Heikle Arbeitgeber:Und was machen Sie so?

Heikle Arbeitgeber: Nicht immer taugt der Job als heiteres Small-Talk-Thema.

Nicht immer taugt der Job als heiteres Small-Talk-Thema.

(Foto: imago stock&people)

Diese Frage stellt manche Menschen vor ein Problem: Wer in der Waffenindustrie, für eine Zigarettenfirma oder mit Tierversuchen arbeitet, muss sich immer wieder rechtfertigen.

Von Juliane von Wedemeyer

Manche Branchen haben einen zweifelhaften Ruf: Pharma-Firmen verkaufen angeblich ihre Medikamente zu teuer und profitieren von abhängigen Patienten, heißt es. Banken wird vorgeworfen, dass sie Anleger mit unseriösen Investments in den Ruin treiben und Zigaretten- oder Schnapshersteller ihre Kunden in die Sucht. Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum kosten das deutsche Gesundheitssystem jährlich um die 50 Milliarden Euro. Ein schlechteres Image haben nur noch Firmen, die Tierversuche unternehmen oder mit Waffen handeln. Wie gehen Berufstätige damit um, die in diesen Branchen arbeiten?

Tierversuche

Frank Hoppe* hat jahrelang Käfige für Tierversuche im Auftrag von Forschungslaboren entwickelt und verkauft.

"Wenn mich jemand nach meinen Beruf gefragt hat, hatte ich früher immer einen Standardspruch auf Lager: Wir stellen Laborausrüstung für Universitäten und Forschungseinrichtungen her. Dass es sich dabei um Käfige für Tierversuche handelte, habe ich, so gut es ging, verschleiert. Die meisten haben dann nicht weiter nachgehakt. Und wenn doch, wurde ich meist verbal gesteinigt. Tierversuche haben einen extrem schlechten Ruf, fast jeder hat da sofort Bilder von verdrahteten Affen im Kopf. Dabei sind schätzungsweise 99 Prozent aller Versuchstiere Mäuse, 0,5 Prozent Ratten und die restlichen Prozent größere Tiere, Schweine beispielsweise und ganz selten eben auch Primaten.

In Deutschland müssen Tierversuche von einer Ethikkommission genehmigt werden. Für Kosmetikprodukte beispielsweise sind sie verboten. Es geht dabei rein um medizinische, sinnvolle Forschung - soweit ich das beurteilen kann. Und auch technisch ist die Entwicklung der notwendigen Ausrüstung ziemlich anspruchsvoll. Meine Arbeit war also durchaus spannend. Trotzdem war sie mir unangenehm.

Ich weiß noch, wie ich einmal eine Ausschreibung über fünf Millionen Euro gewann. Aber mit wem sollte ich mich darüber freuen? Wem sollte ich sagen: Wow, ich habe gerade 10 000 Tierversuchskäfige verkauft? Ich habe weder mit Freunden noch mit der Familie darüber geredet.

Ungefährlich war das Ganze auch nicht. Wir mussten sogar unsere Namen von der Unternehmens-Homepage entfernen, weil es gegen unsere Firma Morddrohungen von militanten Tierschützern gab. Ich heiße das nicht gut, aber mir gaben deren Argumente schon zu denken. Andere Kollegen waren von ihrer Arbeit überzeugter. Etwa mein Chef. Ich erinnere mich an einen Messebesuch. Vor dem Gebäude demonstrierten Menschen gegen Tierversuche. Mein Chef ging an denen vorbei, er war mit sich im Reinen. Ich bekam Zweifel. Darum mache ich heute etwas ganz anderes. Mit einem Freund habe ich eine Firma gegründet. Und bin jetzt stolz auf das, was ich tue."

Finanzprodukte

Finanzprodukte

Thomas Schneider* arbeitete als Führungskraft in einem Finanzdienstleistungsvertrieb einer großen Bank.

"Schon während meines Studiums habe ich mit einem Kommilitonen für eine Bank ein Computersystem zur Marktanalyse entwickelt. Später bin ich dann als Experte für dieses Thema dort eingestiegen. Über die Kundenanalyse bin ich allerdings immer mehr in den Finanzvertrieb gerutscht, am Ende auf eine ziemlich hohe Position.

