Renate Luksch redet schnell und wirft mit Wörtern um sich aus einer Welt, die größer ist als ihr Heimatort Goslar. Networking. Consulting. Storage. Datenmanagement. Ihr Blackberry liegt in einem weißen Lederetui, es klingelt ständig. Luksch liebt schnelle Autos, heute ist sie mit einem flaschengrünen Mazda MX5 ins Büro gekommen. In ihrer Ehe sind die Rollen so verteilt: "Ich bin der Motor, mein Mann die Bremse." Luksch leitet am Stadtrand von Goslar den Softwarevertrieb einer IT-Firma. Sie hat noch einen zweiten Job: Das Ehrenamt der Bürgermeisterin, auf SPD-Ticket. Man kann sagen: Eine wie Luksch braucht keine Gleichstellungsbeauftragte. Sie ist sich selbst eine.
Goslar ist eine überschaubare Stadt, ein Unesco-Weltkulturerbe mit einer Postkartenaltstadt und einem Frauenhaus mit sieben Plätzen. Faible für Kunst haben die Goslaer auch. Jedes Jahr verleiht die Stadt den Kaiserringpreis, einen Goldreif mit dem Siegel des in Goslar geborenen Kaisers Heinrich IV. Der Rat der Stadt, der den Preis verleiht, findet, dass Kunst (fast) alles darf. Einmal hat Cindy Sherman den Kaiserring erhalten, die US-Künstlerin, die Aufsehen erregt hat mit ihrer Serie "Sex Pictures", Fotos von zusammenmontierten nackten Plastikpuppen.
Die Toleranz des Rats und von Frau Luksch hat allerdings ein Ende, wenn es um die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten geht. Sie soll nicht alles dürfen können. Der Rat hat Monika Ebeling gerade abberufen - weil sie sich nur Männern gewidmet habe. Als letzter Beleg gilt vielen ihr Widerstand gegen eine Brötchentütenaktion. Auf den Tüten sollte der Satz "Gewalt gegen Kinder und Frauen kommt nicht in die Tüte" gedruckt werden. Ebeling war dagegen, weil das pauschal alle Männer zu Tätern macht. Die Bürgermeisterin hat auch für die Abberufung der Parteigenossin gestimmt, obwohl Ebeling anfangs gute Arbeit geleistet habe. Irgendwann aber "ist Frau Ebeling der Fokus verrutscht".
Wenn man Monika Ebeling kennenlernt, bekommt man den gegenteiligen Eindruck. Man ist überrascht, als man der kaltgestellten Gleichstellungsbeauftragten in der Sofaecke gegenübersitzt. Wenn man sich im Rat der Stadt umhört, nach Gesprächen mit Politikern und Frauenhausbeauftragten, kann man leicht ein Bild von Ebeling bekommen, das mit der Ebeling in der Braunschweiger Altbauwohnung nicht übereinstimmt. Sie hat eine angenehme warme Stimme, nicht ein einziges Mal wird sie laut, wenn sie redet. Sie zeigt keine Wut, keine Verbitterung. Noch nicht mal dann, wenn man sie fragt, wie es ihr denn jetzt geht, nach der Abberufung. "Ich fühle mich auch ein bisschen erleichtert. Der Druck ist weg." Sie trauere der Halbtagsstelle nicht hinterher, sie habe ja noch ihre Arbeit als Kindergartenleiterin. Sie freut sich sogar ein bisschen, "dass die Thematik jetzt in der Welt ist".
Die Thematik. Die Frauen von den Frauennetzwerken in Goslar finden, dass Monika Ebeling sich überhaupt nicht für Frauen eingesetzt habe, was sich durch einen Blick in die Jahresberichte leicht widerlegen lässt. Die Frauen sagen auch, Monika Ebeling habe gegen das Frauenhaus in Goslar "gewettert" und sei "menschlich nicht zuverlässig" gewesen. Gudrun Hesse redet so, zum Beispiel. Wenn man sie fragt, wie man ihren Namen schreibt, sagt sie: "Hesse wie Hermann."
