Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung:Mütter müssen in Vollzeit in den Job zurückkehren dürfen

Die Bundesregierung will das rechtlich verankern. Das ist wichtig, denn nicht jede Liebe hält ein Leben lang und: Geld verdienen ist nicht das Gegenteil von Kinderfürsorge.

Kommentar von Constanze von Bullion

Mehr als jede zweite Mutter in Deutschland arbeitet auch dann noch in Teilzeit, wenn ihr jüngstes Kind schon zwölf Jahre oder älter ist. Dann also, wenn viele Kinder ganz froh sind, wenn die Frau Mama auch mal weg ist, statt die Nase ins Hausaufgabenheft zu stecken.

In der EU dagegen ging nach Zahlen der Europäischen Kommission 2015 nicht einmal jede dritte berufstätige Mutter älterer Kinder nur einem Teilzeitjob nach. Sind Mütter in Deutschland also selbstloser? Pfeifen sie fürs Kind auf Karriere und Rente? Oder haben viele Dauerteilzeitmütter in Deutschland gar keine Aussicht mehr auf einen Vollzeitjob?

Die Fragen führen hinein ins Gestrüpp von Rollenbildern und der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Im europäischen Vergleich ist sie in Deutschland besonders groß. Die Bundesregierung will das ändern und nach Frauenquote und Lohngerechtigkeit nun ein drittes Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen: das Recht auf Rückkehr in Vollzeit. Endlich.

Es geht da genau gesagt um das Recht, eine Teilzeittätigkeit zu befristen und später - etwa, wenn Kinder größer sind - wieder zu beenden. Eltern, die einen Ganztagsjob aufgegeben haben, sollen so beruflich wieder durchstarten können. Aber auch, wer seinen alten Vater pflegt oder zeitweilig ein Ehrenamt übernimmt, soll für diese gesellschaftlich wertvolle Aufgabe nicht länger bestraft werden. Bisher hatte er kein Recht auf Rückkehr in Vollzeit. Künftig soll er oder sie einen gleichwertigen Ganztagsjob fordern können. Lehnt der Arbeitgeber ab, weil kein solcher Job frei sei, muss er das beweisen.

Zu viele Mütter bleiben in ihren Teilzeitjobs stecken

Wunder wird das Gesetz nicht bewirken, wenn es wie geplant nur für Betriebe mit mehr als 15 Mitarbeitern gilt. In Kleinunternehmen arbeiten besonders viele Frauen. Sie stellen laut Statistischem Bundesamt auch mehr als 90 Prozent der 4,2 Millionen Eltern in Deutschland, die in Teilzeit arbeiten. 15 Prozent von ihnen würden mehr arbeiten, aber können nicht.

Das Recht auf befristete Teilzeit ist ein Schritt auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit. Und natürlich blasen die Arbeitgeber schon zum Halali. Der Entwurf der "Nahles-Beamten" sei eine "Überdosis Bürokratie", ließ die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wissen. Gähn, möchte man da antworten. Das Bürokratie-Argument ist alt wie Methusalix und hat schon bei den letzten Gleichstellungsprojekten nicht recht gezogen.

Gerade die Arbeitgeber waren es doch, die im Streit um schlechtere Verdienste von Frauen immer tönten, es liege an den Frauen selbst. Sie arbeiteten halt zu oft in Teilzeit. Wenn Frauen - und auch den wenigen Männern, die für Kinder beruflich zurückstecken - jetzt der Weg zurück in Vollzeit geebnet wird, mit klaren Regeln, sollten Arbeitgeber mitanpacken. Oder für immer zum Thema Lohngerechtigkeit schweigen.

Geld verdienen ist nicht das Gegenteil von Fürsorge

All die Dauerteilzeitmütter in Deutschland aber und junge Frauen, die Familien planen, seien an zweierlei erinnert. Nicht jede Liebe hält ein Leben lang. Kommt es zur Trennung, zahlt jeder Partner wieder allein in den Rententopf. Und: Geldverdienen ist nicht das Gegenteil von Fürsorge. Wirtschaftsforscher haben errechnet, dass eine 28-jährige Mutter, die drei Jahre zu Hause bleibt und dann drei Jahre in Teilzeit arbeitet, schon bis zum 45. Geburtstag 180 000 Euro weniger verdient als eine Vollzeitverdienerin.

Sie holt sie nie wieder ein. Übers ganze Arbeitsleben verlieren Teilzeitbeschäftigte im Schnitt 350 000 Euro Einkommen und entsprechend Rente, rechnete die Familienministerin kürzlich vor. Blöde Zahlen? Kein Ersatz für kostbare Zeit mit Kindern? Stimmt. Aber wer heute Geld verdient, kann seine Kinder morgen erheblich entlasten: von der drückenden Verantwortung für Eltern, deren Rente nicht mal fürs Nötigste reicht.

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SZ vom 05.01.2017/vd/mane
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