Haftung im Job:Wer den Schaden hat

Haftung im Job: Ein paar Teller kann man leicht ersetzen. Aber wer zahlt, wenn im Job teures Gerät zu Bruch geht?

Ein paar Teller kann man leicht ersetzen. Aber wer zahlt, wenn im Job teures Gerät zu Bruch geht?

(Foto: Joana Kruse/Imago)

Jeder macht Fehler bei der Arbeit, manchmal kann das richtig teuer werden. Haftet dann der Mitarbeiter oder die Firma?

Von Ina Reinsch

Eine Putzfrau tat das, wofür sie eingestellt worden war, nämlich putzen. Und vermutlich hätte sie sich von einem anderen Dienstherrn für ihr eifriges Schrubben ein ordentliches Lob verdient. Doch dort, wo sie putzte, wusste man ihr Engagement weniger zu schätzen: Im Dortmunder Ostwall-Museum hatte sie im Innern einer Installation des Berliner Künstlers Martin Kippenberger ordentlich aufgeräumt und einen mit Kalk patinierten Auffangbehälter blitzblank gewienert. Das Kunstwerk - unwiederbringlich zerstört. Der Schaden betrug rund 800 000 Euro. Das geschah im Jahr 2011, und es war nicht der erste Fall dieser Art: 1996 wurde eine Installation des Künstlers Joseph Beuys, eine sogenannte Fettecke, einfach weggeputzt. Und das, nachdem es ihn bereits 1973 mit einer Badewannen-Installation erwischt hatte.

Fälle, in denen Arbeitnehmer während der Arbeit einen Schaden verursachen, sind gar nicht so selten. Die Ursachen können in zu großem Arbeitseifer oder einer kurzen Unaufmerksamkeit liegen, aber auch Übermüdung oder Arbeitsüberlastung, Alkohol- oder Medikamentenkonsum können ein Grund dafür sein. Dabei stellt sich immer die Frage: Wer haftet eigentlich, wenn Angestellte im Job einen Fehler machen?

Juristen beantworten die Frage gerne mit ihrem Lieblingssatz: Es kommt darauf an. Und zwar darauf, wie schwer der Fehler wiegt und wer der Geschädigte ist. Je nachdem, ob der Mitarbeiter dem Arbeitgeber, einem Kollegen, Kunden oder Dritten einen Schaden zufügt, gelten nämlich unterschiedliche Regelungen.

"Ihrem Arbeitgeber gegenüber sind Arbeitnehmer immer dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie gegen eine rechtliche Pflicht verstoßen, daraus ein Schaden entsteht und sie vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben", erklärt Benjamin Biere, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main. Das kann schnell passieren. Anders als im sonstigen Schadensrecht muss hier aber der Arbeitgeber beweisen, dass der Mitarbeiter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.

Haftung gegenüber Dritten

Ein Mitarbeiter, der bei seiner Arbeit einen unbeteiligten Dritten, etwa einen Kunden seines Chefs oder einen völlig Fremden, schädigt, muss persönlich und in voller Höhe für den Schaden gerade stehen. "Auf Haftungserleichterungen kann er sich gegenüber dem Dritten nicht berufen", erklärt Timo Hufnagel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main. "Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Außendienstmitarbeiter Kundengelder in Höhe von 20 000 Euro unverschlossen im Handschuhfach des Dienstwagens deponiert, das Fahrzeug unbewacht abstellt und das Geld gestohlen wird."

Im Klartext bedeutet das: Derjenige, der den Schaden hat, kann den Mitarbeiter verklagen, der Mitarbeiter muss zahlen. Weil die Gerichte diesen aber nicht ganz im Regen stehen lassen wollen, kann er von seinem Arbeitgeber eine Freistellung von der Haftungspflicht verlangen. In welcher Höhe, hängt auch hier vom Grad seines Verschuldens ab. Problematisch wird das Ganze nur, wenn beim Arbeitgeber nichts zu holen ist, denn dann bleibt der Mitarbeiter auf dem Schaden sitzen.