Frau Hesse ist 70 Jahre alt, sie war Lehrerin für Englisch und textiles Gestalten, und heute ist sie Vorsitzende des Frauenhaus-Vereins von Goslar. Sie finde es "unterhalb der Gürtellinie", dass Monika Ebeling sich für die Abschaffung von Frauenhäusern einsetze. Hat sie das wirklich? Monika Ebeling sagt: "Nein, natürlich nicht." Gudrun Hesse hat noch nie ein Wort mit Monika Ebeling gewechselt. Warum? "Weil sie einem das Wort im Mund herumdreht." Sie und ihre Kolleginnen vom Frauenhaus seien da einer Meinung gewesen: dass man über die Meinungsverschiedenheit mit Monika Ebeling nicht reden solle. "Wir wollten keine Schlammschlacht."
Anruf bei Doris Juranek, der grünen Ratsfrau. Auch sie hat für die Abberufung von Monika Ebeling gestimmt. Warum? Weil "das Thema an mich herangetragen wurde". Hat sie selbst mit Ebeling geredet? "Nein, ich kenne sie gar nicht." In ihrem Blog fragt Monika Ebeling: "Wie wäre es, nicht über mich zu reden, sondern mit mir?"
Debatte um Frauenquote:"Wer nach oben will, muss Leistung bringen"
Die Politik fordert die Einführung einer Frauenquote. Weibliche Führungskräfte sehen das gespalten. Was Frauen, die es nach ganz oben geschafft haben, denken.
In Goslar heißt es, Ebeling sei eine "Antifeministin", weil sie sich nur Männern gewidmet habe. Ebeling sagt: "Man ist doch nicht gleich Antifeministin, wenn man Kritik am ideologisierenden Feminismus übt." Ebeling stört, dass manche Feministinnen und Frauenrechtlerinnen in Männern nur Täter sähen: "Das ist mir zu einseitig." Männer und Jungs könnten auch Opfer sein, Opfer gesellschaftlicher Fehlentwicklungen.
Gedopte Generation
Das Ruhigstellungsmittel Ritalin? "Bekommen fast nur Jungs, da wird eine ganze Generation gedopt." Schlechte Schulabschlüsse? "Auch fast nur Jungs, da geht unsere Zukunft verloren." Beratungsgespräche? "Da kommen immer nur Frauen. Was ist mit den Männern? Wie kommt man an die ran?" Dass es einer sozialen Gruppe so schlecht gehe, sagt sie, "da muss man doch mal hinschauen".
Die Bürgermeisterin Renate Luksch muss jetzt wieder zurück zur Arbeit, sie schaut schon auf die Uhr. Goslar hat vor ein paar Wochen auch den Oberbürgermeister abgewählt, weil er, so Luksch, "sonnenkönigsmäßig regiert hat". Ob sie sich jetzt um diesen Posten bewerben wolle, wenn im September gewählt wird? Sie winkt ab: "Das ist eine Männerdomäne, da wird nicht an Frauen gedacht."
Worum es bei dem Streit eigentlich geht? Die Bürgermeisterin sagt: "Gute Frage. Es kamen Klagen aus den Frauen-Organisationen, dass Ebeling ihnen den Stempel aufdrücke." Luksch sagt dann noch diesen Satz: "Ebeling ist abgebogen, ohne zu blinken." Und was sagt Monika Ebeling, die Frau am Steuer? "Die wollten, dass ich so arbeite, wie sie das diktieren, mit einer Ausschließlichkeit für Frauen."
Ein Buch für die Gegnerinnen
Ebeling fährt jetzt erst mal weit weg von Goslar, nach Kalifornien. Abstand gewinnen, ausruhen, Ideen sammeln. Eine hat sie schon: Sie möchte jetzt ein Buch schreiben über ihre Erfahrungen. Das, sagt sie, "können ja dann mal die lesen, die nicht mit mir geredet haben".