangordnungen, Machtkämpfen und Reviermarkierung.

Es folgt: ein Gang durchs Büro, durch die Hierarchien, von ganz oben nach ganz unten.

Der Firmenchef Die oberste Autorität im Unternehmen. Undenkbar, ihn jemals zu duzen! Unbestätigten Gerüchten zufolge ist auch er (oder seltener: sie) ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Unangenehmes Chefgehabe hat er nicht nötig. Bei zufälligen Begegnungen lässt seine Aura jeden noch so aufgeblasenen Büroleiter auf Praktikantengröße schrumpfen.

Beliebt macht sich der Firmenchef, wenn er mittags hin und wieder mit all den anderen in der Kantine "Schnitzel paniert mit Pommes, 2.80 Euro" oder "Erbsensuppe, 70 Cent" isst. Unvergessen bleiben Feste, bei denen er mit einer Dame im Arm zu Hip-Hop-Musik über die Tanzfläche schwebt.

Während die 08/15-Angestellten gewöhnlich um 18 Uhr ins Privatleben eintreten, ist der Firmenchef 24/7 im Dienst. Er trägt schließlich die Verantwortung.

Der eigentliche Chef Hier stellt sich die Frage nach dem Duzen tatsächlich.

Ist er Freund oder Feind? Am besten weder noch. Ein guter Chef lernt vom Alpha-Tier: Wer dauernd die anderen laut brüllend um den Felsen jagen muss, macht etwas falsch.

Der Team-Chef Erster unter Gleichen. Verdient nicht so viel mehr, als dass er sich durch teure Kleidung, Fahrzeuge oder Hobbies von den Kollegen unterscheiden würde. Darf dafür Arbeit delegieren, kritisch den Rotstift ansetzen und im Einzelzimmer sitzen. Für die Mitarbeiter ist er uninteressant: Diesem Chef will man nicht imponieren. Es reicht, ihn zu haben.

Der Zimmerkollege Bestenfalls ist der Zimmerkollege ein freundlicher Mensch, mit dem man auf gleicher Augenhöhe liegt. Vielleicht laust man sich sogar gegenseitig.

Das ist weit angenehmer als sich ständig um den Platz auf der Rangfolge zu prügeln oder in Wettkampf-Manier und unter lautem Schreien über die Büroflure zu rennen. Doch man sollte froh sein, wenn solche Kämpfe offen ausgetragen werden. Ansonsten ist zu befürchten, dass einem der liebe Kollege heimlich in den Kaffee pinkelt (wie bereits in England geschehen).

(Warum liest man in der Lokalpresse eigentlich so oft von Morden am Ehepartner, aber nie von Gewalttaten zwischen Bürokollegen?)

Kampf auf dem Affenfelsen

Der freie Mitarbeiter In den 80er Jahren fürchtete der deutsche Angestellte, dass bald schon ein unermüdlich arbeitender Roboter seinen Arbeitsplatz übernimmt. Im Jahr 2007 fürchtet der deutsche Angestellte, dass bald schon ein unermüdlich arbeitender Freiberufler seinen Arbeitsplatz übernimmt.

Der freie Mitarbeiter bekommt das zu spüren: Er wird ständig auf seinen Platz verwiesen. Obwohl er die gleiche Arbeit wie ein Festangestellter macht, steht er in der Rangordnung weit unter ihm. Doch wie alle Menschen ohne Kündigungsschutz neigt er nicht zum Revoluzzer. Im Gegenteil: Weil er auf die Gunst von Chef und Mitarbeitern angewiesen ist, tritt er meist unterwürfig auf.

Um in der Hierachie aufzusteigen, legt er mitunter eine gewisse Gerissenheit an den Tag.

Der Praktikant Lehrjahre sind keine Herrenjahre, da hat Opa recht. Der Praktikant steht noch unter den freien Mitarbeitern. Er darf arbeiten, aber nicht aufmucken. Häufig fällt er nicht mal auf. Ist er besser ausgebildet und offenbar leistungsfähiger als mancher Mitarbeiter, muss er Drohgebärden fürchten.

Der Kantinenkoch Im Fernsehen sind Köche coole, junge, motivierte Menschen, die sich täglich neue Gerichte ausdenken und nur auf Wochenmärkten beste Produkte direkt vom Bauern kaufen.

In der Kantine gibt es Auflauf. Trotzdem bleiben vom Praktikanten bis zum Chef alle freundlich. Zum einen, weil Kochen für 500 Menschen nichts mit Jamie-Oliver-Hochglanzfotos gemein hat. Aber vor allem, weil seine Schöpfkelle die Größe ihres Mittagessens bestimmt.

Die Putzkraft Ganz ähnlich verhält es sich mit den Putzleuten. Sie haben unmenschlich zu nennende Arbeitszeiten und niedrige Gehälter. Sie sind die Underdogs. Von den Meisten werden sie dennoch freundlich gegrüßt. Schließlich haben Putzkräfte ein enormes Machtpotenzial: Sie könnten die Büropflanze langsam in Cola ertränken oder den Telefon-Hörer mit dem Klolappen wischen.

Der Technik-Experte Er ist häufig der heimliche Konkurrent des Alpha-Tiers. Weil alle auf sein Wissen und seine Hilfe angewiesen sind sobald PC-Programme abstürzen oder der Drucker streikt. Gunstbezeugungen aller Arten ist er daher gewöhnt. Die kann er in Ruhe genießen, schließlich wird er nicht von Drohgebärden junger Aufsteiger gestört.

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