Mit dieser Ankündigung löst Manuel Vermeer bei seinen Zuhörern zuverlässig Heiterkeit aus: "Chinesisch ist eine der leichtesten Sprachen der Welt." Um dann einzuschränken: "Auf einem extrem niedrigen Niveau gesprochen." Und natürlich sei es eine der schwersten Sprachen, wenn man sie auf einem hohen Niveau sprechen wolle. Doch darum kann es im zweitägigen Workshop Intensivsprachkurs Chinesisch, veranstaltet vom Chinaforum Bayern in München, nicht gehen. Ziel sei es vielmehr, sich positiv in der Wertschätzung der chinesischen Geschäftspartner in Erinnerung zu bringen. Dies gelinge, indem man ein paar Höflichkeiten austauschen könne, sich vielleicht einen chinesischen Namen zulege, einen Trinkspruch oder eine kleine Tischrede halten könne. Und das, verspricht Vermeer, sei in zwei Tagen zu schaffen.
Die Kursteilnehmer haben China schon kennengelernt. Sie arbeiten bei Weltkonzernen oder Mittelständlern, in Anwaltskanzleien, Ministerien, Agenturen oder in der Hotelbranche. Und sie wissen bereits, dass die Höflichkeiten, die man gerne austauschen würde, oft nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Anscheinend gibt es viele Missverständnisse und Stolperfallen in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Darum bringen sie eine Menge Fragen mit, die der Chinaexperte Vermeer beantworten soll. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie fest entschlossen, den Referenten beim Wort und nach zwei Tagen eine fertige Tischrede mit nach Hause zu nehmen.
Vermeer ist Sinologe, hat in China studiert und war anschließend als Simultandolmetscher bei deutsch-chinesischen Staatsbesuchen unter anderem für Helmut Kohl oder Lothar Späth tätig. Seit 1988 lehrt er an verschiedenen Hochschulen, etwa am Ostasieninstitut der Hochschule Ludwigshafen. Zudem berät er Unternehmen bei ihrem China-Geschäft. Mehrmals im Monat fliegt er für Kunden nach China. Oft wird er gerufen, wenn Gespräche ins Stocken geraten oder bereits etwas schiefgelaufen ist. Der geplatzte Verkauf des Flughafens Frankfurt/Hahn an einen chinesischen Interessenten? Für ihn eine sträfliche, wenngleich gar nicht so seltene Mischung aus Blauäugigkeit und schlechter Vorbereitung vonseiten der Deutschen. Er kennt die Mentalität der Menschen im Reich der Mitte - und er weiß, wie stark sich deren Denkweise von der westlichen unterscheidet.
So streut Vermeer zwischen seine Sprachlektionen immer wieder Wissenswertes ein - etwa zur Farbsymbolik: Rot verheißt Glück und Wohlstand, Gold ist die Farbe des Kaisers. Demnach ist ein Geschenk, in rotes Papier verpackt und mit einer goldenen Schleife, bereits vor dem Auspacken ein Volltreffer. Und wenn dann noch ein guter Rotwein drin ist, kann fast nichts mehr schiefgehen. Man lernt sehr schnell: Sprache und Kultur sind in China zwei Seiten derselben Medaille. Dieser Sprachkurs ist zugleich ein interkulturelles Training.
Nun aber zur Sprache: Gelehrt werden einige leicht kombinierbare Module Mandarin, der chinesischen Hochsprache. Es versteht sich von selbst, dass man bei 30 000 bis 40 000 chinesischen Schriftzeichen besser auf die phonetische Umschrift zurückgreift. Vier Tonhöhen gilt es zu unterscheiden und in der Aussprache zu beherrschen, denn beispielsweise die Silbe "ma" kann je nach Betonung Mama, Stroh, Pferd oder schimpfen heißen.
"Vierhundert Silben, vier Töne - und Sie können Chinesisch", sagt Vermeer lakonisch, denn auch die Grammatik sei eine der leichtesten der Welt: keine Konjugationen, keine Beugungen, kein Konjunktiv, keine Temporalformen, kein Du, kein Sie. So simpel? Es geht also los. Man beginnt, nach dem Schema Subjekt-Prädikat-Objekt einfache Sätze zu formen, Chinesisch im Baukastensystem gewissermaßen. Das Ergebnis sei aber keineswegs eine primitive Pidgin-Sprache, erläutert der Referent. "Damit lassen sich Tausende korrekte chinesische Sätze bilden."
So lernt man nun, Sätze wie "Ich trinke Bier" oder "Chinesisches Bier ist sehr gut" zu bauen - für eine Tischrede ja durchaus nützliche Wendungen. Aber schon bei der Verneinung wird es heikel. Man kann nicht einfach sagen "Ich trinke kein Bier", noch weniger kann man chinesisches Bier ablehnen. Hier verlässt man schon wieder die Sprachebene und landet auf der kulturellen Ebene: Männer entkommen dem Bier, dem Reisschnaps oder dem Wein bei gesellschaftlichen Anlässen praktisch nicht - Frauen können da noch eher einen Rückzieher machen.
Prinzipiell aber gilt: Eine Ablehnung sollte stets höflich umschrieben werden, ein nacktes Nein ist in jedem Kontext ein Affront. Nicht nur, wenn es ums Trinken und die Geselligkeit geht, sondern ganz besonders im geschäftlichen Umgang, in Verhandlungen. Denn ein Gesichtsverlust beim Gegenüber ist der schlimmste Fauxpas, der einem unterlaufen kann. Eine Regel, welche die an Geradlinigkeit und Effizienz orientierten deutschen Verhandlungspartner unbedingt beherzigen sollten. "Statt Nein würden Chinesen sagen: Wir denken darüber nach. Übersetzt heißt das dann: Vergiss es", erklärt Vermeer.
Schon am Ende des ersten Tages hält jeder Teilnehmer tapfer seine erste Rede. Am Tag zwei geht es an die Feinheiten - und es ist sogar noch Zeit, eine Weisheit von Kongzi oder Meister Kong, wie Konfuzius auf Chinesisch heißt, einzubauen. Etwa den Spruch: Wenn Freunde von weither kommen, ist das nicht eine Freude? "Überraschen Sie die Chinesen, die werden begeistert sein." Ein paar Brocken Chinesisch als Tür- und Herzensöffner - das bewirke mehr als das Mantra von der hohen Qualität deutscher Produkte. Die setze man in China mittlerweile voraus.
Ein Teilnehmer aus der Automobilzulieferbranche sagt am Ende: "Als Techniker bin ich ja eher sprachlich unbegabt. Ich hätte nicht gedacht, das ich in zwei Tagen so weit kommen würde." Vermeer antwortet schlicht: "Alles, was Sie bisher vorgetragen haben, hätten eine Milliarde Chinesen verstanden." Xiè xiè, Meister Vermeer!
Das Seminar kostete 550 Euro plus 30 Euro Verpflegungspauschale, www.chinaforumbayern.de