Gleichstellung:Warum eine Muslimin nicht evangelisch werden muss

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll vor Diskriminierung schützen - auch im Job. Wie die Gerichte urteilen.

M. Heitmann und W. Büser

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll seit seinem Inkrafttreten 2006 ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen.

Muslimin, dpa

Muslimin: Die Kirche darf andersgläubige Bewerberinnen nicht ablehnen.

(Foto: Foto: dpa)

Jeder hat seither einen Rechtsanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn er im Sinne des Diskriminierungsverbots benachteiligt wird. Doch nicht jeder, der meint, diskriminiert zu werden, wird es auch aus der Sicht des Gesetzgebers. So wird gestritten:

In Hessen wollte es ein Arbeitgeber nicht einsehen, den Vorsitzenden seines Betriebsrats an einem viertägigen Seminar zum Thema "Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" teilnehmen zu lassen und ihn dafür bezahlt freizustellen. Außerdem sollte er die Kosten für das Seminar in Höhe von rund 1000 Euro übernehmen. Sein Argument: Er veranstalte drei Monate später selbst ein Inhouse-Seminar zu diesem Thema.

Kündigung schon nach wenigen Stunden

Doch diese Begründung zog genauso wenig wie der Hinweis darauf, dass es "bei ihm im Betrieb keine Diskriminierung" gebe. Darauf komme es nicht an, so das Hessische Landesarbeitsgericht. Das AGG setze vielmehr früher an und sei auch darauf gerichtet, Diskriminierungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Bewegen sich sowohl die Pauschale (770 Euro) sowie die sonstigen Kosten (300 Euro) für das Seminar "im üblichen und vertretbaren Rahmen", so darf der Betriebsrat teilnehmen. (AZ: 9 TaBV 84/07)

Ein Engländer, der in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb eine Probezeit absolvieren sollte, zog vor das Berliner Arbeitsgericht. Er wurde schon nach wenigen Stunden wegen seiner "mangelhaften Kenntnisse der deutschen Sprache" wieder nach Hause geschickt. Er fühlte sich im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes benachteiligt und verlangte vom Unternehmer drei Monatsgehälter. Er sei wegen seiner "ethnischen Herkunft" als Brite diskriminiert worden. Dem folgte das Gericht nicht: Arbeitgeber hätten generell das Recht, ihre Auswahl für die Besetzung eines Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der "Kenntnisse des Deutschen in Wort und Schrift" zu treffen. (AZ: 14 Ca 10356/07)

Hohes Alter als Kündigungsgrund

Kündigt ein Arbeitgeber einem älteren Arbeitnehmer wegen "erhöhter krankheitsbedingter Fehlzeiten" und zieht er dabei eine Parallele zu den - gesünderen - jüngeren Kollegen, so muss darin nicht unbedingt ein Verstoß gegen das AGG liegen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erkannte an, dass eine Diskriminierung wegen des Alters insbesondere dann ausscheide, wenn der gekündigte Mitarbeiter "deutlich häufiger gefehlt" hat als der Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer. Hier gab es die Besonderheit, dass der Arbeitgeber als Kleinbetriebsinhaber das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden brauchte. Das LAG hielt die Kündigung aber auch deshalb für rechtens, weil sie wahrscheinlich auch bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes hätte rechtens sein können. (AZ: 4 Sa 14/07)

Eine deutsche Frau türkischer Herkunft, die als gebürtige Muslimin ihre Religion "nicht praktiziert", bewarb sich um eine staatlich geförderte Stelle beim evangelischen Diakonischen Werk als Sozialpädagogin. Die Frage des Arbeitgebers, ob sie sich "einen Eintritt in die Kirche" vorstellen könne, verneinte sie. Sie wurde nicht eingestellt. Der Arbeitgeber meinte, seine Stütze im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu finden. Schließlich sei dort eine Ablehnung mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche erlaubt. Das Arbeitsgericht Hamburg folgte dem nicht. Bei der Stelle sei eine "unmittelbare christliche Prägung nicht erkennbar". Der Frau wurden drei Monatsgehälter als Schadenersatz zugesprochen. (AZ: 20 Ca 105/07)

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welchen Einfluss das Geschlecht auf die Bewerbung hat.

Warum eine Muslimin nicht evangelisch werden muss

Keine Witwerrente für eingetragene Lebenspartner

Ein Beamter, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, wollte durchsetzen, dass sein Partner im Falle seines Todes eine Rente nach dem Hinterbliebenenversorgungsgesetz erhält - ohne Erfolg. Der Gesetzgeber dürfe dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, so das Verwaltungsgericht Koblenz, dass "die Versorgungsabsicherung bei Eheleuten regelmäßig durch die Erziehung der gemeinsamen Kinder erschwert" würde. Es gebe zwar auch kinderlose Ehen, der Gesetzgeber sei aber berechtigt, eine typisierende Betrachtungsweise anzustellen. Es werde damit weder gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft noch gegen das AGG verstoßen. Die heterosexuelle Gemeinschaft und deren Bereitschaft zur Fortpflanzung sei ein wesentliches Anliegen für die Zukunft. (AZ: 2 K 1190/07)

Eine angestellte Lehrerin klagte eine Gleichbehandlung mit zwei ihrer männlichen Kollegen ein, die vom Arbeitgeber bessergestellt wurden (hier durch den Abschluss "beamtenähnlicher" Arbeitsverträge). Der Arbeitgeber argumentierte, nicht alle Sonderkonditionen finanzieren zu können. Außerdem habe die Schule einen "hohen Jungenanteil". Beides überzeugte das Bundesarbeitsgericht nicht: Die Lehrerin hätte in die Auswahlentscheidung einbezogen werden müssen. (AZ: 9 AZR 943/06)

Anders entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz: Ein Diplom-Sozialpädagoge hatte sich um eine Stelle in einem Mädcheninternat beworben. Als seine Bewerbung mit der Begründung abgelehnt wurde, es würden nur weibliche Fachkräfte eingestellt, klagte er. Nach seiner Meinung ist die Abweisung rechtswidrig, da das AGG jede geschlechtsspezifische Benachteiligung am Arbeitsplatz verbiete. Das gelte auch für Bewerbungsverfahren. Als Entschädigung verlangte er zweieinhalb Monatsgehälter in Höhe von insgesamt 6750 Euro. Das LAG sah für die Forderung keine rechtliche Grundlage. Eine Ungleichbehandlung zwischen Frau und Mann sei zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gebe. Erzieherinnen in einem Mädcheninternat kämen auch mit der Intimsphäre der Mädchen in Berührung. Ein Mann sei deshalb in dieser Position nicht tragbar. (AZ: 2 Sa 51/08)

Eine Richterstelle war ausgeschrieben, auf die sich nur Bewerber mit Prädikatsexamen melden sollten. Eine schwerbehinderte Juristin, die deutlich unter den Anforderungen lag, verlangte eine Entschädigung, weil sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war - vergebens. Zwar bestehe für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber eine besondere Pflicht, "schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einzuladen". Die greife jedoch nicht, wenn beim Kandidaten die fachliche Eignung "offensichtlich fehlt". (Verwaltungsgericht Mainz, 7 K 510/07)

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