Ich war anfangs in einer Art Euphorie-Tunnel. Zum einen habe ich sehr gut verdient, zum anderen habe ich fest an unsere Anlage- und Investitionsstrategien geglaubt. Die Bank hat uns ja versichert, dass wir nur die besten Produkte hätten. Wir haben Menschen zu einer vernünftigen Altersvorsorge verholfen. So dachte ich zumindest. Ich war überzeugt, Gutes zu tun.

Erst nach 20 Jahren in der Branche habe ich begonnen, die Struktur zu hinterfragen. Wirklich klar wurden mir die Konsequenzen unseres Tuns, als es immer mehr negative Pressemeldungen über unser Unternehmen gab, immer mehr Kundenbeschwerden bei mir aufschlugen und die Mitarbeiterfluktuation stärker wurde.

Die Kundengespräche, um bedarfsorientierte Anlagelösungen zu finden, verkamen zur reinen Verkaufsmasche. Es ging nicht mehr um den Kunden, es zählte nur noch der wirtschaftliche Erfolg. Das konnte ich meinen Mitarbeitern nicht mehr glaubhaft vermitteln. Das hat mich sehr mitgenommen. Nachts konnte ich kaum noch schlafen.

Irgendwann habe ich dem Vorstand einen Brief geschrieben, in dem ich meine Zweifel formuliert habe. Nun ja, das Arbeitsverhältnis endete darauf in beiderseitigem Einvernehmen. Danach war es gar nicht leicht, eine neue Stelle auf diesem Karriereniveau zu finden. Ich musste wegen meiner Zeit bei diesem Finanzvertrieb bohrende Fragen zu meiner moralischen Einstellung beantworten."

Medikamente

Medikamente

Fabian Hochmeier* ist bei einem der größten Pharmafirmen als Experte für patientenorientierte Lösungen zuständig.

"Wenn ich Menschen erzähle, was ich beruflich mache, höre ich oft negative Kommentare. Wenn ich dann erklären kann, was ein Pharma-Unternehmen tut und welche Schritte gegangen werden müssen, um ein Medikament zu entwickeln, merken die Leute ziemlich schnell, dass der Kommentar unreflektiert war. Ein Medikament zu erforschen und herzustellen und im Markt zuzulassen kostet sehr schnell eine Milliarde Dollar. Das Investment muss irgendwann zurückkommen, sonst würde keine Firma diese Kosten auf sich nehmen. Zumal es im Schnitt von hundert neu entwickelten Wirkstoffen nur vier bis sechs als Medikament auf den Markt schaffen.

Mit meiner Arbeit habe ich überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Sie erfüllt mich. Zurzeit tauschen wir uns intensiv und regelmäßig mit Krebspatienten aus, um herauszufinden, wie wir ihre Therapien verbessern können. Wir lernen unheimlich viel darüber, wie eine Therapie in unterschiedliche Lebenssituationen besser eingebunden werden kann. Da geht es manchmal einfach um die Größe der Tabletten oder um deren Geschmack.

Oft bekomme ich von Patienten oder Angehörigen positives Feedback. Dieser Austausch ist pure Energie für mich. Ich bin überzeugt, dass das auch der Antrieb der meisten ist, die in Pharma-Unternehmen arbeiten: Sie haben die Chance, das Leben vieler Menschen zu verbessern."

Waffen

Waffen

Heinrich Bloch* war an der Entwicklung von Waffensystemen beteiligt, die von 40 Kilometer Entfernung bis auf wenige Zentimeter genau treffen.

"Beruflich berate ich heute Unternehmen. Ich helfe ihnen vor allem bei der Akquisition von Fördermitteln. Wenn ich einen Kunden kennenlerne, komme ich natürlich nicht nach der ersten Minute darauf zu sprechen, dass ich früher in einer Rüstungsfirma gearbeitet habe. Ein Problem habe ich aber nicht damit, zu erzählen, was ich gemacht habe.

