Gewalt an Schulen:Mobbing, Missbrauch, Messerattacken

Ein 15-Jähriger, der Lehrer mit dem Kartenständer blutig schlägt, Amok-Drohungen, Messerattacken: Wie Lehrer der Gewalt an Schulen begegnen.

Ein 15-jähriger Schüler in Berlin schlägt seinem Rektor mit einem Kartenständer den Kopf blutig. Zwei Schülerinnen drohen ihrer Erfurter Gesamtschule einen Amok-Lauf an. In Frankfurt werden drei 14 Jahre alte Schüler von einer Gruppe älterer Jugendlicher auf offener Straße überfallen und beraubt.

Gewalt an Schulen: Prügelei auf dem Schulhof: Der Markt der Projekte, der Schüler davor schützen soll, Opfer von Erpressung, körperlicher Gewalt, Mobbing und sexueller Belästigung zu werden, ist unübersichtlich.

Prügelei auf dem Schulhof: Der Markt der Projekte, der Schüler davor schützen soll, Opfer von Erpressung, körperlicher Gewalt, Mobbing und sexueller Belästigung zu werden, ist unübersichtlich.

(Foto: Foto: dpa)

Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche hat Konjunktur. Fälle wie diese zeigen den Bedarf. Der Markt der Projekte, der Schüler davor schützen soll, Opfer von Erpressung, körperlicher Gewalt, Mobbing und sexueller Belästigung zu werden, ist bunt - und schier unübersichtlich. Die Angebote reichen von Vorträgen und Seminaren über Rollenspiele und Selbstverteidigung bis zu langfristig angelegten Programmen ganzer Schulgemeinden. Nicht immer beteiligen sich die Lehrer daran.

Manche Schule ist nur Veranstaltungsort für kommerzielle externe Anbieter, die besorgte Eltern ausgesucht haben. "Jeder kann etwas anpreisen, und nicht bei allem, wo 'Prävention' drauf steht, ist auch 'Prävention' drin", sagt der Kriminologe Rudolf Egg aus Wiesbaden.

Angstmache "vor der bösen Welt"

Zur Orientierung im Angebots-Dschungel bieten Fachleute Rat und neutrale Kriterien an. Der behutsame Umgang mit Kindern sei in der Gewaltprävention wichtig, sagt Paula Honkanen-Schaberth vom Kinderschutzbund in Berlin. Aggressives Training und Angstmache "vor der bösen Welt" seien der falsche Weg. Das Selbstwertgefühl und die Wahrnehmung der Kinder solle gestärkt werden. Sie müssten lernen, auf ihre Gefühle zu achten und herausfinden, mit wem sie vertrauensvoll reden könnten.

"Sexueller Missbrauch findet immer noch in erster Linie im sozialen Nahbereich statt." Unter dem Titel "Komm, wir finden eine Lösung!" bietet der Kinderschutzbund selbst Training für Schüler an.

"Grundsätzlich ist es gut, wenn sich Eltern und Lehrer mit dem Thema befassen", betont der Geschäftsführer des von der hessischen Landesregierung ins Leben gerufenen "Netzwerkes gegen Gewalt", Marco Weller. Er nennt vor allem die Nachhaltigkeit eines Programms und dessen Evaluation (Beurteilung) von außen als wichtige Kriterien. Ein Angebot, das für einen Nachmittag in der Schule eingekauft werde, sei mit Vorsicht zu genießen: "Man erzieht kein Kind und keinen Jugendlichen, wenn das nur einmal zum Thema gemacht wird." Gute Aussichten auf Erfolge hätten Programme, die mit Unterricht für Eltern und Fortbildung für Lehrer verknüpft würden.

Auf der nächsten Seite: Warum aggressive Kinder nicht nur ein Problem der Familien, sondern auch der Schulen und Lehrer sein sollten.

Mobbing, Missbrauch, Messerattacken

Konkurrenz und Selektion

Einen koordinierten Ansatz, der Schüler, Eltern, Lehrer und Schulstrukturen einbezieht, propagiert auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zur "besten Vorbeugung gegen alle Formen von Gewalt" gehören nach Auffassung der stellvertretenden GEW- Bundesvorsitzenden Marianne Demmer: ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägtes Schulklima, Kooperation und Förderung statt Konkurrenz und Selektion. "Will man dauerhaft gelingende Gewaltprävention, braucht man Schulentwicklung", sagt Wolfgang Kahl vom Deutschen Forum KriminalPrävention in Bonn.

Die Schulleiter für das Thema zu gewinnen sei entscheidend, sagt Weller. "Sie müssen erkennen, dass Gewaltprävention Lebenskompetenz ist. Und dafür ist die Schule zuständig." Allerdings hätten auch manche Schüler Schwierigkeiten damit, wenn ihre Lehrer nicht mehr nur für Lesen, Schreiben und Rechnen zuständig seien.

Gute Erfahrungen gibt es in Hessen mit "Prävention im Team" (PiT), einem Programm zur Gewaltvorbeugung von Polizei, Schule und Jugendhilfe, das sich an die Opfer richtet und Jugendlichen vor allem mit Rollenspielen zeigt, wie sie bedrohlichen Situationen aus dem Weg gehen können.

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