Riskant wird es übrigens auch, wenn der Chef den Schaden mitverursacht hat. "Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften dann wie Gesamtschuldner", sagt Hufnagel. Klingt zwar nach Gemeinschaft, hat aber einen Haken. "Der Geschädigte kann den Schaden bei jedem der Schuldner in voller Höhe geltend machen." Er kann sich also beim Arbeitnehmer bedienen. Der müsste dann seinerseits den Arbeitgeber verklagen. Ein Trost bleibt: In der Praxis wird sich der Geschädigte an den Arbeitgeber halten, weil der meist mehr Geld hat. Ina Reinsch

"Trifft den Arbeitgeber ein Mitverschulden, muss er einen Teil des entstandenen Schadens mittragen. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn er dem Mitarbeiter die Weisung erteilt, trotz einer erkennbaren Gefahr die Arbeit auszuführen", sagt der Jurist. Das trifft auch dann zu, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter beispielsweise nicht richtig eingewiesen hat oder es eine Weisung zu einem rechtswidrigen Verhalten gab, wie etwa dazu, manipulierte Abgassoftware in Fahrzeuge einzuspielen.

"Die Arbeitsgerichte haben die Problematik erkannt"

Doch was ist mit all den anderen Fällen? Nicht immer kann sich der Mitarbeiter aussuchen, welche Arbeiten er erledigen muss. Meist hat er keinen Einfluss auf betriebliche Abläufe. Und mitunter steht sein Gehalt in keinem Verhältnis zu dem entstandenen Schaden. "Die Arbeitsgerichte haben die Problematik erkannt und die Haftung des Arbeitnehmers beschränkt, wenn er seinem Arbeitgeber durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit einen Schaden zufügt", sagt Biere. "Eine gesetzliche Reglung gibt es dafür nicht, es ist aber zwingendes Richterrecht."

Für den Arbeitnehmer erscheine sein Haftungsbeitrag dadurch zwar wenig transparent und kalkulierbar, erklärt Biere weiter, die Gerichte würden aber eben jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden. Bisher gab es keine Entscheidung, die einem Arbeitnehmer mit mehr als einem Jahresgehalt an dem entstandenen Schaden beteiligt hat.

Von vorsätzlich bis grob fahrlässig

Doch was bedeutet das konkret? "Handelt der Arbeitnehmer vorsätzlich, haftet er voll, das heißt, er muss seinem Arbeitgeber den gesamten Schaden ersetzen", sagt Manfred Schmid, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München. Das ist allerdings selten der Fall, die meisten Schäden werden durch Unachtsamkeit verursacht. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer daher gar nicht. Das sind Fälle, in denen es aufgrund einer kurzen Unaufmerksamkeit zu einem Schaden kommt.

"Liegt mittlere Fahrlässigkeit vor, wird der Schaden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt", sagt Schmid. "Bei der Berechnung der Haftungsquote spielt hier unter anderem eine Rolle, ob es sich um eine gefährliche Tätigkeit handelt, wie hoch der Schaden ist und wie viel der Mitarbeiter verdient."

Auch die Frage, ob der Schaden kalkulierbar war und der Arbeitgeber sich durch eine Versicherung hätte absichern können, spielt mit hinein. Bei Unfällen mit Firmenfahrzeugen könne das laut Schmid dazu führen, dass die Haftung des Arbeitnehmers auf die fiktive Selbstbeteiligung einer Vollkaskoversicherung beschränkt wird, wenn der Arbeitgeber das Fahrzeug vernünftigerweise hätte versichern müssen.

Drei typische Fälle für Arbeitnehmerhaftung

Fehlalarm. Eine Reinigungskraft war an einem Sonntag außerhalb ihrer Arbeitszeit zufällig an der radiologischen Praxis vorbeigekommen, in der sie arbeitete, als sie ein merkwürdiges Geräusch hörte und der Sache nachging. In der Praxis stellte sie fest, dass das MRT-Gerät Alarm schlug. Sie drückte den roten Knopf und löste dadurch eine Notabschaltung aus. Das Magnetfeld brach zusammen. Es dauerte eine Woche, bis ein Techniker das Gerät wieder zum Laufen brachte. Der Schaden betrug rund 50 000 Euro. Das Bundesarbeitsgericht stufte das Verhalten als grob fahrlässig ein. Die Höhe des Schadens belief sich aber auf das mehr als Hundertfache eines Monatslohns der Reinigungskraft, die als Minijobberin 320 Euro verdiente. Die Richter beschränkten die Haftung daher auf zwölf Monatsgehälter. (28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09).

