Geisteswissenschaftler im Management:Konsequente Kurskorrektur

Literaturarchiv Marbach

Ein geisteswissenschaftliches Studium allein reicht häufig nicht aus, um einen guten Job zu bekommen. Wer zusätzlich über Wirtschaftswissen verfügt, hat bessere Chancen.

(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Der Anteil von Geisteswissenschaftlern an den Business Schools liegt bei nur fünf Prozent - bald dürften es mehr werden.

Von Benjamin Haerdle

Cash flow, Return on investment, Key account management - für viele Absolventen der Geisteswissenschaften sind das Begriffe, die in ihrem beruflichen Leben keine Rolle spielen. Bei Felix Kitschke ist das anders: Der 33-Jährige arbeitet seit 1. März als Area Sales Manager im Außendienst einer Firma in Hessen, die industrielle Markiersysteme etwa für Stahlträger, Autoreifen und Verpackungen produziert. Der Japanologe, der 2010 seinen Abschluss an der Universität Frankfurt machte, ist dort für die asiatischen Vertriebspartner und damit beispielsweise für die gemeinsame Markt- und Produktstrategie und länderübergreifende Kooperationen zuständig. "Meine Sprachkenntnisse und meine kulturellen Erfahrungen mit Japan und anderen Ländern Asiens waren sicher wichtig, sodass ich den Job bekommen habe", sagt er. Ausschlaggebend könnte aber auch sein Wirtschafts-Knowhow gewesen sein: Kitschke hat seit September 2015 einen MBA der Mannheim Business School (MBS) in der Tasche.

Schon während des Studiums geknüpfte Kontakte zu Firmen helfen beim Karrierestart

Geisteswissenschaftler wie Kitschke sind an Deutschlands Managerschulen fast so etwas wie Exoten. An der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin liegt ihr Prozentsatz bei circa sechs Prozent, an der MBS bei etwa fünf Prozent pro Jahrgang. Die Entscheidung für den MBA kann verschiedene Gründe haben. "Viele Geisteswissenschaftler entwickeln im Berufsalltag ein Interesse für Wirtschaftsthemen oder merken, dass sie ihre Kenntnisse in diesem Bereich deutlich vertiefen müssen, um Karriere zu machen", sagt Regina Lübben, Leiterin des Bereichs Career Development an der MBS. Schließlich stünden sie in Unternehmen in Konkurrenz zu Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaftlern oder Juristen. Mehr als drei Jahre arbeitete Kitschke nach dem Uniabschluss in Japan, unter anderem als Unternehmensberater. "Ich habe gemerkt, dass für höhere Positionen nachgewiesene wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse notwendig sind", sagt er. 2014 zog es ihn zurück nach Deutschland, da er sich beruflich umorientieren und zugleich fehlendes Businesswissen in Form eines MBA aneignen wollte.

Einen beruflichen Neustart peilt auch Pamela Ong an. Die studierte Politik- und Literaturwissenschaftlerin, die bis Ende 2015 als Diplomatin an der Botschaft Singapurs in Berlin angestellt war, macht seit Januar einen MBA an der ESMT. "Meine Interessen haben sich verändert", sagt sie. Statt sich wie bisher mit Politik und Wirtschaft im deutsch-europäisch-asiatischen Umfeld zu beschäftigen, will sie sich künftig mit Finanzen, Rechnungswesen und Controlling befassen. Das Berufsziel: Unternehmensberaterin oder Beraterin mit Schwerpunkt Innovation und Technologie. Ihre Wissenslücken in den Wirtschaftswissenschaften will sie nun schließen, obwohl das Lernen und das Aufholen des Stoffes anstrengend sind. "Die Vorteile des MBA überwiegen", sagt sie. An der ESMT könne sie ein gutes Netzwerk mit Kommilitonen, Alumni und Unternehmen knüpfen. Zudem gebe es parallel zum Studium Karriereworkshops und Bewerbungstrainings. Dies alles soll nach dem MBA beim Karrierestart helfen.

