Wie viel Geld ein Mensch im Lauf seines Lebens verdient und wie weit er in Unternehmenshierarchien aufsteigt, entscheidet sich maßgeblich zu Beginn der Karriere. "Ab 40 wird es schwieriger, eine Gehaltserhöhung zu bekommen", sagt Karriereberaterin Regina Lindner. Mehr Geld lässt sich nämlich vor allem dann rausholen, wenn neu verhandelt wird: Bei Wechseln des Arbeitgebers, der Position oder des Standortes zum Beispiel. Und die sind vor allem für die ersten Berufsjahre typisch, in denen sich die Einsteiger ausprobieren, orientieren und beweisen wollen.
Allerdings - das zeigt eine Studie zur Gleichberechtigung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) - nutzen Männer diese Möglichkeit häufiger als Frauen. Die Studie bescheinigt Frauen "stabilere Karrieren", so lange sie jung sind. Der positive Schein trügt: Sicherheit und Loyalität sind zwar gut, aber keine Erfolgsstrategie für Berufseinsteiger. Wenn sich Frauen in den ersten Berufsjahren beruflich verändern, so die Studie, treten sie meist zurück. Sie reduzieren die Arbeitszeit oder steigen vorübergehend aus dem Berufsleben aus. Männer hingegen klettern höher, weiter - und riskieren auch mal, daneben zu greifen.
Einen Teil der Erklärung liefert die Studie gleich mit: Frauen sind jünger, wenn sie eine Partnerschaft eingehen und ihr erstes Kind bekommen. Während in Deutschland fast 30 Prozent der Frauen zwischen 25 und 29 bereits ein Kind bekommen haben, trifft das nur auf knapp 12 Prozent der Männer zu. So niedrig ist die Väterquote in dieser Altersgruppe nur in wenigen anderen Ländern. Selbst wenn Paare sich die Familienarbeit teilen, bleibt Frauen zuvor also weit weniger Zeit, in der sie sich ausschließlich auf die Karriere konzentrieren und ihr Gehalt steigern können.
Möglicherweise richten viele Frauen sogar schon deutlich vor der ersten Schwangerschaft nicht mehr alles auf den beruflichen Erfolg aus. Denn ein Arbeitsplatzwechsel bedeutet auch eine neue Probezeit, möglicherweise ein befristetes Vertragsverhältnis, auf jeden Fall aber die Unsicherheit, wie sich das neue Umfeld anfühlt und wie die Zusammenarbeit mit den Kollegen gelingt; eine Zeit der Selbständigkeit, eine Projekttätigkeit oder die Mitarbeit an einem Startup birgen darüber hinaus finanzielle Risiken. Eine Festanstellung mit umfassendem Mutterschutz - wenn auch schlechter bezahlt - hat dagegen durchaus ihre Vorzüge.
Die geringere Jobmobilität allein auf weibliche Risikominimierung und die häufig berichtete Zögerlichkeit bei Bewerbungen auf höhere Positionen zurückzuführen, wäre aber wohl auch ungerecht. Dass Frauen im Bewerbungsgespräch auf die Frage nach der Familienplanung lügen dürfen, schafft auf Seiten der Arbeitgeber kein Vertrauen. Eine kinderlose Frau um die 30 einzustellen, ist aus ihrer Sicht ein Glücksspiel - allerdings eines, auf das sie sich immer häufiger einlassen müssten, sagt Job-Expertin Regina Lindner: "Aufgrund des demographischen Wandels können Unternehmen auf Frauen nicht mehr verzichten. Das sollten sie nutzen."
Als Coach für die Frauenkarriereberatung Hunting/Her hat sich Lindner auf die Themen Babypause und Wiedereinstieg spezialisiert. Dass eine Schwangerschaft nicht planbar ist wie ein Gap Year und manchmal alles anders kommt, weiß sie natürlich auch.
So lange das Kind nicht unterwegs oder zumindest unmittelbar gewünscht sei, sollten sich Frauen auch nicht so verhalten, als ob, rät sie gerade deshalb immer wieder. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Sicherheitsstarre ungeplant hinauszögere, am Ende vielleicht gar umsonst gewesen sei: "Auch wenn Sie jetzt denken, dass in fünf Jahren der richtige Zeitpunkt für ein Kind wäre, wissen Sie doch nicht, ob Sie sich dann tatsächlich bereit fühlen und wie ihre persönliche Situation dann ist", sagt Lindner. Der Fokus sollte deshalb weiter die Karriere sein, empfiehlt sie: "Schauen Sie, wie Sie sich weiterentwickeln können, ob sich andere Jobangebote oder ein Karrieresprung ergeben und dadurch ein höheres Gehalt möglich wird."
