Gut arbeiten:Gib alles für den Bonus

Wer viel leistet, verdient mehr. Das ist die Theorie von Zielvereinbarungen. Warum es in der Praxis oft ganz anders abläuft.

Nicola Holzapfel

Chef und Mitarbeiter sitzen sich gegenüber. Der Chef hat vor sich ein fast weißes Blatt liegen. "Herr Maier", sagt er - da klingelt das Telefon. Nach der kurzen Unterbrechung wendet er sich wieder seinem Mitarbeiter zu. "Sie wissen ja, die Zielvereinbarungen ... Was schreiben wir denn da diesmal auf?" - Was auch immer der Chef schließlich notieren wird, für dieses Zielgespräch bekommt er die Note 6: Er geht die Sache völlig falsch an.

Gut arbeiten: Wer viel leistet, verdient mehr. Das ist die Theorie von Zielvereinbarungen. Warum es in der Praxis oft ganz anders abläuft.
(Foto: Foto: iStockphoto)

Zielvereinbarungen sind in deutschen Unternehmen inzwischen ein beliebtes Führungsinstrument. Dabei verpflichtet sich der Mitarbeiter schriftlich, bestimmte Arbeitsleistungen, die als Ziele formuliert werden, zu erbringen. Meist beträgt der Zeitraum ein Jahr. In der Regel ist an die Vereinbarung eine Leistungsbezahlung gekoppelt. Je besser sich der Mitarbeiter bewiesen hat, desto höher fällt für ihn das finanzielle Extra aus. Die Vereinbarungen sollen dem Mitarbeiter Anreiz sein, mehr zu leisten, und ihm gleichzeitig Freiheiten in der Gestaltung seiner Arbeit lassen. Während das System früher vor allem bei Führungskräften und im Vertrieb angewandt wurde, wird es inzwischen auch bei Fachkräften eingesetzt.

Obwohl es ihnen bei guter Leistung mehr Geld beschert, kommt das Instrument bei den Mitarbeitern nicht immer gut an. Es frustriert statt zu motivieren. Das liegt an der Anwendung: Es wird falsch umgesetzt.

Machen wir's kurz

Häufig fehlt es den Führungskräften am nötigen Know-how. Da geben Chefs unrealistisch hohe Ziele vor und bescheinigen ihrem besten Mann dann nur eine Zielerreichung von 50 Prozent, weil sie sich noch mehr von ihm erhofft hatten. Der schwächste Mitarbeiter wird dagegen mit 90 Prozent belohnt, um ihn zu motivieren. Andere saugen sich läppische Ziele aus den Fingern und bewerten alle gleich, um möglichen Konflikten vorzubeugen. Kein Wunder, dass die betroffenen Mitarbeiter das System als Farce empfinden.

"Wenn das nach dem Motto durchgezogen wird 'Bringen wir es hinter uns' kann das nicht funktionieren. Wie soll da Engagement erblühen?", sagt Unternehmensberaterin Gundula Schramm, die Seminare über Zielvereinbarungssysteme leitet. Für den Vorgesetzten gilt: Wer es richtig machen will, muss sich ausreichend Zeit nehmen. Schramm empfiehlt eineinhalb bis zwei Stunden pro Gespräch. Ebenso viel Zeit braucht man für die Vorbereitung - und das soll auch für den Mitarbeiter möglich sein. "Dafür muss ihn der Vorgesetzte zuerst über die Unternehmensstrategie informieren. So kann er sich seinen Beitrag dazu überlegen."

Natürlich müssen auch der Ort und der Zeitpunkt stimmen. Wenn der Chef das Zielgespräch zwischen Tür und Angel vereinbart und an einen langen Arbeitstag dranhängen will, nimmt er die Angelegenheit wohl selbst nicht besonders ernst. Schlecht, wenn er dann nicht einmal dafür sorgt, dass weder Telefon noch andere Unterbrechungen stören. Die Wahl einer ruhigen Umgebung sollte zwar eine Selbstverständlichkeit sein, ist es in der Praxis aber nicht. Beim Mitarbeiter kommt das als mangelnde Wertschätzung an - eine schlechte Voraussetzung fürs Zielgespräch.

In der Regel wird es im Gespräch auch um die Bewertung der Leistungen des Vorjahres gehen. Und die birgt unter Umständen viel Konfliktstoff. "Jetzt rächt sich, wenn bei der Vereinbarung im Vorjahr unsauber gearbeitet wurde", sagt Schramm. Das beginnt schon mit der Formulierung. Ein schlechtes Ziel ist zum Beispiel: "Die Software xy muss bis zum 31.12. eingeführt sein." Das lässt viel Raum für Interpretationen. Ist das Ziel voll erreicht, wenn die Software zwar eingeführt ist, aber nicht richtig funktioniert? Besser, weil konkret wäre: "Die Software xy muss bis zum 31.12. installiert sein und fehlerfrei funktionieren."

Gib alles für den Bonus

Ein typischer Fehler ist es auch, dass die Mitarbeiter nicht einbezogen werden. "Das sind dann keine Vereinbarungen, sondern Vorgaben von oben. Die lassen keinen Gestaltungsraum", sagt Schramm.

Stattdessen müssten Ziele "smart" sein. Das steht für: spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch, terminiert. "Herr Maier wird sich stärker im Team engagieren" ist zum Beispiel kein gutes Ziel, weil es nicht messbar ist. Da ist schon absehbar, zu welchen Diskussionen es im Bewertungsgespräch kommen wird. Auch ein unrealistisch hohes Ziel hat eine unschöne Nebenwirkung: Es stößt den Mitarbeiter vor den Kopf. Schließlich will er seine Ziele ja erreichen.

Inwieweit ihm das gelungen ist, muss der Chef darlegen können. Die Beurteilung muss transparent sein. Auf welchem Punkt auf der Skala findet sich der Mitarbeiter wieder und warum? "Viele Führungskräfte sind unsicher, wie sie bewerten sollen. Sie haben Angst, sie bewerten die Person. Aber darum geht es nicht. Es geht um die Bewertung des Zielerreichungsgrades", sagt Schramm.

Ihrer Erfahrung nach führen Unternehmen Zielvereinbarungssysteme häufig überstützt ein. Sie versäumen es, ihre Führungskräfte richtig zu schulen. "Sie müssen sich für die Einführung Zeit nehmen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es ein wertschätzendes und partnerschaftliches Instrument ist." Auch die Mitarbeiter müssten ausreichend informiert werden.

Die Zielvereinbarungssysteme unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen. Es gibt auch Firmen, die das Instrument nicht mit finanzieller Vergütung verknüpfen. Anderswo ist die Leistungsbezahlung sowohl vom individuellen Erfolg als auch vom Betriebsergebnis abhängig. Kurt Femppel, der bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung den Arbeitskreis "Ziele und variable Vergütung" leitet, empfiehlt, dass mindestens fünf Prozent der Vergütung leistungsorientiert bemessen sein sollten.

Femppel ist sich sicher, dass der Einsatz von Zielvereinbarungssystemen weiter zunehmen wird. Allerdings seien sie kein Allheilmittel: Sie könnten die persönliche Führung nie ersetzen, sondern nur unterstützen und neben andere Faktoren treten wie Arbeitsbedingungen und gutes Arbeitsklima. Ein jährliches Zielgespräch und ein Bonus allein reichen eben nicht aus, um dauerhaft die Mitarbeitermotivation zu steigern. "Das ist kein Ersatz für die Anerkennung unter dem Jahr", sagt Gundula Schramm. Im Idealfall sei eine Zielvereinbarung mit Leistungsvergütung nur das i-Tüpfelchen.

Femppel empfiehlt dennoch jedem Unternehmen: "Führen Sie Ziel- und variable Vergütungssysteme ein. Aber machen Sie es richtig."

Ziele und variable Vergütung in einem dynamischen Umfeld, DGFP-Praxis Edition Band 84 von Kurt Femppel und Hans Böhm, Bertelsmann-Verlag Bielefeld, 2007

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