Gehalt und Gleichberechtigung:Mitschuldig

Frauen verdienen immer noch 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Wer das allein mit dem bösen Willen der Vorgesetzten erklärt, macht es sich zu einfach.

Daniela Kuhr

Wenn heute jemand das Thema "Diskriminierung von Frauen" anspricht, muss man als Zuhörer fast schon niesen, so verstaubt klingt es. Kaum noch einer will darüber diskutieren. Jetzt mal ehrlich, Frauen wie Alice Schwarzer haben ohne Zweifel große Verdienste, aber irgendwann ist es doch auch mal gut: So denken viele, vor allem junge Menschen. Wer sich mit Mädchen oder Frauen zwischen 15 und 25 unterhält, merkt schnell, dass Diskriminierung in dieser Altersgruppe kein Thema mehr ist, das die Gemüter erhitzt. Ist damit das Problem erledigt? Leider nein. Noch lange nicht.

Frauen und Männer Karriere

Der kleine Unterschied: Weibliche Angestellte achten bei der Wahl des Arbeitgebers weniger auf das Gehalt als männliche.

(Foto: Foto: iStock)

An diesem Mittwoch werden in Brüssel 200 Vertreter aus Politik, öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und aus Nichtregierungsorganisationen über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen diskutieren. Tags darauf folgt ein informelles Treffen der zuständigen Minister zum selben Thema. Politischer Aktionismus? Nein. Vielmehr hat die Politik erkannt, dass es immer noch in vielen Bereichen ungerecht zugeht.

Wenn junge Menschen sich nicht mehr über Diskriminierung empören, gibt es dafür einen einfachen Grund: Tatsächlich bekommen sie sie kaum zu spüren. Niemand wundert sich heute, wenn Mädchen im Werkunterricht lieber zur Säge greifen als zur Stricknadel. Auch im Mathematik- oder Physikunterricht werden die Lehrer zur Seltenheit, die einem Mädchen weniger zutrauen als einem Jungen. Gleiches gilt weitgehend für die Universität. Doch dann ist Schluss mit dem harmonischen Miteinander.

Schon der Eintritt ins Berufsleben ist für Frauen schwieriger als für Männer. Noch immer gibt es Arbeitgeber, die das Risiko einer schwangerschaftsbedingten Auszeit vermeiden wollen. Auch wenn die Hürde des Jobantritts genommen ist, verläuft die Karriere von Frauen oft deutlich holpriger. Das beginnt beim Gehalt. In Deutschland zum Beispiel verdienen Arbeitnehmerinnen nach Angaben des Statistischen Bundesamts immer noch 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Wer das allein mit dem bösen Willen der Vorgesetzten erklärt, macht es sich aber zu einfach.

Männer entscheiden, wer gefördert wird

Frauen tragen auch selbst dazu bei, dass sie weniger verdienen: Sie wählen nach wie vor lieber eine Stelle im sozialen Bereich als in der Wirtschaft - und nehmen damit automatisch eine schlechtere Bezahlung in Kauf. Wobei man auch umgekehrt fragen kann, ob nicht vielleicht die Gehälter im sozialen Bereich gerade deshalb so niedrig sind, weil sich so viele Frauen dafür interessieren. Wirtschaftsforscher der Universität Nürnberg-Erlangen kamen jedenfalls zu dem Ergebnis, dass Arbeitgeber es sich leisten können, Frauen schlechter zu bezahlen: Weibliche Angestellte achten bei der Wahl des Arbeitgebers weniger auf das Gehalt als männliche. Sie halten ihm auch bei schlechter Bezahlung länger die Treue, während Männer ein Unternehmen schnell verlassen, wenn ein anderer Betrieb in der näheren Umgebung besser bezahlt. Insofern sind Frauen zu einem Teil selbst schuld, wenn sie weniger verdienen - aber eben nur zu einem Teil.

Der andere Teil - also der, für den sie nichts können - hat viel damit zu tun, dass so gut wie alle verantwortlichen Positionen von Männern besetzt sind. Sie entscheiden, wer wie gefördert wird und wer vorankommt. Zwar fördern sie zunehmend Frauen. Aber es gibt eben auch die Vorgesetzten, die noch ihre Vorurteile haben, die meinen, Männer ernährten die Familie und Frauen betrachteten ihre Arbeit mehr als Hobby.

Diese Vorurteile müssen verschwinden, und die Politik kann dazu beitragen. Das Gleichbehandlungsgesetz, das Klagen erleichtert hat, ohne dass es zu der befürchteten Prozesswelle gekommen ist, war ein kluger Schritt. Das neue Unterhaltsrecht, das Frauen nach einer Scheidung mehr abverlangt und sie stärker zwingt, eine Arbeit aufzunehmen, ist ein weiterer, denn sie müssen sich von dem Gedanken verabschieden, dass sie mit einem Mann auch einen Ernährer fürs Leben gefunden haben. Doch ein Bewusstseinswandel bei den Frauen genügt nicht. Auch in den Firmen muss man umdenken. Notfalls muss die Politik den Druck eben noch ein bisschen erhöhen.

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