Gewerkschaften:Unsichtbarer Auftraggeber

Gewerkschaften: Robert Fuß.

Robert Fuß.

(Foto: privat)

Eine von europäischen Gewerkschaften gegründete Ombudsstelle soll Clickworker vor Ausbeutung schützen.

Interview von Lea Weinmann

Seit drei Jahren können Solo-Selbständige der IG Metall beitreten. Die hat gemeinsam mit anderen europäischen Gewerkschaften die Plattform "Faircrowdwork" geschaffen und eine Ombudsstelle für Crowdworker eingerichtet. Gewerkschaftssekretär Robert Fuß vertritt die IG Metall in dem Gremium.

SZ: Herr Fuß, was ist das Ziel von "Faircrowdwork"?

Robert Fuß: Wenn Sie auf einer Crowdworking-Plattform unterwegs sind, werden Sie permanent bewertet: Der Auftraggeber vergibt Sterne, die Plattform prüft, ob alles funktioniert hat - Crowdworker sind also die ganze Zeit transparent. Sie wissen ihrerseits aber weder etwas über die Plattform, geschweige denn über die Auftraggeber. Wir wollten dieses Informationsungleichgewicht aufbrechen, indem wir die Plattformen nach einem Kriterienkatalog bewerten und einen Überblick über deren Seriosität bieten.

Crowdworker gelten als Selbständige. Laut EU-Kartellrecht dürfen sich Selbständige nicht zusammenschließen. Sehen Sie da Probleme in Bezug auf die Mitgliedschaft bei der IG Metall?

Das Kartellrecht verbietet ja nicht generell, dass sich Solo-Selbständige zusammenschließen. Sie dürfen allerdings ihre Arbeitsbedingungen nicht kollektiv verhandeln, so wie es Arbeitnehmer in Tarifverträgen tun. Das bestehende Recht geht von der Fiktion aus, dass nur Arbeitnehmer schutzbedürftig sind und Selbständige auf Augenhöhe mit Unternehmen agieren. Das ist bei Solo-Selbständigen aber nicht der Fall. Daher ist es absurd, dass ihnen verboten wird, sich zusammenzutun, um ihre Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Das Kartellrecht muss da dringend reformiert werden.

Neben der Plattform Faircrowdwork haben Sie noch eine Ombudsstelle geschaffen. Was hat es mit der auf sich?

Es gibt einen Code of Conduct, der 2015 ins Leben gerufen wurde. Das ist eine Selbstverpflichtung, die mittlerweile acht Plattformen unterschrieben haben. Darin steht auch, dass es eine unabhängige Stelle geben soll, die Streitigkeiten auf den Plattformen schlichtet - das ist heute die Ombudsstelle. Sie ist besetzt mit Vertretern der Plattformen und der Arbeitnehmer, auch der IG Metall. Die Vorsitzende ist eine Richterin am Frankfurter Arbeitsgericht. Im Internet können Crowdworker ein Beschwerdeformular ausfüllen. Wir versuchen die Fälle dann zu klären - als Schlichtungsorgan. Das ist aber beschränkt auf diese acht Plattformen, für andere Plattformen sind wir nicht zuständig.

Diese Ombudsstelle hat kürzlich ihren ersten Bericht vorgelegt. Darin ist von 30 Fällen seit November 2017 die Rede. Das sind ja nicht sonderlich viele ...

Dafür, dass es anfangs hieß, es gibt überhaupt keinen Streit und Bedarf, ist es schon relativ viel. Auf der anderen Seite ist es ein Indiz dafür, dass es auf diesen acht Plattformen doch relativ fair zugeht. Hinzu kommt: In den allermeisten Fällen war der Streitwert vergleichsweise gering. Dann ist die Frage: Setze ich mich für ein paar Euro hin und fülle noch mal ein Formular aus? Oder versuche ich in der Zeit lieber, neues Geld zu verdienen?

Welche Art von Beschwerdefällen hatten Sie in der Zeit?

Die Hauptkonstellation ist eine unklare Aufgabenbeschreibung: Der Crowdworker ist der Meinung, er hätte alles richtig gemacht, der Auftraggeber sieht das anders. Es handelt sich eigentlich immer um die Frage: War die Aufgabe hinreichend klar beschrieben? Ließ sie sich überhaupt so erledigen? Und hat der Crowdworker Anspruch auf die ganze oder einen Teil der Vergütung?

Man könnte ja auch sagen, es gab deshalb so wenige Fälle, weil die Crowdworker einfach nichts von dieser Ombudsstelle wissen.

Wir haben Öffentlichkeitsarbeit gemacht, etwa über das Internet. Die acht Plattformen haben die Einrichtung der Ombudsstelle ihrer Crowd mitgeteilt. Und es hat sich also durchaus herumgesprochen, das sehen wir schon als Erfolg. Von uns wusste keiner, ob wir im ersten Jahr gar keine Fälle haben würden oder tausend.

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