Helden der Arbeit:Da sitzen wir wieder

Über die Qualen der Meeting-Kultur.

Nicola Holzapfel

Meetings gehören zum deutschen Arbeitsalltag dazu wie der Lauch zum Suppengemüse. Doch während das grüne Zwiebelgewächs für Würze sorgt, haben Meetings einen faden Beigeschmack: eintönig, langwierig und ohne Höhepunkt geben sie dem Teilnehmer unweigerlich das Gefühl, Opfer einer Meeting-Repeat-Taste zu sein. Zu sehr ähnelt eine Besprechung der vorherigen und der nächsten zugleich.

Da sitzen wir wieder: Über die Qualen der Meeting-Kultur.
(Foto: Bild: Vera Thiessat)

Kaum etwas ist weniger prickelnd als die Vorstellung, sich schon wieder gemeinsam zur Besprechung um einen grauen Tisch zu setzen. Schließlich macht man das bereits zur Genüge. Man sitzt in Abteilungs-Meetings, kommt in Jour Fixes und zu Projekt-Besprechungen zusammen. Je höher die Position, desto stärker scheint der Zwang sich dem kollektiven Zeitraub unterzuordnen. Man trifft sich mehrmals die Woche, gerne auch von früh bis spät, jagt von einem Meeting zum nächsten und lässt sich auch mal kurzfristig in eine Sitzung berufen.

Hauptsache dabei. Aber das war's in vielen Fällen auch schon. Viele Meetings glänzen durch ihre Überflüssigkeit. Das gleiche gilt für manchen Anwesenden. Wobei die überflüssigen nicht die schlimmsten Teilnehmer sind. Mancher Mitarbeiter entfaltet erst im Meeting bislang ungeahnte Fähigkeiten zum Tyrannentum.

Besonderen Schrecken verbreitet der Typ des Wichtigtuers. Er prescht gerne mit innovativen Ideen vor, die der Sache zwar wenig dienlich sind, aber dafür die Sitzungstortur unnötig in die Länge ziehen. Könnten Blicke töten, wäre dieser Typus längst ausgestorben, was aber leider nicht der Fall ist.

Auch der Grundsatz-Redner ist gefürchtet. Er legt gerne blumig ausschweifend seine Position dar. Der Rest der Truppe ist schon ganz woanders? Macht nichts: Er holt sie gnadenlos wieder auf seinen Punkt zurück. Überaus enervierend kann der Sprunghafte wirken. Ha, da hat er doch schon wieder eine neue Idee! Wenn man sich bloß an die vorherigen hundert verheißungsvollen Vorschläge erinnern könnte.

Aber das ist alles nichts gegen die Mühen, die eine Mimose verbreitet. Sie fühlt sich gerne völlig unerwartet auf den Schlips getreten - selbst wenn sie gar keinen trägt. Gäbe es nicht den Ja-Sager, dem alles recht ist solange es von dem Richtigen oder der Mehrheit gewünscht wird, würden viele Meetings noch länger dauern als sie es ohnehin schon tun.

Da sitzen wir wieder

Sitzungserfahrene wissen, dass eine geschickte Typen-Kombination die Dauer von Besprechungen positiv beeinflussen kann. Ideal ist die Kombi Despot und Ja-Sager. Auch der Dulder stört nicht. Er gibt sich sowieso nur still seinen Seelenqualen hin, darauf wartend den Ort des Geschehens wieder verlassen zu können - um ja, endlich wieder arbeiten zu können.

Doch so unterschiedlich die Teilnehmer auch sind: Sie eint der Verdruss immer wieder gemeinsam den selben Frustrationen ausgesetzt zu sein. Gäbe es eine Top-5-Liste der schlimmsten Meeting-Qualen enthielte sie (neben den anderen Teilnehmern):

- Unnötig lange Sitzungen

- Bereits (gerne bei früheren Terminen) Gesagtes noch und noch einmal gesagt zu hören

- Hilflos zusehen zu müssen, wie der eigentliche Anlass des Meetings angesichts des komplizierten Beziehungsgeflechts und Egospiels der Anwesenden auf eine unbedeutende Größe zusammenschrumpft

- Bunte Power-Point-Folien voller Überschriften und Zwischenüberschriften und Grafiken und englischen Abkürzungen. (Das Faszinierende an einer Power-Point-Präsentation ist in der Regel weniger ihr Inhalt als ihr Effekt: Sie zieht unweigerlich sämtliche Anwesenden in ihren Bann, die aufs äußerste gespannt eine halbleere Folie nach der anderen anstarren.)

Erfahrene Meeting-Veteranen verfügen daher nicht nur über eine große Frustrationstoleranz. Sie haben auch gelernt, die verplemperten Stunden, die sie in Besprechungen gefangen gehalten werden, zu nutzen: Gerne denken sie währenddessen über Strategien nach, wie sie dem unsäglichen Sitzungs-Kreislauf das nächste Mal entkommen können.

Als wirksam gilt das Verräumen von Stühle, so dass das Treffen im Stehen stattfinden muss. Erfolgreich ist auch das geschickte Jonglieren mit Terminen, so dass (leider!) die nächste Besprechung ohne sie stattfindet. Fortschrittliche verlagern ihre Projekte auch gerne in den virtuellen Raum. Statt sich zu treffen, wird nur noch via Mail kommuniziert. Das mag zwar mitunter länger dauern, doch immerhin sieht man sich dabei nicht.

Aber nicht alle werden selbstbestimmt zu Meeting-Deserteuren. Viele Mitarbeiter müssen sich im Laufe ihrer Sitzungskarrieren mit der fatalen Diagnose Meeting-Burnout auseinandersetzen. In diesem Fall hilft nur: völlige Abstinenz.

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