Headhunter:Treibjagd auf Superhirne

Auf der Suche nach brillianten Köpfen bedienen sich Headhunter unlauterer Tricks - und geben sich schon mal als Polizisten oder harmlose Studenten aus.

Chris Löwer

Der Produktmanager eines mittelständischen Maschinenbauers war geschmeichelt. So viel Anerkennung ob seines "exzellenten Rufs in der Branche" konnte er in Zeiten ständigen Drucks aus der Chefetage gut gebrauchen. Der Haken: Das Lob kam nicht von oben, sondern von einem Headhunter. Der wiederum gab nur vor, den Mann abwerben zu wollen - stattdessen ging es ihm um Informationen über innovative Presswerkzeuge, die der Umgarnte bereitwillig ausplauderte.

Headhunter: Brutale Methoden: Auf der Jagd nach den besten Köpfen bedienen sich Headhunter auch schon mal unlauterer Tricks.

Brutale Methoden: Auf der Jagd nach den besten Köpfen bedienen sich Headhunter auch schon mal unlauterer Tricks.

(Foto: Foto: dpa)

Schmerzender Verlust

Auch in der Wirtschaftskrise gilt: Headhunter schlafen nicht. Dabei geht es nicht nur um das perfide Abgreifen wichtiger Interna, sondern nach wie vor um die besten Köpfe, denn die haben immer Konjunktur. "Zwar ist die Zahl der Vakanzen geringer geworden, aber gerade jetzt sind die Unternehmen nicht mit Kompromiss-Kandidaten zufrieden", berichtet Bernhard Pfeiffer, Personalberater beim auf Maschinen- und Anlagenbau spezialisierten Wiesbadener Unternehmen Swissconsult. "Im Moment müssen es wirklich absolut passende Bewerber sein", betont er. Das seien dann nicht nur Führungskräfte, sondern oft wichtige Spezialisten, deren Verlust schmerzt.

"Es geht immer um zwei Dinge: Fachwissen und Kontakte", sagt Karl Schotzko, Geschäftsführer vom Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Baden-Württemberg (VSW). Er rät Firmen, sich vor neugierigen Headhuntern zu schützen - je spezialisierter die Produkte, desto dichter müssen die Schotten sein.

Ohne kriminalistischen Spürsinn

Nur ist davon in der Wirtschaftswelt wenig zu spüren: "Ich bin schon verwundert darüber, wie viele Dax-Unternehmen ellenlange Telefonlisten von Mitarbeitern samt Dienstgrad und Funktion im Internet veröffentlichen", sagt Schotzko. Sehr brauchbar, um "Zielobjekte" ausfindig zu machen seien auch Fachkongresse, an denen Kopfjäger undercover teilnehmen, hier und da ins Gespräch kommen, beobachten, wer die Meinungsführer sind und mit prall gefüllten Teilnehmerlisten nach Hause marschieren. "Dazu braucht man keinen großen kriminalistischen Spürsinn", sagt Schotzko.

Trifft man dann noch, wie der Experte sagt, auf Unzufriedene, Veränderungswillige, aber auch Eitle, ist alles weitere eine Fingerübung. Wie schnell dabei Know-how zum Wettbewerber abwandert, weiß Peter Romero genau. Er hat sich als Managing Partner der Hamburger Romulus Consulting auf Headhunter-Abwehr spezialisiert. Er kennt die Tricks, denn er war fast neun Jahre selber Kopfjäger. Er kennt auch den Schaden: "Einen Mitarbeiter zu ersetzen, kann bis zum Vierfachen des Jahresbruttogehalts des Abgeworbenen kosten."

Auftrag: Recherche

Romero bekennt freimütig, dass es jedoch nicht immer darum gehe, Top-Kandidaten abspenstig zu machen. Einer der Aufträge aus seiner Headhunterzeit bestand zum Beispiel allein darin herauszufinden, wie viele SAP-Mitarbeiter welche Aufgaben bei einem großen Autokonzern erledigen. Er recherchierte über das Webverzeichnis des Autoherstellers den Namen des IT-Verantwortlichen, bekam über Social-Networks wie Facebook dessen Vorliebe für England heraus, klingelte durch und offerierte ihm eine Stelle als Assistent der Geschäftsführung einer großen britischen Firma. Das machte den Mann redselig. Romero wusste bald, was sein Auftraggeber, ein SAP-Konkurrent, wissen wollte - der Gehörnte träumt womöglich heute noch von einem Top-Job auf der Insel.

