Googelnde Personaler:Misstrau, schau, wem!

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Jede vierte Firma durchforstet das Netz nach aufschlussreichem Material über Bewerber - und stößt dabei auf peinliche Partyfotos und intime Bekenntnisse. Verboten ist die Schnüffelei nicht.

D. Kuhr und M. Olbrisch

Johanna staunt. Eigentlich wollte sich die Studentin bei ihrem Vorstellungsgespräch in ein gutes Licht rücken, über gute Noten und vergangene Praktika sprechen. Der Personalleiter scheint das nicht zu wollen. "Sie waren ja letztens auf dem Geburtstag von Stefan, den kennen Sie bestimmt", beginnt er das Gespräch. "Scheint ja ein lustiger Abend gewesen zu sein."

Fotos vom Saufgelage im Netz: Vor allem die großen Firmen schauen vor einem Bewerbungsgespräch gern nach, was das Internet über den Kandidaten so hergibt. (Foto: Foto: dpa)

Geburtstag? Stefan? Die Gedanken rasen durch ihren Kopf. "Woher...?" Auf diesen Moment hat der Personalleiter offenbar gewartet. Mit triumphierendem Lächeln zieht er ein paar Seiten hervor. "Anscheinend sind Sie ja häufiger im Nachtleben unterwegs", kommentiert er süffisant.

Da sind sie, die Fotos von Stefans Geburtstag. Auf ihnen ist Johanna zu sehen, wie sie ein Bier in der Hand hält und mit einer Freundin herumalbert. Auch die Bilder eines feucht-fröhlichen WG-Abends, eines Klassentreffens und einer Einweihungsparty zaubert der Personalchef hervor. Die Gastgeber hatten die Bilder bei StudiVZ eingestellt und das Profil der Studentin damit verlinkt. "Damit hätten Sie nicht gerechnet, was?"

Personaler wollen es genauer wissen

Der Fall ist nicht erfunden. Er hat sich genau so zugetragen. Und immer häufiger kommt es vor, dass Bewerber ähnliche Erfahrungen machen. Mehr als jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) nutzt das Internet, um sich über Stelleninteressenten zu informieren. Das hat eine Studie des Dimap-Instituts unter 500 Unternehmen ergeben, die Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in Auftrag gegeben hatte.

Vor allem die großen Firmen schauen vor einem Bewerbungsgespräch gern nach, was das Internet über den Kandidaten so hergibt. 46 Prozent der Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern gaben an, in solchen Fällen online zu recherchieren. Bei kleineren Betrieben (20 bis 100 Mitarbeiter) machen das nur 21 Prozent. Besonders in der Industrie und im Dienstleistungssektor will man es genauer wissen, gut ein Drittel dieser Unternehmen schauen, was es über den Bewerber im Netz gibt. Bei den Handwerksbetrieben gaben dagegen nur drei Prozent an, sich vor einem Vorstellungsgespräch online zu informieren.

"Ausdrücklich verboten ist dieses Vorgehen zwar nicht", sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Ich halte es aber für sehr problematisch." Im September tritt eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes in Kraft, die sich speziell an Arbeitgeber wendet. Da heißt es: "Personenbezogene Daten eines Beschäftigen dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses (...) genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses (...) erforderlich ist."

Auf der nächsten Seite: Warum es auch verkehrt sein kann, wenn sich im Internet überhaupt keine Daten zu einem Bewerber finden.

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Persönliches Gespräch statt Internetrecherche

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Das sei sehr schwammig formuliert, findet Perreng. Sie bezweifelt, dass Arbeitgeber die Erforderlichkeit solcher Recherchen nachweisen können. "Sie werden sich vermutlich auf den Standpunkt stellen, es sei erforderlich, um sich ein Bild von dem Bewerber zu machen. Ich halte das jedoch für Unsinn." Zwar müsse der Arbeitgeber vor einer Einstellung prüfen, ob der Bewerber nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ins Unternehmen passt, "aber ein persönliches Gespräch ist dafür doch viel besser geeignet als eine Internetrecherche", sagt die Expertin. Hinzu komme ein weiteres Problem: "Selbst wenn es verboten wäre, wie wollte man verhindern, dass der Arbeitgeber sich trotzdem heimlich informiert? Und wie sollte ein Bewerber das beweisen?"

Wie die Dimap-Studie ergab, interessieren sich die Firmen vor allem für private Äußerungen, Hobbies, Interessen oder auch für das soziale Engagement. Besonders schlecht kommt es an, wenn sich ein Bewerber im Internet negativ über seine Arbeit oder sein Arbeitsumfeld geäußert hat. Doch auch wenn sich überhaupt keine Daten finden, kann das verkehrt sein. Zwölf Prozent der befragten Unternehmen gaben an, es negativ zu bewerten, wenn ein Bewerber im Internet gar nicht auftaucht. 75 Prozent sehen das hingegen neutral. Jedes vierte Unternehmen teilte mit, dass Kandidaten wegen der Erkenntnisse aus dem Internet abgelehnt oder gar nicht erst eingeladen worden seien.

Atmosphäre des Misstrauens

Bundesministerin Ilse Aigner rät, sorgfältig zu überlegen, welche Daten man ins Netz stellt. "Das Internet ist wie ein schwarzes Brett, es ist für jeden öffentlich zugänglich", sagte sie der SZ. "Wichtig ist, darauf zu achten, dass man immer Herr über seine sozialen Daten bleibt." Auch Falk Lüke, Datenschutz-Experte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, warnt die User vor Leichtsinn. "Die Anbieter der Seiten für soziale Netzwerke vermitteln oft den Eindruck, bei ihnen sei alles sicher. Die Seite gehöre quasi nicht mehr richtig zum Internet." Doch das täusche.

Die Neugier der Arbeitgeber ist nicht auf junge Bewerber begrenzt. Viele Firmen schauen auch bei Kandidaten ins Internet, die sich als einfache oder mittlere Angestellte bewerben. Das mittlere und höhere Management wird ebenfalls unter die Lupe genommen. DGB-Frau Perreng hält das für fatal. Arbeitgeber, die Angestellte im Netz ausspähten, "schaffen eine Atmosphäre des Misstrauens und der Kontrolle. Das schadet dem Betriebsklima und, was für die Arbeitgeber noch wichtiger sein dürfe, der Kreativität."

© SZ vom 22.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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