Ich habe mich damals ganz bewusst für diesen Weg entschieden. Studiert habe ich Luft- und Raumfahrttechnik. Meine Diplomarbeit behandelte das Thema 'Wiedereintritt von Raumflugkörpern in die Atmosphäre'. Danach stellte ich fest: Die einzige Anwendung dafür ist die Wehrtechnik. Und so habe ich nach dem Studium auch von allen möglichen Wehrtechnikunternehmen Angebote bekommen.

Meiner Meinung nach sollte niemand so ein Angebot annehmen, den nur die Technik interessiert und der das andere verdrängt. Selbstverständlich ist es toll, welche Loopings ein Kampfjet fliegen kann. Aber er ist eben dazu da, eine Bombe ins Ziel zu bringen und den Gegner in seiner militärischen Kampfkraft zu schädigen.

Bevor ich meinen ersten Job in der Wehrindustrie annahm, habe ich mir - salopp gesagt - eine Entschuldigungs-Argumentationskette zurechtgezimmert. Ich bin allerdings wirklich davon überzeugt, sonst hätte ich es nicht gemacht: Ich bin in eine Welt hineingeboren, die schon Atomwaffen hatte. Stellen Sie sich vor, die Menschen in den Atomwaffen-Kommandozentralen in Russland und den USA wären Charakterschweine - das wäre wahnsinnig gefährlich. Es ist für eine Gesellschaft wichtig, dass in diesen Bereichen Menschen arbeiten, die nicht nur technisch, sondern auch charakterlich stark sind. Dass das so ist, sollten wir jedenfalls alle hoffen.

Ein schlechtes Gewissen habe ich deshalb nicht. Wenn durch Waffen Zivilisten ums Leben kommen, auch Kinder - das ist allerdings schon ein Thema. Da muss man erheblich besser werden, um das zu verhindern. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze bezogen auf die Wehrtechnik. Aber auch die Entwicklungshilfe auszubauen, könnte dazu beitragen, beispielsweise das terroristische Potenzial zu reduzieren."

Suchtmittel

Suchtmittel

Eva Janich hat als Führungskraft im Marketing und Vertrieb für große Tabak-, Spirituosen- und Kaffeefirmen gearbeitet.

"Eva, jetzt fehlen dir nur noch Porno und Waffen! Das hat mal ein Freund zu mir gesagt - im Scherz. Schließlich habe ich Zigaretten, Kaffee und Alkohol an die Kunden gebracht. Dazu stehe ich aber. Das Ganze ist ja nun auch schon einige Jahre her. Damals galt Rauchen noch als cool, die Debatte um den Passivraucherschutz wurde erst viel später angestoßen. Dazu kommt, dass sogar schon mein Urgroßvater für diesen Zigarettenhersteller gearbeitet hat. Ich hatte für die Firma also von Haus aus eine gewisse Sympathie. Rauchen war aber kein Einstellungskriterium, ich habe nur ab und an mal eine mitgepafft.

Die Alkoholbranche ist übrigens meine Lieblingsbranche. Spricht man mit Menschen über Alkohol, entdeckt man fast immer ein Glänzen in ihren Augen. Fast jeder hat eine Lieblingssorte, es gibt unzählige Whisky-, Gin- oder Wodkakenner.

Beruflich nutzen mir meine Erfahrungen in der Genussmittelindustrie übrigens sehr. Denn so stark unterscheiden sich Zigaretten-, Wodka- oder Kaffeesorten nicht im Geschmack. Man verkauft diese Produkte rein über das Image. Wer das kann, beherrscht sein Handwerk. Was ich damals über Marketing und Vertrieb gelernt habe, ist bis heute mein bestes Verkaufsargument. Später habe ich für eine Bio-Limonaden-Firma und einen Sportartikelhersteller gearbeitet. Mittlerweile habe ich ein eigenes Beratungsunternehmen.

Ich bereue nichts und würde alles genauso wieder tun - mit Ausnahme der Zigaretten. Dieses Thema finde ich heute tatsächlich schwierig. Bei Alkohol sehe ich das anders. Jeder kann selbst entscheiden, wie viel und wie oft er ihn konsumiert, damit keine Abhängigkeit entsteht. Wichtig ist, dass junge Menschen einen soliden Umgang damit erlernen und vor allem schon als Kinder zu genug Selbstbewusstsein erzogen werden, um auch Nein zu sagen."

*Name geändert

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: