Erfolg vor Gericht:Berufsrisiko Sonnenstrahlen

Frühlingsbepflanzung auf dem Gärtnerplatz in München, 2013

Vorsicht Sonne: Ein Mann bei der Frühlingsbepflanzung auf dem Gärtnerplatz in München.

(Foto: Catherina Hess)

Ein Gärtner droht an Hautkrebs zu erkranken. Doch seine Versicherung will die Behandlung nicht bezahlen - Berufsrisiko. Ein Münchner Gericht sieht das allerdings anders. Das betrifft auch andere Berufe im Freien.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Fünf Jahre lang hat ein Münchner Gärtner und Baumpfleger darum gekämpft, dass seine durch UV-Strahlung verursachten Hautveränderungen als Berufskrankheit anerkannt werden. Das ist besonders wichtig, weil diese sogenannten Licht-Keratosen oft in Hautkrebs übergehen. Sein bis zum Landessozialgericht geführter und am Ende erfolgreicher Kampf hat zugleich Signalwirkung für alle Menschen, die ständig oder überwiegend im Freien arbeiten und weit mehr Strahlenbelastung durch die Sonne ausgesetzt sind als die große Mehrheit der Bevölkerung.

Der heute 69-jährige Mann hatte seine gärtnerische Laufbahn 1965 mit einem eigenen Blumengeschäft in München begonnen und sich dann zum staatlich geprüften Baumpfleger weitergebildet. Bis 2008 arbeitete er vor allem im Auftrag von Kommunen und staatlichen Bauämtern, er kümmerte sich speziell um Neu- und Ersatzpflanzungen von Groß- und Alleebäumen; zudem pflegte er Rasenflächen und Hecken.

Im Jahr 2007 bemerkte er erstmals Hautveränderungen in seinem Gesicht, an den Schläfen und der Stirn. Fachärzte diagnostizierten diese schuppig-rauen Rötungen rasch als aktinische Keratosen. Nur wenn diese frühzeitig und konsequent behandelt werden, kann das Entstehen von Hautkrebs verhindert werden.

Der Münchner forderte seine Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau auf, diese Keratosen als Berufskrankheit anzuerkennen und die Behandlungskosten zu übernehmen. Die Berufsgenossenschaft lehnte das aber ab: Es gebe bisher keine Erkenntnisse darüber, dass Gärtner häufiger als die übrige Bevölkerung Hautverhornungen oder gar Hauttumore durch UV-Strahlung bekämen.

Diese gesetzliche Unfallversicherung ließ sich auch nicht durch das Gutachten eines Hautarztes beeindrucken, wonach der Zusammenhang zwischen diesen Tumoren und der UV-Exposition mittlerweile wissenschaftlich gesichert sei. Auch als sich das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern dieser Auffassung anschloss, blieb die Genossenschaft hart.

Zu viel Sonne als Kind?

Der Baumpfleger klagte vor dem Sozialgericht München. Das verurteilte die Genossenschaft dazu, die UV-bedingten Hautveränderungen als Berufskrankheit anzuerkennen. Doch die Berufsgenossenschaft legte sofort Rechtsmittel ein: Sinngemäß meinte sie, dass der Münchner womöglich als Kind zu viele Sonnenbrände erlitten habe. Die Erklärung von Fachleuten dazu, dass Sonnenbrände andere Tumortypen nach sich zögen, zeigte keine Wirkung.

Vor dem Landessozialgericht sagte ein weiterer Gutachter, dass man früher solche Hautveränderungen irrtümlich dem Alterungsprozess oder gar dem Pfeiferauchen zugeschrieben habe. Heute wisse man es besser. Dermatologen forderten deshalb, dass die aktinischen Keratosen, "die in einer steten beunruhigenden Zunahme begriffen sind", sowie die daraus entstehenden Karzinome endlich in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen würden.

Dem schloss sich der 3. Senat in einer Stellungnahme an: Diese Hauterkrankungen beträfen Menschen all jener Berufsgruppen, die ständig oder zumindest überwiegend im Freien arbeiten und Sonnenstrahlen-Belastung in weit überdurchschnittlich hohem Maße ausgesetzt seien.

Dazu gehörten zweifellos Gärtner und Baumpfleger - wie der Münchner, der 35 Jahre lang hohe Dosen an UV-Licht hinnehmen musste. Angesichts der bevorstehenden Verurteilung gab die Berufsgenossenschaft nun die Anerkennung ab (Az.: L 3 U 81/12).

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