Telefonbetrug. Auch die Kassiererin einer Tankstelle wollte es besonders gut machen, half dabei aber einem Betrüger. Der hatte sich als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft ausgegeben und eine wilde Geschichte von einer Systemumstellung erzählt. Dazu ließ er wenige Minuten später einen weiteren Mann anrufen, der erklärte, es sei erforderlich, alle 30-Euro-Prepaidkarten auszutauschen. Die Mitarbeiterin gab dem Mann daraufhin die Codes aller in der Tankstelle vorhandenen 124 Prepaidkarten zu 30 Euro durch. Der Schaden betrug 3720 Euro. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wertete das Verhalten jedoch nicht als grob fahrlässig. Die Kassiererin sei einem Fall von sogenanntem Spoofing aufgesessen. Die Betrugsmasche sei so geschickt gemacht gewesen, dass sie von einem echten Anruf ausgehen konnte (29.08.2017, Az. 14 Sa 334/17).

Fahrerflucht. Auch ein Autoverkäufer kam mit einem blauen Auge davon. Er hatte entgegen der Betriebsanweisung seines Autohauses einen Neuwagen an einen Kunden herausgegeben, obwohl dieser den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt hatte. Er machte sich mit dem Wagen auf und davon, der Schaden betrug 30 000 Euro. Der Arbeitgeber musste die Polizei, eine Detektei sowie Anwälte einschalten und ärgerte sich sehr über seinen vertrauensseligen Mitarbeiter. Doch erst nach einem Jahr entschloss er sich, seinen Mitarbeiter zu verklagen. Zu spät. Denn der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, nach der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind (Bundesarbeitsgericht, 07.06.2018, Az. 8 AZR 96/17). Ina Reinsch

Handelt der Mitarbeiter dagegen grob fahrlässig, haftet er in der Regel voll. "Es gibt aber Ausnahmefälle, in denen die Ersatzpflicht gemindert wird und es auch hier zu einer Quotelung des Schadens kommt", sagt Schmid. "Das sind Fälle, in denen der Verdienst des Mitarbeiters und der entstandene Schaden in einem groben Missverhältnis zueinander stehen und es zu einer Existenzgefährdung des Mitarbeiters kommen würde."

Darunter fällt etwa die Geschichte eines jungen Lkw-Fahrers, der kaum vier Wochen nach seiner Einstellung mit einem Sattelzug zu schnell in eine Linkskurve fuhr und die Kontrolle verlor. Der Sattelzug stürzte um, die Bergungskosten waren hoch. Die Spedition kündigte dem Fahrer fristlos und forderte 30 000 Euro für den entstandenen Schaden. Der Mitarbeiter verdiente aber nur 1300 Euro. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein begrenzte die Haftung hier auf vier Monatsgehälter. Denn kein Arbeitnehmer soll sich finanziell ruinieren müssen.

Manchmal sind jedoch auch Kollegen die Leidtragenden, etwa bei einem Autounfall während einer gemeinsamen Dienstfahrt. Hier gilt: "Für Personenschäden springt die gesetzliche Unfallversicherung ein - vorausgesetzt natürlich, der Mitarbeiter hat den Schaden nicht vorsätzlich verursacht", sagt Biere. Sachschäden wie etwa eine kaputt gegangene Brille oder ruinierte Kleidung muss der Arbeitnehmer dem Kollegen dagegen ersetzen. Er kann jedoch von seinem Arbeitgeber verlangen, von dem Schaden freigestellt zu werden. Dann muss dieser die beschädigten Dinge bezahlen. Hierfür gelten die gleichen Grundsätze wie für Schäden, die der Mitarbeiter dem Arbeitgeber selbst zufügt.

Die Dortmunder Putzfrau hatte übrigens Glück. Das Reinigungsunternehmen, bei dem sie angestellt war, musste den Schaden zwar bezahlen. Entlassen wurde sie aber nicht. Das lag auch daran, dass sie an diesem Tag nur als Aushilfe eingesprungen war und nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, ob sie richtig eingewiesen und darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Kunstwerke tabu sind.

Schmid betont, dass mit der Haftung nicht zu spaßen sei. Andererseits müsse sich ein rechtstreuer Mitarbeiter aber auch nicht übermäßig fürchten. "Handelt der Arbeitnehmer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig, sondern versucht, seine Arbeit verantwortungsbewusst zu erledigen, sind seine Haftungsrisiken nicht sehr hoch und beschränken sich in der Regel auf einige Monatsgehälter." Im Zweifel solle der Mitarbeiter aber lieber einmal mehr nachfragen, ob seine Arbeit so in Ordnung sei, rät der Anwalt.

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