Glücks-Coaching:Nun seid gut drauf!

Eine neue Berater-Generation bringt das Glück in die Arbeit. Ihre Botschaft: Zufriedene Mitarbeiter leisten mehr.

Chris Löwer

Abstiegsangst, drohender Jobverlust, Mobbing, nervende Kollegen - das Büro ist häufig nicht gerade ein Hort der Glückseligkeit. Das dämmert auch den Trüffelschweinen im Beratermarkt, die den Missstand in ein neues Tätigkeitsfeld ummünzen: Glücks-Coaching. Andreas Nemeth, Verkaufstrainer und Berater aus Bad Kissingen, ist zum Beispiel überzeugt, dass sich Glück erlernen lässt: "Jeder kann sich selbst zu Erfolg und Glück coachen", behauptet der Autor von Büchern mit Titeln wie "Das ganze Jahr gut drauf!" oder "Der begeisterte Verkäufer".

Glücks-Coaching: Simple Botschaft: Strahlende Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter.

Simple Botschaft: Strahlende Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter.

(Foto: Foto: AP)

Man müsse nur das Gehirn trainieren, meint Nemeth, öfter positive als negative Signale wahrzunehmen. Dadurch stelle sich auf Dauer von selbst eine größere Zufriedenheit ein, wovon wiederum die Firma direkt profitiere. Motto: Ist der Mitarbeiter glücklich, freut sich der Chef. Denn nur wer zufrieden ist, erledigt seine Arbeit auch mit der nötigen Motivation und Leistungsbereitschaft. Allzu viel Grüblerei störe dabei nur.

Wie wahr. Nemeth rät: "Konzentrieren Sie sich auf das Hier und Jetzt!" Lamentieren sei sinnlos, denn es binde unnötig Kraft und Kreativität. Der Coach bringt es auf die Formel: "Lebe protestfrei!" Was aber nicht heißen solle, dass man alles mit sich machen lassen muss. Natürlich nicht. Denn das würde unglücklich machen.

Führungskräften gibt Nemeth Ratschläge, wie sie ihr Team glücklich machen und damit dessen "gesamtes Leistungspotenzial" entfalten können: "Entscheidend ist, dass man den Mitarbeitern Vertrauen, Kompetenz, Aufmerksamkeit, Achtung und Respekt schenkt." Und nicht zu vergessen: Auch ein guter Verdienst ist wichtig. Aha: Geld macht also auch glücklich. Der Trainer gibt als Losung aus: "Werden Sie zu einem Glücksmomente-Forscher!" Nemeth hat Erfolg: Immer mehr Unternehmen lassen sich von ihm bei der Grundlagenforschung in Sachen Glück unterstützen, unter anderem die AOK, die Deutsche Bahn oder DaimlerChrysler.

Die liebe Familie, Quelle des Glücks

Zu den unfreiwilligen Mitinitiatoren dieses Trends zählt Richard Layard, Direktor des Center for Economic Performance an der London School of Economics, Regierungsberater und Architekt des britischen New Deal. In seinem vielbeachteten Buch "Happiness" fordert der Ökonom ausgerechnet von Politik und Wirtschaft, für eine "glückliche Gesellschaft" (so auch der deutschsprachige Titel) zu sorgen.

Seither beschwören Berater einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft. Ganz nach Layards Formel, den Faktor Glück zur bestimmenden Größe zu erheben, indem wirtschaftliche und soziale Sicherheit Vorrang genießen soll vor Gewinnmaximierung und totaler Eigenverantwortung. Das Ziel ist eher Zufriedenheit als Ehrgeiz und zersetzende Konkurrenz.

Lord Layard ist folglich auch kein Freund leistungsbezogener Bezahlung und perfider Mitarbeiterführungsstrategien, die gezielt Rivalitäten unter Kollegen aufbauen, um zu Höchstleistungen anzustacheln. Er fragt, wie man einerseits Teamarbeit fordern und andererseits nach Leistung bezahlen kann. Die vermeintlich weichen Faktoren wie Glück, Vertrauen und Fairness würden von der Wirtschaftswissenschaft ignoriert.

Für die Praxis heißt das: Glückliche Mitarbeiter sind nicht unbedingt diejenigen, die mit reichlich Sondergratifikationen bedacht werden, sondern diejenigen, deren Leistung ehrlich anerkannt wird und deren Verlangen nach Sicherheit und Zufriedenheit bedient wird. Und weil die Familie eine Quelle des Glücks darstellt, sollten familienfreundliche Maßnahmen im Unternehmen selbstverständlich sein.

Nun seid gut drauf!

Das sieht Robert Pollinger, Marketingberater und Initiator der "Glückschule" in Weltenburg, nicht anders: "Die Zeit ist reif für einen Paradigmenwechsel: Private Zufriedenheit muss Vorrang genießen. Jeder sollte sich emotionale Meilensteine setzen. Erst dann folgen Unternehmensziele, die sich mit glücklichen Mitarbeitern deutlich einfacher erreichen lassen." Seine Formel: Lebenszufriedene Mitarbeiter sind wertvolle Mitarbeiter. Die werden dann ihre Arbeit als einziges "Flow-Erlebnis" begreifen, also völlig in ihrer Tätigkeit aufgehen, die flüssig von der Hand geht, was eine tiefe Zufriedenheit schafft.

In Pollingers Leben ging jene Zufriedenheit verloren, als er die Trennung von seiner Frau und seinen beiden Kindern verschmerzen musste. Der private Bruch blieb nicht ohne Folgen für den Berufsalltag des Beraters. Er krempelte sein Leben um und gründete die "Glückschule", die Mitarbeitern in Unternehmen beibringen will, wie sie ein zufriedenes Leben führen. Noch müssen er und seine Mitstreiter dafür ordentlich Überzeugungsarbeit leisten. "Nicht jeder Unternehmer in Deutschland kann viel mit dem Thema anfangen. Doch gibt es einige - das sind Visionäre", strahlt Pollinger. Immerhin dauert sein "Glückstraining" ein geschlagenes Jahr.

In der Schweiz, wo er mit seinem Team auch aktiv ist, seien die Chefs sehr viel empfänglicher. Hemmende Faktoren müssten aus dem Weg geräumt werden, um den Kopf frei für kreatives und intuitives Denken und Handeln zu machen. "Einzige Voraussetzung ist ein Gefühl des Glücks beim Mitarbeiter", sagt Pollinger. "Und dieses Glück muss man schulen und gemeinsam einüben."

Dass es funktionieren kann mit dem installierten Glück, versucht der Berater mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu belegen. Er beruft sich beispielsweise auf Ruut Veenhoven, Soziologieprofessor an der Erasmus-Universität Rotterdam, der seit 20 Jahren alle weltweit erscheinenden Glücksstudien auswertet.

Veenhoven kommt unter anderem zu dem Schluss, dass glückliche Menschen aktiver und kreativer sind als andere - und dass ihr Selbstwertgefühl sogar noch steigt, wenn sie richtig gefordert werden. Gut, dass dieser Zusammenhang auch von seriöser Seite belegt ist. Leider sagt das noch nichts über den Weg zum Glück aus, der möglicherweise steinig und schwer ist. Doch selbst wenn die Glücksoffensive der einschlägigen Coaches nicht auf der ganzen Linie anschlagen soll - einige macht sie auf jeden Fall glücklich: die Coaches selbst.

Literatur: Richard Layard: Die glückliche Gesellschaft. Kurswechsel für Politik und Wirtschaft. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005. 324 Seiten, 19,90 Euro

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