Auf der nächsten Seite: ist Furcht vor aggressiver Abwerbung unangemessen - oder tun die Unternehmen gut daran, sich zu schützen?

Gut gehütete Namen

Grundrauschen im Stresstelefonat

"Etwa ein Fünftel der Wirtschaftskriminalität wird über das Recruiting eingefädelt", zitiert Romero das Gefahrenbarometer 2010 der Münchner Unternehmensberatung Corporate Trust. Weitere beliebte Methode sei das "Bossing": Zu Demonstrationszwecken wirft Romero bei seinen Seminaren eine CD mit Flughafengeräuschen ein, die das Grundrauschen für ein Stresstelefonat mit einer Sekretärin bildet, von der er den gut gehüteten Namen eines Produktmanagers in Erfahrung bringen möchte. Er gibt vor, Vertriebschef der englischen Konzernmutter zu sein, der gerade dabei ist, einen Millionendeal einzutüten, weswegen er dringend den Produktmanager sprechen müsse. Mauert die Sekretärin, wird gedroht: "Dann können Sie Ihre Sachen packen!" Das erweicht viele.

Gängig sind auch fingierte Anrufe von vermeintlichen Studenten, die Ansprechpartner für ihre Diplomarbeit suchen, von Polizisten oder, auch das gab es schon, vom Urologen, der dem Entwicklungsleiter dringend Untersuchungsergebnisse mitteilen muss. Dann lautet Romeros eiserne Regel immer: "Egal, wer anruft, es dürfen keine Informationen raus."

Schriftliche Anfrage

Telefondamen, Personalern und Fachkräften bläut er ein: keine Namen, keine Durchwahlen, keine Funktionsbezeichnungen nennen. Und vor allem: keine Handy-Nummern. Stattdessen lieber an eine versierte Kraft für Öffentlichkeitsarbeit weiterleiten oder eine schriftliche Anfrage erbitten, wenn der Anrufer zweifelhaft erscheint. "Jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, wo die Transparenz aufhört. Aber gegen einen guten Headhunter gibt es keine wirklich wirksame Firewall", sagt Pfeiffer.

Michael Heidelberger, Vorstand im Fachverband Personalberatung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) und selbst Headhunter, hält die Furcht vor aggressiver Abwerbung für unangemessen. "Während meiner zwölfjährigen Arbeit als Personalberater habe ich nie erlebt, dass ich als Informationsbeschaffer missbraucht worden wäre", sagt er. Überdies gebe es klare Regeln, was ein Headhunter dürfe und was nicht. Ein kurzes Kontaktgespräch direkt am Arbeitsplatz sei nach etlichen Rechtsurteilen zulässig. "Aber nicht ein eingehendes halbstündiges Telefonat, das wertvolle Arbeitszeit kosten würde", stellt Heidelberger klar.

Nachhilfe in Kommunikationspsychologie

Auf Unternehmerseite sei fast alles statthaft, um die Kopfjäger abzuwehren. Doch werde dabei zuweilen übertrieben, wie im Falle der Firma, die Sondierungsanrufer so lange und raffiniert ausquetschen lässt, bis klar wird, welche Personalberatung dahintersteckt. Der geht dann postwendend eine Abmahnung mit Strafandrohung in vierstelliger Höhe zu. "Das ist nicht die feine Art und unlauter", sagt Heidelberger.

Unfein will Anti-Headhunter-Experte Romero nicht sein. Er will nur Unternehmen schützen: "Ich bin kein Feind von Headhuntern, sondern von aggressiver Abwerbung", sagt er. Romeros Rezept beruht daher neben der Nachhilfe in Kommunikationspsychologie als Schutz vor Angriffen von außen darauf, durch gute Arbeitsbedingungen Mitarbeiter zu binden: "Das ist letztlich der wirksamste Schutz."

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