Generation Y:Anspruchsvoll, überheblich und mit Feuereifer bei der Arbeit

Generation Y: Noch nie waren sich zwei Generationen so fremd wie die Bestimmer von heute und die von morgen.

Noch nie waren sich zwei Generationen so fremd wie die Bestimmer von heute und die von morgen.

(Foto: Albert Van Rosendaal)

Berufsanfänger wissen, wie begehrt sie sind. Doch ihr Selbstbewusstsein geht manchen Vorgesetzten auf die Nerven:

Von Christine Demmer

Führungskräfte geraten gern ins Schwärmen, wenn sie auf ihre jungen Mitarbeiter angesprochen werden. Die seien so herrlich selbstbewusst, erfrischend respektlos, mit Feuereifer bei der Arbeit. Und sie könnten ja auch was. Man gebe ihnen nur eine halbwegs wichtige Aufgabe, ein paar gleichaltrige Kollegen und einen jugendlichen Manager als Mentor. Dann würden sie nächtelang Konzepte wälzen und nach ein paar Tagen mit einer vierzigseitigen Präsentation ankommen. Und die Führungskraft sagt mit wohlwollender Miene: "Vielen Dank. Ich schau's mir an."

Beim Chef zu Hause wird die Geschichte so zu Ende erzählt: "Der ließ nicht locker, bevor ich einen Blick auf die Zusammenfassung geworfen hatte. Dachte wohl, ich lese das sofort, und war auf ein Schulterklopfen aus. Hat er sich aber geschnitten." Wüsste das der Assistent, Associate oder Junior Analyst, dann würde er am Abend nicht stolz berichten: "Der war baff, als ich mit unserem Paper kam. Damit hatte er wohl nicht so schnell gerechnet. Konnte kaum abwarten, dass ich aus der Tür war, um reinzuschauen."

Noch nie waren sich zwei Generationen so fremd wie die Bestimmer von heute und die von morgen. Groß geworden in den Sechzigerjahren des Baby Booms und den Siebzigern der Generation Golf, sitzen die Alten heute an dem Hebel der Macht, nach dem die Jungen ebenso unbekümmert wie fordernd die Hand ausstrecken. Heutige Chefs haben sich den von ihren Vorgängern planierten Karrierewegen angepasst. Die von morgen wollen sich ihren eigenen Weg bahnen. Sie wissen, dass sie wenige sind und dass sie gebraucht werden.

Verständlich, dass sie auftrumpfen. Doch damit tun sich viele Führungskräfte schwer. "Da prallen zwei ungleich sozialisierte Kulturen aufeinander", sagt Erwin Lebon, Director Human Resources bei General Electric Europe. "Die Jungen können Ansprüche stellen - und sie tun es auch."

Die Manager loben das Selbstbewusstsein des Führungsnachwuchses über den Klee. Aber in Wahrheit halten viele sie für überheblich. Nur trauen sie sich nicht, das zu sagen - weil es politisch nicht korrekt ist, weil man die heiß Umworbenen nicht verprellen will, weil man sie selbst, die zukünftigen Vorgänger, sonst zum alten Eisen rechnen könnte. Kritik kommt deshalb oft als Lob verpackt daher.

"Wir bieten einen Job - und sie wollen eine Herausforderung"

"Wir haben heute jüngere und noch nicht so tief ausgeformte Kandidaten", sagt Thomas Belker, Vorstandssprecher und oberster Personaler beim Versicherungskonzern Talanx in Hannover. "Es ist doch klar, dass die noch nicht so festgelegt sind, zum Beispiel auf ihren zukünftigen Arbeitsbereich oder eine bestimmte Aufgabe im Unternehmen. Die Unsicherheit, die vielen Nachfragen - das ist kein Desinteresse." Er sei zufrieden mit der jungen Generation. "Aber wir müssen sie verstehen lernen und uns darauf einstellen. Denn ändern können wir es nicht."

Man könne natürlich darüber klagen, dass früher alles besser war. Damit verändere man aber nichts, meint Belker. Die Integration der Jungen sei eine Riesenumstellung für die Arbeit des Personalers, der ja gar nicht die Ressourcen habe und erst beim CEO betteln müsse. Belker ist CEO, er muss nicht fragen. "Wir ziehen uns den Schuh selbst an", sagt der Talanx-Manager. "Das macht uns im ersten Moment mehr Arbeit, aber dafür bekommen wir auch einen Gegenwert: Menschen, die kein angepasstes Verhalten an den Tag legen und die frei heraus fragen nach Hintergrund und Sinn."

Für die Jungen sei es heute normal, Werturteile offen auszusprechen. Sogar im Vorstellungsgespräch haken sie nach, Belker hat dafür Beispiele parat: "Engagiert sich Ihre Organisation beim Thema Klimawandel und für die Gesundheitsförderung Ihrer Mitarbeiter? Wie gehen Sie in dem und dem Land vor, und warum tun Sie das? Warum handelt die Firma so, wie sie handelt?" Vor 30 Jahren hat das kaum ein Bewerber gewagt.

Aus Sicht seiner Generation, sagt der 55-jährige Personalvorstand, stellten die Jungen auch enorme Ansprüche. "Aber das ist für die selbstverständlich. Die Frage lautet also: Wie können wir die Eigenschaften der Jungen in unsere Organisation einbauen, ohne die bestehende Struktur zu überfordern?" Was übersetzt heißt: Ohne die amtierenden Führungskräfte aus der Fassung zu bringen. "Viele ältere Mitarbeiter freuen sich auf den Austausch mit den Jungen, weil sie den Dialog als Chance sehen. Manche sagen aber auch ganz offen: Wieso soll ein Junger so schnell direkten Einfluss nehmen können, während wir viele Jahre dafür kämpfen mussten?"

Der Arbeitsmarkt, sagt Erwin Lebon, spiele den jungen Mitarbeitern in die Karten. "Ingenieure zum Beispiel können sich künftig aussuchen, wo sie arbeiten wollen." Steckt hinter der Missbilligung des forschen Auftretens der Jungen etwa blanker Neid? "Möglich", sagt Lebon. "Wir bieten einen Job, und sie wollen eine Herausforderung." Das könne man ihnen freilich nicht zum Vorwurf machen. "Da müssen wir selbst ran und uns anpassen."

Doch auch Verständnis ist begrenzt. Der Personalchef wundert sich, wie schnell es dem Nachwuchs im Job langweilig wird. "Nach drei Jahren im Konzern bewerben sie sich woanders mit dem Argument, bei uns hätten sie schon alles gesehen." Oder Sozialkompetenzen, die vermisse er bei vielen, sagt Lebon: "Zuverlässig sein, vertrauenswürdig sein, Prioritäten setzen können. Alles ganz wichtig, fällt aber trotzdem oft hinten runter." Lebon mag den Gesprächsverlauf, er fühlt sich verstanden. Nun müssen nur noch die Jungen verstehen, warum.

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