Wer die Phase des Probierens und Beweisens auf später verschiebt, wird selten belohnt. Während verschiedene Projekte und Auslandsstationen junge Bewerber attraktiv machen, würden ältere Kandidaten mit hoher Wechselfrequenz schnell als Jobhopper wahrgenommen, sagt Regina Lindner - also als Menschen, bei denen man sich nicht sicher sein kann, ob die Einarbeitung überhaupt lohnt. Ihr Gehalt könnten in der Regel nur Berufstätige steigern, die schon die ein oder andere Stufe genommen haben: vor allem also Männer in Führungspositionen.
Sich gezielt zu bewerben, bis sich der Embryo im Ultraschall rekelt, so weit will Regina Lindner mit ihrem Rat aber dann doch nicht gehen: "Nicht nur für den Arbeitgeber, auch für die Frau ist es gut, wenn Sie sich vor einer Auszeit eingearbeitet, erste Erfolge generiert und sich ein Netzwerk geschaffen hat", sagt sie. Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für Schwangerschaft und Geburt kann sie nicht beantworten, das sei - alle persönlichen Wünsche einmal ausgeblendet - auch von Branche zu Branche verschieden.
Wenn das Kind da ist - auch das lässt sich an den Daten der OECD ablesen - erlauben die aktuellen Bedingungen aufstiegswilligen Frauen keine längere berufliche Auszeit. "Mütter mit Karriereabsichten sollten möglichst schnell wieder zurückkehren, damit sie nicht unter ihrem Qualifikationsniveau wieder einsteigen müssen", sagt auch Lindner. Einkommensperspektiven würden mit der Dauer der Abwesenheit zudem enorm sinken.
Damit der Wiedereinstieg gelingt, rät die Frauen-Karriereberaterin zu akribischer und partnerschaftlicher Planung, sobald der Kinderwunsch umgesetzt werden soll: "Wie bekommen wir das hin? Gibt es einen Betriebskindergarten? Können die Großeltern einspringen? Brauchen wir eine Tagesmutter oder ein Au-Pair?", zählt sie Möglichkeiten auf, die werdende Eltern prüfen sollten.
Zu oft entscheidet das Gehalt über Schreib- oder Wickeltisch
Dass eine Erwerbsunterbrechung zugunsten eigener Kinder die Karriere bremst, gilt für Männer genau wie für Frauen. Interessant ist vor diesem Hintergrund eine Statistik des Bundesfamilienministeriums: Unter den Vätern, die Elterngeldmonate nutzen, reduzieren vor allem diejenigen ihre Arbeitszeit, die über 40 Jahre alt sind. Dass sie beruflich erst zurücktreten, wenn es ihrer Karriere nicht mehr schaden kann, ließe sich als Egoismus auslegen. Es ist vielleicht aber auch schlicht ein Beweis dafür, dass sie sich bis zu eben diesem Alter eine Position erarbeiten konnten, die eine Auszeit ohne Verlust von Ansehen und Entwicklungschancen ermöglicht - und mit Blick auf die OECD-Statistik zum unterschiedlichen Alter bei der Geburt des ersten Kindes und den Erkenntnissen zur Gehaltsentwicklung eine interessante Familienstrategie.
Denn für viele Paare ist das jeweilige Einkommen ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, wer das Geldverdienen und wer das Wickeln übernimmt. Weil der Job des Mannes die Familie meist besser ernährt, beschließen sie vermeintlich rational, dass die Frau Zuhause bleibt. Ihre Karriere ist das augenscheinlich geringere Opfer für die Familie, wenn das Einkommen unabhängig vom Verdiener geteilt wird. Das mag jedoch zu kurzfristig gedacht sein, wenn der Frau dadurch auf lange Sicht Gehaltssteigerungen verwehrt bleiben. Ein strategisch guter Zeitpunkt für die Geburt des ersten Kindes wäre demnach nicht ein bestimmtes Alter der Mutter, sondern dann, wenn der Vater etwa 40 Jahre alt ist - gemeinsame ökonomische Präferenzen vorausgesetzt.