Tatsächlich ist die Flexibilität, wie sie etwa die 30-jährige Ong an den Tag legt, notwendig für Geisteswissenschaftler. Diese sei wichtig, um sich erfolgreich am Arbeitsmarkt etablieren zu können, heißt es in einem Arbeitsmarktbericht für Akademiker der Bundesagentur für Arbeit von 2015. Zwar habe sich die Lage für Geisteswissenschaftler insgesamt positiv entwickelt, aber "angesichts hoher Konkurrenz gelingt es nur einem Teil der Absolventen, einen Arbeitsplatz in einem studienadäquaten Tätigkeitsfeld zu finden." Nur jeder zweite von ihnen übt demnach eine Tätigkeit aus, die dem Studium voll entspricht.

Auch Unis bieten wirtschaftlich orientierte Kurse - etwa zum Thema Business Englisch

Doch nicht jeder, der sich Business-Know-how aneignen will, kann sich die MBA-Gebühren leisten, die in der Regel eine fünfstellige Höhe erreichen. Geisteswissenschaftler können deshalb an Hochschulen spezielle Kurse besuchen. An der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München bietet das Karrierecenter "Student und Arbeitsmarkt" Seminare zu betriebswirtschaftlichen Grundlagen, Business Englisch, Verhandlungstraining oder Projektmanagement an. "Der Hochschulabschluss allein reicht in den Geisteswissenschaften nicht mehr aus", sagt Dirk Erfurth, Leiter des Karrierecenters. Dies sei nur die Minimalvoraussetzung, um später passable Chancen auf dem Akademiker-Arbeitsmarkt zu haben. Für Geistes- und Sozialwissenschaftler seien zumeist Praxiserfahrung und Persönlichkeit entscheidend. Beides will die LMU bereits während des Studiums fördern. "Wir appellieren frühzeitig an Studierende, sich rechtzeitig um solche Kenntnisse zu kümmern, um gute Perspektiven für die Zeit nach der Universität zu bekommen." Die Geisteswissenschaftler müssten weit über den Tellerrand hinausschauen, um einen Job zu bekommen, der ihrer akademischen Ausbildung angemessen sei. An der LMU scheinen das Studenten erkannt zu haben - viele Kurse sind ausgebucht.

Daniel Weninger hat den Karrieresprung schon hinter sich. Der Theologe ging im Jahr 2002 nach dem Studium zu einem christlichen Jugendwerk, wo er fünf Jahre lang als Verleger und Redakteur für eine Zeitschrift sowie als Bildungsreferent arbeitete. "Verantwortung übernehmen, gestalten und unternehmerische Fragestellungen interessierten mich, das habe ich damals gemerkt", sagt er. Dennoch ging er danach erst mal den herkömmlichen Weg, arbeitete in einer kleinen Kirchengemeinde als Gemeindereferent, predigte, gab Bibelstunden, merkte aber rasch, dass ihm die unternehmerische Arbeit fehlte. Mit seinem Schwager bekam er 2009 die Gelegenheit eine Firma aufzubauen, die Lebensmittel, Kosmetik- und Haushaltsartikel nach Südamerika exportiert. Die Chance nutzte er, machte noch einen MBA an der Otto Beisheim School of Management (WHU), welche in Vallendar/Koblenz und in Düsseldorf ansässig ist. Heute ist Weninger Geschäftsführer der Firma, die mittlerweile zehn Mitarbeiter hat. "Hätte ich nur Betriebswirtschaftslehre studiert, würde mir etwas fehlen. Sich mit anderen Dingen wie Spiritualität oder Vergänglichkeit beschäftigt zu haben, tat mir gut", sagt Weninger, der sich ehrenamtlich weiterhin in der Kirche engagiert.

Japanologe Kitschke ist optimistisch, dass sich seine Investition in den MBA auszahlen wird. Die ersten Eindrücke seiner neuen Arbeit sind positiv: "Mein jetziger Job trifft sehr genau, was ich in meinem Beruf eigentlich machen will."

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