Süddeutsche Zeitung

Gewalt an Schulen:Wenn am Elternsprechtag Fäuste fliegen

Lesezeit: 2 min

Gewalt gegen Lehrer bekommt eine neue Dimension. Immer häufiger langen auch Eltern zu.

Als die Tasse flog, hatte Rüdiger Brandt genug. Sie zerschellte vor ihm auf dem Tisch und die Scherben verletzten den 49-Jährigen an der Hand, die er sich schützend vor das Gesicht gehalten hatte. Der Leiter einer Grundschule im hannoverschen Problemstadtteil Sahlkamp ist daran gewöhnt, dass ein rauer Umgangston zwischen Lehrern und Eltern herrscht. Als eine 27 Jahre alte Mutter aber in einer Auseinandersetzung um ihre zehnjährige Tochter eine Tasse nach ihm warf, war für Brandt eine Grenze überschritten.

"Schwierigkeiten mit Eltern und verbale Entgleisungen gibt es oft, da blicke ich großzügig drüber weg, aber Gewalt ist nicht akzeptabel", sagt er. 40 Prozent von Brandts Schülern kommen aus sozial schwachen Familien, auch die Mutter des zehnjährigen Mädchens gehört dazu.

Obwohl der Schulleiter Verständnis für die schwierige Lage der Familie hat, zeigte er die Frau an. "Das sollte in erster Linie Symbolkraft haben. Die Eltern haben schließlich Vorbildfunktion", sagt der Lehrer, der seit mehr als 20 Jahren im Schuldienst ist. Und: "Vor 20 Jahren hätte es diesen Vorfall so sicher nicht gegeben."

"Wir beobachten die gestiegene Gewaltbereitschaft Lehrkräften gegenüber seit Jahren", sagt die niedersächsische Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gitta Franke-Zöllmer. Besonders wenn es darum geht, welche weiterführende Schule den Kindern empfohlen wird, übten Eltern Druck auf die Lehrer aus.

Tätlichkeiten wie im Falle Brandts seien an Grundschulen zwar eher selten, an weiterführenden Schulen aber durchaus verbreitet. "An Gymnasien gibt es eher verbale Gewalt. Aber wer sich mit Worten nicht so ausdrücken kann, nimmt die Fäuste", sagt die VBE-Vorsitzende. "Da wird dann auch schon mal das Auto der Lehrkraft als Drohung demoliert. Besonders Lehrerinnen haben es schwer, wenn sie von Vätern bedrängt werden."

Die langjährige Vorsitzende des Bundeselternrates, Renate Hendricks, kennt das Problem. Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern habe einen viel zu geringen Stellenwert, findet sie. "Schule bestimmt immer mehr über die Chancen im Leben der Kinder. Es ist kein Wunder, dass Eltern regelrecht panisch werden, wenn auf dem Empfehlungsschreiben nicht 'Gymnasium' steht", sagt die Mutter von fünf Kindern.

Die 27-jährige Mutter ist in Hannover innerhalb von zwei Wochen die zweite, die wegen einer Attacke auf den Schulleiter ihres Kindes vor Gericht erscheinen musste. Zuvor war eine Türkin wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie den Schulleiter ihres Kindes ungerechtfertigt als Rassisten bezeichnet hatte.

Die 27-Jährige wurde wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Staatsanwaltschaft hatte zuvor gesagt: "Es geht hier darum, was Lehrer sich gefallen lassen müssen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.271274
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/Britta Schultejans
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.