Hauptschüler:Verlierer von Geburt an

Die hohe Zahl von Abbrechern ist ein weiterer Beleg für die Mängel des deutschen Schulsystems. Seit Jahren versprechen die Länder, die Schulabbrecherquote zu halbieren - erfolglos.

Von Birgit Taffertshofer

Joschka Fischer hat es getan, Helge Schneider und auch der Berliner Skandalmusiker Bushido: Sie alle haben die Schule abgebrochen. Gerne würde man also den knapp 80 000 Jugendlichen, die Jahr für Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen, sagen: Alles nicht weiter schlimm, ihr könnt trotzdem viel erreichen! Aber das stimmt nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Ohne Abschlusszeugnis geht heute fast nichts mehr. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn es in diesem Jahr wieder mehr Lehrstellen als Bewerber geben wird.

Schule, ap

Schulklasse: Noch immer ist das Schulsystem in Deutschland eines der ungerechtesten in der Welt.

(Foto: Foto: ap)

Der Vorschlag von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD), jedem Schüler das Recht auf einen Hauptschulabschluss zu garantieren, zielt deshalb in die richtige Richtung. Allerdings wird er die Mängel im deutschen Schulsystem nicht automatisch beheben. Dafür braucht es die Einsicht der verantwortlichen Bundesländer, dass die Schulen systematische Unterstützung brauchen, wenn sie jedes Kind bestmöglich fördern sollen. An vielen Schulen kommt die individuelle Förderung immer noch zu kurz. Die Folgen sind dramatisch: Acht Prozent Schulabbrecher und zwanzig Prozent Abgänger, die kaum richtig Rechnen und Schreiben können. Trostlos ist die Situation vor allem an den Hauptschulen. Dort haben es Lehrer häufig mit schulmüden Jugendlichen zu tun, die wissen, dass sie selbst dann, wenn sie sich im Unterricht anstrengen, Mühe haben werden, einen Lehrstelle zu finden.

Feste Begleiter

Es mangelt zwar nicht an Vorstößen, diesem Drama endlich ein Ende zu setzen. Doch noch immer ist das Schulsystem in Deutschland eines der ungerechtesten in der Welt, weil es sozial benachteiligte Kinder, vor allem Migranten, oft früh zurücklässt. In Kreisen der großen Koalition wächst nun das Bewusstsein, dass man den Kindern helfen muss. Inzwischen prangern die eigentlich nicht zuständigen Bundespolitiker immer häufiger die Untätigkeit der Länder an. Der Bund selbst hat seit der Föderalismusreform praktisch keine Bildungskompetenzen mehr. Er kann den Kindern in der Regel erst dann helfen, wenn es längst zu spät ist: nach der Schule.

Die Länder können nicht ständig ihre Bildungshoheit reklamieren, aber die Probleme der sozial benachteiligten Kinder vernachlässigen. Seit Jahren versprechen sie, die Schulabbrecherquote zu halbieren. Doch ihre Versuche blieben bislang fast folgenlos. Um den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, reicht es eben nicht aus, ein paar Betriebe und Vereine zu gewinnen, die nachmittags Angebote für ausgewählte Schüler machen. Die Jugendlichen brauchen feste Begleiter, damit sie wieder regelmäßig in die Schule gehen und damit sie Probleme in der Familie besser in den Griff bekommen. Die Sozialarbeiter sollen die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, vielmehr sollen sie Schulen - und möglichst auch schon Kindergärten - zu Orten der Integration machen. Das kostet viel Geld. Aber es kommt später noch teurer, wenn dies alles nicht getan wird.

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