Gehalts-Studie:Angst vor dem Abstieg

Ein Drittel aller Berufstätigen fühlt sich ungerecht bezahlt. Besonders in der Mittelschicht paart sich der Unmut über das Gehalt mit der Furcht vorm sozialen Abstieg.

Felix Berth

Die Deutschen empfinden ihre Einkommen immer häufiger als ungerecht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die am Mittwoch vorgestellt wird. Danach hielt im Jahr 2007 ein Drittel der Erwerbstätigen das eigene Gehalt für unangemessen niedrig. Zwei Jahre zuvor tat dies nur ein Viertel der Befragten.

Gehalts-Studie: Vor allem bei Berufstätigen mit mittleren und höheren Verdiensten wächst laut DIW die Unzufriedenheit mit der Entlohnung.

Vor allem bei Berufstätigen mit mittleren und höheren Verdiensten wächst laut DIW die Unzufriedenheit mit der Entlohnung.

(Foto: Foto: dpa)

Die Unzufriedenheit wächst laut DIW am stärksten bei Menschen mit mittleren und höheren Verdiensten. So erklärten im Jahr 2005 noch 21 Prozent der Erwerbstätigen mit monatlichen Brutto-Einkommen von 3000 Euro, unzufrieden mit dem eigenen Gehalt zu sein. Zwei Jahre später war die Gruppe deutlich größer: Nun hielten 36 Prozent ihre Entlohnung für unangemessen niedrig.

"Offensichtlich breitet sich das Gefühl, ungerecht bezahlt zu werden, in der Mittelschicht aus", sagt Jürgen Schupp vom DIW, der mit Stefan Liebig von der Universität Duisburg die Daten des repräsentativen "Sozio-ökonomischen Panels" ausgewertet hat. Am unteren Ende der Gehaltsskala ist das Gefühl, ungerecht bezahlt zu werden, zwischen 2005 und 2007 demnach nicht weiter gewachsen.

Es war allerdings bei Geringverdienern schon im Jahr 2005 sehr weit verbreitet: Die Hälfte der Menschen, die weniger als 1000 Euro monatlich verdienten, hielt dies für unangemessen niedrig. Bei den Besserverdienern dagegen ist die Verärgerung über das eigene Gehalt deutlich seltener, steigt aber relativ stark an.

Die Studie zeigt auch, dass der subjektive Eindruck schlechter Entlohnung in den alten Bundesländern schneller wächst als in den neuen. Trotzdem sind Westdeutsche noch weit von der Unzufriedenheit der Ostdeutschen entfernt: Im Jahr 2007 waren 32 Prozent der Westdeutschen mit ihrem Einkommen unzufrieden; von den Ostdeutschen waren es 48 Prozent.

Mit der Unzufriedenheit steigt der Krankenstand

Mit der Unzufriedenheit, so stellen die Wissenschaftler fest, steigt der Krankenstand. Menschen, die ihr Einkommen für ungerecht halten, sind im Schnitt pro Jahr 2,5 Tage länger krank als jene, die ihr Gehalt als angemessen empfinden. Schupp schließt daraus, dass kluge Unternehmer die Klagen ihrer Mitarbeiter über unangemessene Gehälter "nicht als reinen Subjektivismus abtun" sollten. Eine als ungerecht empfundene Bezahlung könne für eine Firma durchaus betriebswirtschaftliche Kosten auslösen.

Die Untersuchung von Schupp und Liebig ergänzt Analysen der Realeinkommen der vergangenen Jahre. Diese zeigten für Deutschland regelmäßig, dass die Einkommen zunehmend ungleich verteilt sind. Auch der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sowie weitere Analysen des DIW hatten ergeben, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik weiter öffnet. "In der Mittelschicht breitet sich die Angst vor dem Abrutschen aus", sagt Schupp; dies gehe einher mit einer steigenden Unzufriedenheit mit dem eigenen Gehalt.

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