Gymnasium in Bayern:Gutes Abi mit weniger Unterricht

Versuche zum achtstufigen Gymnasium belegen, dass ein gutes Abitur ohne ein Mehr an Unterricht möglich ist. Nur das Kultusministerium ist noch skeptisch.

Christine Burtscheidt

Im kommenden Schuljahr hat das achtjährige Gymnasium (G8) seine eigentliche Feuerprobe zu bestehen. Denn dann wird sich die wöchentliche Unterrichtszeit auf bis zu 36 Stunden erhöhen. Selbst in der regierenden CSU werden Zweifel laut, ob das Schülern zuzumuten sei.

Werden also doch die Sommerferien gekürzt, wie es der CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann jüngst vorgeschlagen hat? Noch wird im Kultusministerium kräftig dementiert. Lehrer, die das achtstufige Gymnasium in Modellschulen bereits bis zum Abitur erprobt haben, machen einen gegenteiligen Vorschlag: Weniger Stunden und kleinere Klassen.

Schon jetzt gibt es Klagen von Eltern und Schülern über die Stofffülle und die wöchentliche Unterrichtszeit. So kam es zu dem Vorstoß, die Wochenstundenzahl unter Verzicht auf zwei Wochen Sommerferien zu reduzieren. Als Alternative kursiert auch die Idee, den Samstagsunterricht wieder einzuführen, oder künftig ein strafferes Programm in den letzten beiden Juliwochen zu fahren.

"Geburtsfehler, von der Quantität her zu denken"

Fest steht: "Die hohe Stundenzahl ist nicht aufrecht zu erhalten", sagt Klaus Weinzierl. Für den frisch pensionierten Englischlehrer des Münchner Gisela-Gymnasiums ist das auch gar nicht erforderlich. "Der Geburtsfehler des achtjährigen Gymnasiums war, es von der Quantität her zu denken", sagt er.

Nur durch viel Stoff und viele Stunden glauben Lehrerverbände und Direktoren, sei das Niveau des bayerischen Abiturs zu halten. Weinzierl hält dagegen: "32 Wochenstunden reichen völlig aus." Das sagt er nicht nur so, das kann er auch beweisen. Im Sommer schrieben 16 Schüler seiner ehemaligen Schule ihr Abitur - es war der erste bayerische G8-Jahrgang.

Denn bevor das G8 flächendeckend eingeführt wurde, gab es bereits Modellversuche. Gedacht waren sie als Leistungszug. Doch dann blieben die Anmeldungen aus. Die Schulen lockerten ihre Aufnahmeregelungen. Am Gisela-Gymnasium kamen auch Dreier-Kandidaten zum Zug, entscheidend war der Elternwille. Die Münchner Schule war eine von acht, die am ersten Probelauf teilnahmen.

Die Idee war, bei gleich bleibendem Lehrplan ein Schuljahr einzusparen. Letztlich fiel die 11. Klasse weg. In der Kollegstufe, also der 12. und 13. Klasse, trafen die Schüler dann wieder regulär auf den G9-Zug. Mit ihm mussten sie identische Abituraufgaben lösen.

Das Ergebnis ist erstaunlich: Die G 8-Absolventen sind mit 18,2 Jahren nicht nur eineinhalb Jahre jünger als ihre Mitschüler, sondern lagen mit einer durchschnittlichen 2,0 im Abitur auch fast um eine halbe Notenstufe besser. Und das, so Weinzierl, obwohl sie weder besonders begabt waren, noch mit 32 Wochenstunden ein höheres Unterrichtsdeputat hatten.

Kleine Lerngruppen

Das Geheimnis des Erfolgs liegt für den Pädagogen auf der Hand: "Die Lerngruppe war klein." Sie sollte 20 Schüler nicht überschreiten. Zweitrangig sei hingegen der Lehrplan. Die Pädagogen hatten vergleichsweise große Freiheit bei der Stoffauswahl. Das sei den G8-Schülern bestens bekommen, sagt Weinzierl.

Allerdings lag der Schwerpunkt auf den Kernfächern: Deutsch, Mathematik und Englisch wurden in der 10. Klasse mit einem fast doppelt so hohem Stundenkontingent ausgestattet wie derzeit am regulären G8. Dafür fielen Fächer wie Biologie für ein Jahr auch mal aus.

Weinzierls Erfahrungen werden von Lehrern anderer Modellschulen geteilt. Ulrich Bartl, Direktor am Erdinger Anne-Frank-Gymnasium, bestätigt: Die kleine Gruppe von 23 Schülern, der offene Umgang mit dem Lehrplan und die flexible Handhabung mit der Stundentafel hätten auch hier zu hervorragenden Ergebnissen geführt: "Die G8-Abiturienten waren um vier Zehntel besser."

In Pfarrkirchen, wo der Modellzug soeben erst die zehnte Klasse absolvierte, handeln Lehrer und Eltern sogar gemeinsam aus, ob im Stundenplan Spanisch steht. Auch teilt Direktor Peter Brendl die Erfahrung, "dass man in kleinen Gruppen mehr vermitteln kann".

Gegen die Vorschläge gibt es im Ministerium jedoch Einwände, zumindest auf Referentenebene. Dass kleinere Gruppen bessere Leistungen hervorbrächten, sei wissenschaftlich nicht erwiesen, sagt Adolf Prebst von der Gymnasialabteilung. Tabu ist auch die hohe Wochenstundenzahl. "Wir wollen erst einmal einen kompletten Durchlauf des G8 abwarten, bevor wir hier nochmals grundsätzlich eingreifen." Ob die Spitze des Hauses den Standpunkt bis Ende des Schuljahrs durchhält, bleibt abzuwarten.

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